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So bekommen Sie Ihr Geld

Schadensersatz
So bekommen Sie Ihr Geld

Wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, kann er zu Schadensersatz verurteilt werden. Näheres erläutert unser Autor Prof. Karlheinz Schmid.

Professor Dr. Karlheinz Schmid, Deutsch Evern www.prof-dr-schmid.de

Letztlich laufen fast alle Streitigkeiten im Einkauf auf die Frage hinaus, wer den entstandenen Schaden zu tragen hat. Deshalb ist es wichtig, sich folgende Grundregeln zu merken: Die zentrale Haftungsnorm ist § 280 Abs. 1 BGB: „Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.“
Schadensersatz ist also nur möglich, wenn der Schuldner (Verkäufer, Auftragnehmer usw.) eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt hat. Solche Pflichtverletzungen können in einem Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten, ungeschriebene Nebenpflichten oder gegen vorvertragliche Schutzpflichten bestehen. Beispiele: Der Verkäufer erbringt die Lieferung verspätet; die verkaufte Sache erweist sich als fehlerhaft. Damit liegt eine objektive Pflichtverletzung vor.
Die Schadensersatzpflicht soll nur den treffen, der für die Pflichtverletzung verantwortlich ist (subjektive Pflichtverletzung). Der Verkäufer muss die Pflichtverletzung schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig begangen haben. Fahrlässigkeit setzt voraus, dass den Verkäufer hinsichtlich eines Mangels eine Sorgfaltspflicht trifft und dass er dieser Pflicht unter Außerachtlassung der verkehrsüblichen Sorgfalt nicht nachgekommen ist. Von einem Händler kann z.B. nicht immer verlangt werden, dass er industrielle Massenartikel auf Konstruktions- oder Fertigungsmängel hin untersucht, wohl aber von einem Hersteller.
Das Verschulden des Verkäufers wird jedoch gesetzlich vermutet, er müsste seine Unschuld beweisen (§ 280 Abs.1 Satz 2 BGB), um diese Vermutung zu widerlegen. Dies ist allerdings im Regelfall sehr schwer! Beim Verzug hätte der Lieferant nur die einzige Möglichkeit, höhere Gewalt nachzuweisen. Wie aber soll ein Hersteller seine Unschuld beweisen, wenn er fehlerhafte Teile geliefert hat? Der Schuldner haftet ohne Entlastungsmöglichkeit, wenn er eine Garantie oder ein Beschaffungsrisiko übernommen hat.
§ 280 BGB greift unmittelbar und allein ein, wenn der eingetretene mittelbare Schaden geltend gemacht wird. Dieser mittelbare Schaden umfasst den gesamten Schaden an anderen Rechtsgütern als dem Liefergegenstand, also den so genannten Folgeschaden. Ersetzt wird auch der entgangene Gewinn. Eine Fristsetzung wäre hier sinnlos. Soweit eine Pflichtverletzung endgültig einen Schaden verursacht hat, ist § 280 BGB die allein maßgebende gesetzliche Bestimmung.
Der kleine und der große Schadensersatz
Nach § 281 Abs.1 Satz 1 BGB kann Schadensersatz statt der Leistung verlangt werden, wenn die Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbracht wird. Der Schadensersatzanspruch selbst folgt aus § 280 Abs.1 BGB. § 281 BGB bestimmt lediglich eine weitere Voraussetzung, die für den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gegeben sein muss: Eine dem Schuldner gesetzte angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung muss erfolglos abgelaufen sein. In § 281 BGB geht es um die Umwandlung eines Leistungsanspruchs in einen Schadensersatzanspruch. Diese Bestimmung ist nur auf Schäden anwendbar, die durch Erfüllung des Leistungsanspruchs oder bei Schlechterfüllung durch Nacherfüllung (Nachbes-serung oder Neulieferung/Neuherstellung) abgewendet werden können. Unter § 281 BGB fallen die Kosten der Ersatzlieferung oder Reparatur und der nach einer Reparatur verbleibende Minderwert. Das Gesetz unterscheidet beim Schadensersatz statt der Leistung zwischen dem kleinen und dem großen Schadensersatz:
Beim kleinen Schadensersatz hält der Käufer am Vertrag fest, behält also die Kaufsache, und verlangt vom Verkäufer Ersatz aller Schäden, die durch die mangelhafte Sache entstanden sind.
