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Sparen lohnt sich auch in kleineren Unternehmen

Beispiel aus der Elektroindustrie
Sparen lohnt sich auch in kleineren Unternehmen

Trends und Entwicklungen im Einkaufsbereich werden hauptsächlich für die Bedürfnisse der Großunternehmen publiziert. Während größere Mittelständler noch in gesonderten Foren berücksichtigt werden, bleiben die Probleme kleinerer Mittelständler (bis ca. 200 Mitarbeiter) außen vor, obwohl diese im produzierenden Gewerbe 80% der Betriebe mit 25% der Beschäftigten darstellen.

Stefan Nestler, Oldenburg E-Mail: nestler.s@t-online.de

Kleinere Unternehmen fokussieren sich auf Technik und Vertrieb, Bereiche, in denen sie eine hohe Kompetenz besitzen und in denen die Erfolgsfaktoren Innovation, Flexibilität, Schnelligkeit und Kundenorientierung zum Tragen kommen. Produktion und Einkauf stehen dagegen nicht im Mittelpunkt und nehmen traditionell eine rein unterstützende Funktion wahr. In Zeiten zunehmenden Wettbewerbs wird es auch für kleinere Unternehmen zunehmend wichtiger, in diesen Bereichen wirtschaftlich zu arbeiten.
Im Folgenden soll anhand eines Beispiels aus der elektronischen Messtechnik dargestellt werden, wie im Beschaffungsbereich eines kleinen Unternehmens durch einfache und kostengünstige Maßnahmen deutliche Kostensenkungen und Effizienzverbesserungen erzielt werden konnten.
Fallbeispiel
Das Beispielunternehmen ist ein Hersteller elektronischer Messtechnik für ein spezielles Anwendungsgebiet. Überlegene Technik und ein internationales Vertriebsnetz machten das Unternehmen zum Weltmarktführer seines Marktsegmentes. Aufgrund der vielfältigen Applikationen und Messverfahren wurde eine Vielzahl von Geräten entwickelt, welche direkt an den Kunden verkauft oder wiederum kundenspezifisch zu kompletten Systemen zusammengesetzt werden. Die jährliche Absatzmenge je Produkt bewegt sich zwischen Einzelfertigung spezieller Varianten bis zu bestenfalls einigen hundert Geräten.
In den Geräten werden viele spezielle Komponenten eingesetzt, die oft gemeinsam mit dem Lieferanten entwickelt sind oder für die es nur wenige Hersteller gibt. Darüber hinaus werden viele Beschaffungsmärkte, wie für elektronische Bauteile, von großen Abnehmern wie z.B. Telekommunikationsausrüstern dominiert. Das Unternehmen beschäftigt ca. 200 Mitarbeiter in zwei Werken. Die Einkaufsabteilung des betrachteten Standortes umfasst einen Einkaufsleiter, der von zwei Sachbearbeiterinnen für die Abwicklung unterstützt wird. Das gesamte Beschaffungsvolumen beträgt ca. 8 Millionen Euro.
Zur Verbesserung der Beschaffungsfunktion und Erzielung nachhaltiger Einsparungen wurden zwei Ansätze gewählt. Zum einen wurde der klassische Beschaffungsprozess kritisch betrachtet, zum anderen die operative Bestellabwicklung und Disposition.
Klassischer Beschaffungsprozess
Der klassische Beschaffungsprozess beinhaltet Suche, Auswahl und vertragliche Bindung der Lieferanten. In der Bedarfsanalyse wird zunächst das zu beschaffende Material definiert. Dies umfasst die technischen Spezifikationen, Jahres- und Abrufmengen, Liefertermine bzw. -zeiten und Zielpreis. Anschließend werden mögliche Beschaffungsmärkte analysiert und ein oder mehrere geeignete Beschaffungsmarktsegmente ausgewählt. Abgrenzungskriterien für die Marktsegmente sind beispielsweise Geographie (lokal, regional, national, international), Lieferantengruppe (Hersteller vs. Distributoren), Servicelevel oder Zeitmerkmale.
Im gewählten Beschaffungsmarktsegment werden potenzielle Lieferanten systematisch identifiziert, analysiert und abschließend eine Shortlist möglicher Verhandlungspartner erstellt. Die anschließenden Verhandlungen sollen zu einem guten Vertragsabschluss führen. Die Effektivität des gesamten Prozesses wird durch ein auf Kennzahlen basierendes Controlling überwacht.
Dieser mustergültige Prozess ist in kleineren Unternehmen selbst bei strategisch bedeutenden Materialen meist nicht zu finden. Vielmehr werden die technischen Spezifikationen durch die Konstruktion vorgegeben und durch den Einkauf nicht weiter hinterfragt. Teilweise besteht die technische Spezifikation sogar nur aus der Katalognummer eines Lieferanten, so dass Konditionenvergleiche und Lieferantenwechsel erschwert werden.
