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„Perlenkette“ in der Produktion

Effiziente Fertigung von Produkten mit hoher Varianz
„Perlenkette“ in der Produktion

Wenn die Zahl der Produktvarianten steigt, die Fertigung also immer komplexer wird, bietet sich ein Konzept an, das Wirtschaftlichkeit und die Beherrschung der Komplexität verspricht: die Synchrone Produktion. Einige Automobilhersteller haben das mit Erfolg eingeführt und nennen das System schlicht „Perlenkette“.

Tomas Schindler, Senior Associate MBtech Consulting Max Anderlitschka, Associate

Zunehmende Kundenindividualisierung, Effizienzdruck und Fokussierung auf Kernkompetenzen zwingen OEMs verschiedener Branchen mit Built-to-Order-Strategie, ihre Fertigung und die dahinter liegende Lieferkette neu auszurichten. In dieser Situation bietet sich die Einführung der so genannten „Synchronen Produktion“ an. MBtech Consulting hat dazu einen Ansatz entwickelt, der sich für verschiedenste Branchen einsetzen lässt.
Wenn beispielsweise die Produktion oder die Zahl der Produktvarianten steigt, kann es notwendig sein, Sequenzierungsschritte in der Lieferkette einzuführen oder das Lager zu erweitern. Um diese Mehraufwendungen zu vermeiden, somit die Komplexität der Lieferketten zu beherrschen und darüber hinaus Wirtschaftlichkeit sicherzustellen, bietet sich das Konzept der Synchronen Produktion an. Vorreiter in dessen Anwendung sind die Automobilhersteller, von denen die meisten das Konzept als „Perlenkette“ bezeichnen. Es ist jedoch auch auf andere Branchen wie etwa die Werkzeugmaschinen-, Landmaschinen- oder Luftfahrtindustrie übertragbar.
Beim Konzept der Synchronen Produktion wird zu einem definierten Zeitpunkt vor Produktionsstart („Freeze Point“) eine Auftragsreihenfolge für den Hauptfertigungsprozess, in der Regel die Endmontage, festgelegt. Dabei werden Reihenfolge und Termine der Aufträge so eingeplant, dass nach Möglichkeit alle Prozesse gleichmäßig ausgelastet sind. Diese Fertigungssequenz übermittelt der OEM sowohl an die eigenen Fertigungsbereiche als auch an die Lieferanten. Auf diese Weise kann das Supply Chain Management auf drei Ebenen Effizienzen realisieren: durch eine hohe Auslastung der Fertigungsprozesse (Steigerung der Produktivität um ca. 10 Prozent), durch geringe Bestände in den Lieferketten (Reduktion um ca. 15 Prozent bis 30 Prozent) sowie durch weniger Handlingstufen (Vermeidung von Sequenzierungsschritten). Weil auch Lieferantenstandorte in großer Entfernung berücksichtigt werden können, kann der Einkauf maximale Freiheitsgrade bei den Vergaben nutzen. Darüber hinaus profitiert der Vertrieb von einer hohen Termintreue bei einer Reduzierung des Fertigproduktbestandes um rund 30 Prozent.
Auf Basis seiner Projekterfahrungen in diesem Bereich haben die Berater einen Ansatz zur Einführung des Konzeptes der Synchronen Produktion entwickelt. Dieser Ansatz sieht Aktivitäten in drei Feldern vor, zu denen auch bewährte Tools zur Verfügung stehen (siehe Grafik):
  • Produktionssteuerungskonzept
  • Logistikprozessgestaltung
  • Sequenzorientiertes Qualitätsmanagement
Feld 1: Produktionssteuerungskonzept
Das erste Feld beinhaltet die Regeln, anhand derer die Produktionssequenz aus bestehenden Aufträgen gebildet wird. Diese Planung wird in unterschiedlichen Reifegraden von Monats- und Wocheneinplanungen zu genauen Tagessequenzen verfeinert und dient den Lieferanten als Vorschau bzw. Feinabrufe. Dabei ist es wichtig, jedem Glied in der Lieferkette die relevanten Produktionsaufträge so rechtzeitig zur Verfügung zu stellen, dass eine sequenzgerechte Belieferung gewährleistet ist.
Die Produktionssteuerung definiert das Zusammenspiel zwischen der taktgebenden Hauptsequenz – etwa der Endmontage von Fahrzeugen – und den sich daraus ableitenden Sequenzen für Vor- und Anlieferprozesse.
Planspiele für Prozesslandschaften