Beim großen Schadensersatz löst der Käufer den Vertrag auf und verlangt Ersatz des gesamten Schadens, der durch die Nichterfüllung entstanden ist. An die Stelle des Lieferanspruchs tritt dann der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung. Der Käufer lehnt hier die mangelhafte Sache ab bzw. gibt sie zurück und verlangt den Gesamtschaden, der ihm durch die Lieferung der fehlerhaften Sache entstanden bzw. durch die Nichtlieferung einer mangelfreien Sache entgangen ist.
Der Geschädigte (Gläubiger) kann den Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 BGB) nur geltend machen, wenn neben den Voraussetzungen des § 281 BGB (Fristsetzung) auch die des § 280 BGB vorliegen. Der Schuldner muss also eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis schuldhaft, somit vorsätzlich oder fahrlässig, verletzt haben.
Für die Schadensersatzansprüche gibt es keine Obergrenze. Soweit man den Anspruch nachweisen und exakt beziffern kann, muss er also in unbegrenzter Höhe erstattet werden. Ein einkaufendes Unternehmen wird keine Veranlassung sehen, an dieser gesetzlichen Regelung etwas zu ändern. Verkäufer werden jedoch verständlicherweise versuchen, Obergrenzen ver-traglich zu vereinbaren. Als Einkäufer wird man sich häufig einer solchen Forderung kaum entziehen können. Obergrenzen könnten u. a. rein zahlenmäßig vereinbart („jedoch nicht höher als 5 Mio. Euro“), vom Auftragswert her begrenzt („jedoch nicht höher als der doppelte Auftragswert“) oder gegenständlich festgelegt werden („ausgenommen sind Schadensersatz-ansprüche, die sich durch Produktionsausfall oder entgangenen Gewinn ergeben“).
Wer eine Sache kauft, die sich später als mangelhaft erweist, muss sich in erster Linie an den Verkäufer wenden, um seine Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Nur seinem Vertragspartner gegenüber stehen ihm die Nacherfüllungsansprüche, nämlich das Recht auf Nachbesserung und Ersatz- bzw. Neulieferung zu. Wer diesen Weg nicht geht, vielmehr die Nachbesserung bei einem Dritten durchführen lässt und dann Schadensersatz vom Verkäufer fordert, hat Pech gehabt. Einem Autokäufer, der so verfahren war, schrieb dies der Achte Senat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 23.02.2005 (Der Betrieb 2005 Seite 997) wie folgt ins Stammbuch: Der Anspruch des Käufers auf Schadensersatz statt der Leistung setzt voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat, soweit nicht einer der gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestände eingreift. Beseitigt der Käufer den Mangel selbst, ohne dem Verkäufer zuvor eine erforderliche Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu haben, kann er auch nicht die Anrechnung der vom Verkäufer ersparten Aufwendungen für eine Mangelbeseitigung auf den Kaufpreis verlangen oder den bereits gezahlten Kaufpreis in dieser Höhe zurückfordern. Andernfalls würde dem Käufer im Ergebnis ein Selbstvornahmerecht auf Kosten des Verkäufers zugebilligt, auf das der Gesetzgeber bewusst verzichtet hat.