Im Einkauf herrscht das Denken in Lieferanten-Material-Relationen vor. Informationen über Alternativen werden eher zufällig gewonnen, wenn ein Zulieferer selbst aktiv wird, das Unternehmen kontaktiert und ein Vergleichsangebot erstellt. Verhandlungen mit bestehenden oder neuen Lieferanten werden selten vorbereitet und Rahmenverträge nicht geschlossen. Es wird einzeln bestellt, basierend auf dem immer noch vorherrschenden 3-Angebote-System. Ein Controlling findet nicht statt.
Dieses zugegeben überspitzt dargestellte Szenario beschreibt sicherlich nicht den Einkauf aller Unternehmen, die Praxis ist davon aber nicht weit entfernt. Verantwortlich für solche unzureichenden Beschaffungsprozesse sind sicherlich nicht ausschließlich die Einkäufer, sondern es spiegelt sich hier die Wertschätzung wider, die dem Einkauf in der Historie des Unternehmens zuerkannt wurde. Strategische und organisatorische Defizite muss sich vielmehr das Management anrechnen lassen.
Änderungsmanagement
Verbesserungen der Arbeitsweise in der Beschaffung können nicht von heute auf morgen, sondern nur in kleinen Schritten erreicht werden. Im Beispielunternehmen wurde ein Projektteam gebildet, das sich sowohl aus Einkäufern als auch aus Technikern der verschiedenen Standorte zusammensetzte. Wichtig war die hohe Entscheidungskompetenz, die dem Team zuerkannt wurde, sowie die Definition klarer Zielvorgaben durch das Management. Das Projektteam begann zunächst mit der Strukturierung des Beschaffungsvolumens in Beschaffungsgruppen anstelle von Lieferanten. Anschließend wurden Prioritäten für die weitere Bearbeitung vergeben. Als Kriterien dienten vor allem das abgeschätzte Einsparungspotenzial und die schnelle Umsetzbarkeit. Für jede Beschaffungsgruppe wurde eine individuelle Strategie entwickelt und umgesetzt. Das Projektcontrolling verfolgte sowohl die qualitativen als auch die quantitativen Erfolge des Projektes.
Bereits in der Analysephase zeigte sich das Hauptproblem, mit dem viele kleinere Unternehmen konfrontiert sind. Mehr als die Hälfte des Materialvolumens kann kurzfristig nur sehr eingeschränkt betrachtet werden, da ein Lieferantenwechsel nicht oder kaum möglich ist, z.B. wegen Gemeinschaftsentwicklungen, Monopol des Lieferanten oder sonstiger Abhängigkeiten. Diese Materialgruppen wurden freilich nicht von der weiteren Bearbeitung ausgeklammert, vielmehr wurden Lösungen angestrebt, die den bestehenden Lieferanten nicht in Frage stellen. Stattdessen sollen gemeinsam mit ihm Einsparungspotenziale erschlossen werden, beispielsweise durch Optimierung der Logistik. Langfristig sind für einige Materialgruppen allerdings Alternativen zu entwickeln.
Ein weiteres Problem war die große Lieferantenzahl. Die ABC-Analyse zeigte, dass die volumenbezogen 60 wichtigsten Lieferanten lediglich 20% des gesamten Beschaffungsvolumens vertraten. Der Bearbeitungsaufwand solcher Projekte sollte daher nie vernachlässigt werden und es sind immer wieder Kompromisse einzugehen. Da ein Lieferantenwechsel oft mit konstruktiven Anpassungen und Qualifizierungskosten verbunden ist, sind auch diese unbedingt in der Betrachtung mit einzubeziehen.
Dennoch gestaltete sich das Projekt bei einer Dauer von einem halben Jahr erfolgreich. Es wurde knapp die Hälfte des gesamten Beschaffungsvolumens bearbeitet und ein zweistelliger Prozentsatz der Beschaffungskosten eingespart. Weitere positive Ergebnisse waren die Reduzierung der Lieferantenanzahl, eine steilere ABC-Kurve und der verstärkte Abschluss von Rahmenverträgen mit wichtigen Lieferanten. Zudem wurde die Zusammenarbeit der Standorte sowie zwischen Technik und Einkauf nachhaltig verbessert. Das Projektcontrolling wurde zu einem permanenten Einkaufscontrolling ausgebaut, das die Leistungen des Einkaufs erfasst und regelmäßig einen Beschaffungs-Preisindex für das Management-Reporting vorhält.
Bestellabwicklung und Disposition
Anders als beim klassischen Beschaffungsprozess, bei dem die monetären Einsparungen für das Unternehmen vor allem durch Senkung der Beschaffungspreise erzielt werden, hinterfragt die Betrachtung der Bestellabwicklung die internen Prozesskosten. Dabei ist der gesamte Beschaffungsprozess zu berücksichtigen, der weit vor dem eigentlichen Bestellvorgang mit der Absatzplanung beginnt.