Dabei gilt es, mögliche Störfaktoren, infolge derer die Ist-Sequenz von der Plan-Sequenz abweichen könnte, durch präventive Maßnahmen, wie beispielsweise durch die Dimensionierung der Entkopplungsgrößen, zu minimieren. Bei der Erstellung des Produktionssteuerungskonzeptes hat sich das hierfür entwickelte wertstrombasierte Produktionssteuerungsdesign als sehr nützlich erwiesen, um die abstrakten Steuerungslogiken anschaulich zu beschreiben. Um die komplexen Vorgänge auszugestalten und zu vermitteln, setzt MBtech Planspiele ein, die auf die konkrete Prozesslandschaft zugeschnitten sind und in denen die Produktions- und Steuerungsabläufe simuliert werden.
Feld 2: Logistikprozessgestaltung
Der zweite Hauptpfeiler der Synchronen Produktion ist die Ausgestaltung der Logistikprozesse. Dazu gilt es zunächst, die sequenzrelevanten Teile zu identifizieren (hohe Varianz) und deren Prozessschritte zu analysieren, um Informationen über Produktionsabläufe und Zeitbedarfe für die Belieferung zu erhalten. Im Anschluss daran wird mittels einer „Critical-Path-Analyse“ der Anlieferprozess mit dem kritischsten Verhältnis von Zeitbedarf zu Zeithaushalt identifiziert. Damit Anliefer- und Hauptprozess sich störungsfrei verzahnen lassen, müssen beispielsweise der Informationsfluss, die Ladungsträgergestaltung, Lkw-Beladeschemata, Transportkonzepte und Materialbereitstellung für alle sequenzorientierten Prozesse genau definiert werden. Notfallkonzepte sichern die Produktion, falls es etwa zu einem Transportunfall kommt oder andere Hindernisse auftreten.
Um Logistikprozesse hinsichtlich ihres Zeitbedarfs miteinander vergleichen zu können, lässt sich der Zeitbedarfs-/Zeithaushalts-Kalkulator einsetzen, der eine (bisher häufig noch nicht durchgehend vorhandene) standardisierte Beschreibung der Logistikprozesse erfordert. Ein weiterer wichtiger Punkt im Rahmen der Logistikprozessgestaltung ist es, die Kapazitäten der einzelnen Lieferkettenglieder sicherzustellen. Gerade bei volatilen Sonderausstattungen und im Falle einer Programmerhöhung lassen sich so sequenzverletzende Lieferengpässe einzelner Komponenten vermeiden. Hierbei wird präventiv das Lieferantenkapazitätsscreening eingesetzt.
Feld 3: Sequenzorientiertes Qualitätsmanagement
Das Konzept der Synchronen Produktion stellt hohe Qualitätsanforderungen sowohl an interne als auch an externe Prozesse. Bei der Einführung eines solchen Konzeptes ist es deshalb unerlässlich, einen deutlichen kausalen Zusammenhang zwischen den Qualitätsanforderungen und dem Produktionskonzept hinsichtlich der Einhaltung der Reihenfolge und der Termintreue herzustellen. Dies beinhaltet die Qualität des Produktes und der zu verbauenden Komponenten, die im Fall von Mängeln zu Nacharbeit oder Auftragssperrungen führen können.
Die Logistikqualität bezieht sich auf Themen wie Liefertermintreue, Dokumentation, Transportschäden und Fehlbestückung von Ladungsträgern. Hier lassen sich mit den Tools des Lieferantenmanagements die besten Ergebnisse erreichen. Oberstes Gebot bei der Einführung der Synchronen Produktion ist es, Transparenz über die Qualität der Prozesse herzustellen. Eine auf die Produktionssystematik und die konkreten Prozesse ausgerichtete Kennzahlenpyramide, die interne als auch externe Prozesse beinhaltet, dient hier als Hilfsmittel.
Somit kann das Konzept der Synchronen Produktion eine große Chance für Unternehmen mit einer auftragsbezogenen Serienfertigung bieten, deren Prozesse sehr effizient auszurichten. Der Ansatz erfordert eine zentrale, ganzheitliche Umgestaltung des Produktionssystems; alte Strukturen werden aufgebrochen und alle Prozessstörungen müssen transparent gemacht werden.

Tipps für die erfolgreiche Umsetzung

Synchrone Produktion

  • Organisation des Transformationsprojektes nach Wertströmen nicht nach Funktionen
  • Zentrale Ausgestaltung des Konzeptes durch ein interdisziplinäres Kernteam ausgehend vom Hauptprozess
  • Bewerten aller sich ergebender Vorteile in Zusammenarbeit von Produktion, Einkauf, Logistik und Vertrieb
  • Kommunikation des Projektes auf jeder Ebene
  • Konsequentes Aufzeigen von Sequenz- verletzungen und stringente Umsetzung von Abhilfemaßnahmen
  • Verursacherbezogene Zuordnung der Kosten bei Sequenzverletzungen
  • Berücksichtigen der Rahmenbedingungen der Synchronen Produktion bei Vertragsabschluß mit Lieferanten und Logistikdienstleistern
  • Gestaffelte Integration der Lieferanten
  • Unsere Whitepaper-Empfehlung
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