Wenn die Nachbesserung fehlgeschlagen ist, kann der Käufer wegen eines Mangels der Kaufsache Schadensersatzansprüche (§§ 280, 281 BGB) oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.07.2005 (Der Betrieb 2005 Seite 2295) sind Gutachterkosten sowie Kosten eines außergerichtlich eingeholten Beweissicherungsgutachtens im Rahmen des Schadensersatzes gemäß § 280 BGB zu ersetzen. Sie sind nicht Gegenstand des Aufwendungsersatzanspruchs.
Der Bundesgerichtshof hat außerdem entschieden, dass der Käufer einer mangelhaften Sache auch dann Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 284 BGB) hat, wenn er wegen eines Mangels vom Kaufvertrag zurücktritt. Dieser Anspruch ist nicht auf den Ersatz notwendiger Verwendungen oder solcher Aufwendungen beschränkt, durch die der Verkäufer bei Rückgabe wieder bereichert wird. Zu diesen Aufwendungen gehören auch Ausgaben für kommerzielle Zwecke.
Zu ersetzen sind nach § 284 BGB vergebliche Aufwendungen, die der Käufer im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte. Vergebliche Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, die der Käufer im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung erbracht hat, die sich aber wegen der Nichtleistung oder der nicht vertragsgerechten Leistung des Verkäufers als nutzlos erweisen. Aufwendungen des Käufers auf eine gekaufte Sache, die sich später als mangelhaft herausstellt, sind demnach in der Regel vergeblich, wenn der Käufer die Kaufsache wegen ihrer Mangelhaftigkeit zurückgibt oder sie jedenfalls nicht bestimmungsgemäß nutzen kann und deshalb auch die Aufwendungen nutzlos sind. Denn der Käufer hofft insbesondere, die gekaufte mangelfreie Sache nutzen zu können. Im Vertrauen darauf erbringt er Aufwendungen auf die Kaufsache.
Angemessene Fristen
Deshalb müssen beim Autokauf Zubehörteile, wie z. B. Autotelefon, Navigationssystem, Alarmanlage, Standheizung, Sportlederlenkrad, Leichtmetallräder, Anhängerkupplung, die der Käufer in das später wegen Mangelhaftigkeit zurückgegebene Fahrzeug hat einbauen lassen, vom Verkäufer ersetzt werden. Für die Ersatzpflicht des Verkäufers ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob diese Zubehörteile für ihn anderweitig verwendbar sind.
Dies gilt ebenso für Maschinen, Anlagen und Systeme. Werden bei ihnen Zusatzaggregate ein- oder angebaut oder Zusatzleistungen erbracht (Farbanstrich), die sich später wegen der Mangelhaftigkeit des gekauften Hauptaggregats und dessen Rückgabe als nutzlos erweisen, dann müssen diese Einbauten und Zusatzleistungen vom Verkäufer erstattet werden.
Der Bundesgerichtshof hat jedoch den Aufwendungsersatzanspruch des Käufers für die Fahrzeugzusatzausstattung um 20 Prozent gekürzt und dies damit begründet, dass der Käufer das angeschaffte Zubehör bei einer anzusetzenden Nutzungszeit des Fahrzeugs von insgesamt fünf Jahren jeweils etwa ein Jahr bis zur vereinbarten Rückabwicklung habe nutzen können. Mit einer solchen Kürzung muss dann auch bei Maschinen, Anlagen und Systemen gerechnet werden, doch werden sich diese Abzüge wegen der hier gegebenen längeren Laufzeiten in Grenzen halten. Kosten, die dem Käufer eines Kraftfahrzeugs für dessen Überführung und Zulassung entstehen, sind Aufwendungen im Sinne des § 284 BGB. Wird der Kauf wegen Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs rückabgewickelt, nachdem der Käufer das Fahrzeug zeit-weise genutzt hat, so mindert sich der Anspruch auf Ersatz auch dieser Aufwendungen entsprechend der Nutzungsdauer oder Laufleistung des Fahrzeugs. Der Käufer muss, wenn er sich für den Rücktritt und Ersatz vergeblicher Aufwendungen entscheidet, das Fahrzeug mit der Zusatzausstattung an den Verkäufer zurückgeben. Er erhält den um die Nutzungsentschädigung geminderten Kaufpreis zurück.
Damit der Geschädigte Schadensersatz statt der Leistung geltend machen kann, muss er dem Schuldner zuvor grundsätzlich erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt haben. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch folgende im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen: Eine Fristsetzung ist ausnahmsweise nicht erforderlich, wenn die Leistung vom Schuldner ernsthaft und endgültig verweigert wird (§§ 281 Abs.2, 323 Abs.2 Nr.1 BGB). Das Gleiche gilt, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Sofortmaßnahme rechtfertigen.
Solche Notfälle kommen durchaus auch im betrieblichen Bereich vor, so dass dann die sonst obligatorische Fristsetzung entfällt. Dies gilt zum Beispiel bei Feuer- oder Explosionsgefahr, Gasausbruch oder sonstigen Gefahren für Menschen und/oder hohe Sachwerte, aber auch bei Just-in-time-Belieferungen. Allerdings ist hier bei Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorsicht geboten. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 5.10.2005 (VIII ZR 16/05) folgende Klausel für unzulässig erklärt: „In dringenden Fällen sind wir auch berechtigt, die Mängel auf Kosten des Lieferanten selbst zu beseitigen, beseitigen zu lassen oder Ersatz zu beschaffen.“
Die Klausel wurde u. a. mit der Begründung für nichtig erklärt, sie ermögliche dem Warenempfänger umfassende Maßnahmen zur Beseitigung von Mängeln und zur Ersatzbeschaffung, ohne dass es auf ein Verschulden des Lieferanten ankomme und ohne dass dieser durch Fristsetzung oder Mahnung gewarnt werden müsse. Auch ein Korrektiv in Gestalt einer angemessenen Haftungsbegrenzung lasse die Klausel vermissen.
Dringende Fälle können meines Erachtens aber auch dann vorliegen, wenn durch eine schnelle Reparatur der Käufer einen Lieferverzug verhindern kann, bei dem hohe Verzugsschäden drohen.
Richtig formulieren
Deshalb ist wohl weiterhin folgende Klausel zulässig: „Kommen Sie Ihren Verpflichtungen aus der Mängelhaftung innerhalb einer von uns gesetzten, angemessenen Frist schuldhaft nicht nach, so können wir die erforderlichen Maßnahmen auf Ihre Kosten und Gefahr selbst treffen oder von Dritten treffen lassen.
In dringenden Fällen können wir nach Abstimmung mit Ihnen die Nachbesserung selbst vornehmen oder durch einen Dritten ausführen lassen. Kleine Mängel können von uns – in Erfüllung unserer Schadensminderungspflicht – ohne vorherige Abstimmung selbst beseitigt werden, ohne dass hierdurch Ihre Verpflichtungen aus der Mängelhaftung eingeschränkt werden. Wir können Sie dann mit den erforderlichen Aufwendungen belasten. Das Gleiche gilt, wenn Menschen in Gefahr sind und/oder hohe Sachschäden drohen.“
Im zweiten Satz kommt es ganz wesentlich auf den Zusatz „nach Abstimmung mit Ihnen“ an. Wer ganz sicher gehen will, definiert, zum Beispiel im Reparaturhandbuch, was unter „kleinen Mängeln“ zu verstehen ist („Kleine Mängel in diesem Sinne sind…“). Oder man begrenzt die „erforderlichen Aufwendungen“ mit dem Zusatz „jedoch nicht mehr als … Euro“. Richter könnten auch den Begriff „hohe Sachschäden“ beanstanden. Um dem vorzubeugen, könnte man ergänzen „und/oder Sachschäden von mehr als … Euro drohen“.
Entbehrlich ist die Fristsetzung auch dann, wenn der Schuldner die Leistung zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht bewirkt und der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat.
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