Der Vertrieb plant den Absatz jährlich auf Produktebene, und die Produktionsleitung setzt diesen Absatzplan in einen Jahres-Produktionsplan um. Entsprechend fester Standardlosgrößen werden über das Jahr verteilte Fertigungsaufträge generiert und im PPS-System angelegt. Hierauf aufbauend findet unterjährig die Sekundärbedarfsermittlung statt, aus welcher die Bestellvorschläge hervorgehen. Diese werden vom Disponenten nochmals überarbeitet und an die Einkaufsleitung übermittelt. Der Einkaufsleiter passt die disponierten Mengen an Einkaufsrestriktionen an, beispielsweise erhöht er Bestellmengen, um Mengenstaffeln auszunutzen. Die Einkaufssachbearbeiterin wickelt hierauf aufbauend die Bestellungen ab.
Da im Einkauf nur drei Personen tätig sind, erscheint das Einsparungspotenzial gering. Es wurde als illusorisch betrachtet, dass durch Verbesserungen eine ganze Person „abgebaut“ und somit Einsparungen erzielt werden könnten. Der skizzierte Prozess resultiert allerdings in hohen Beständen (sowohl Fertigwaren als auch RHB-Stoffe), geringer Transparenz, langen Durchlaufzeiten und ständigem Streit zwischen Einkauf und Disposition, wer hieran schuld sei.
Schwächen des dargestellten Prozesses
– Der Absatzplan auf Produktebene des Beispielunternehmens ist ungenau. Er dient dem Vertrieb zur Umsatzplanung, ist jedoch für die Fertigungsplanung ungeeignet. Der Absatzmarkt verhält sich auf aggregierter Ebene recht konstant, auf Produktebene jedoch sehr stochastisch.
– Die Materialbedarfsplanung basiert auf dieser zwangsläufig ungenauen – aber Genauigkeit vortäuschenden – Fertigungsplanung. Oft werden Bestellmengen zusammengefasst, um bessere Einkaufskonditionen zu erzielen, obwohl sich der Jahresbedarf ex post weitaus geringer als geplant darstellt. Die Fertigung der Produkte wird zwar verschoben, das Material ist aber bereits im Hause und der Materialbestand wird entsprechend aufgebaut.
– Der Disponent der Materialbedarfsplanung hat unzureichende Informationen über den Beschaffungsmarkt.
– Die Einkaufsleitung wiederum besitzt nur wenige Informationen über den Hintergrund der Disposition. Bestellmengen werden erhöht, obwohl der Disponent den Bedarf bereits vergrößert hat. Sicherheitsdenken bewirkt, dass eher zu viel als zu wenig Material bestellt wurde.
– Die Einkaufssachbearbeiterin betreibt einen hohen manuellen Aufwand. Alle Bestellungen werden ausgedruckt, gefaxt bzw. versendet und in Hängeregister-Vorgängen abgelegt, die bei Rückfragen, Auftragsbestätigung, Wareneingang und Rechnungseingang zu pflegen sind.
Abhilfen
Der beschriebene Ablauf wurde durch einfache organisatorische Änderungen umgestaltet:
– Die Absatzplanung wird von der Produktion nur noch als grobe Information genutzt. Die separate Fertigungsplanung erfolgt monatlich rollierend in einer gemeinsamen Besprechung zwischen Vertriebsleitung, Fertigungsleitung, Einkauf und Disposition. Somit wird monatlich ein aktualisierter Fertigungsplan mit einem Planungshorizont von fünf Monaten erzeugt. Die hierfür erforderliche Zeit (ca. zwei Stunden) ist sehr gut angelegt.
– Die Arbeitsplätze der Materialdisposition und der Bestellabwicklung werden räumlich zusammengefasst. Somit können Dispositionsgrundlagen und Einkaufsrestriktionen einfach auf Zuruf ausgetauscht werden.
– Der strategische Einkauf ist von der operativen Bestellabwicklung getrennt. Seine Aufgabe ist der Abschluss von Rahmenvereinbarungen, aus denen operativ abgerufen wird.
– Bestellungen werden nicht mehr ausgedruckt, sondern über eine entsprechende Software unmittelbar aus dem System gefaxt. Notizen können über virtuelle Post-its bei der Bestellung hinterlegt werden. Vorgänge auf Papierbasis werden nur dann angelegt, wenn außerordentliche Schriftwechsel mit den Lieferanten erfolgen. Der nächste geplante Schritt ist die Einführung eines Dokumentenmanagementsystems.
– Die Disposition wird durch Nutzung eines durch Lieferanten direkt versorgten Regalsystems für Standard- und Normteile entlastet.
Durch diese einfachen Änderungen konnte der Fertigwarenbestand um knapp 60%, der RHB-Bestand um 30% gesenkt werden. Als Konsequenz daraus verringern sich die Kosten für Kapitalbindung, Umbauten fertiger Geräte und Abwertung bei technischer Veralterung deutlich. Personalreduzierungen wurden nicht durchgeführt; die Sachbearbeiter wurden aber deutlich von Routinetätigkeiten entlastet. Die Reduzierung der Papierablage macht etwa ein Drittel der Arbeitskraft einer Sachbearbeiterin verfügbar, die diese Kapazität nunmehr zur genaueren Terminverfolgung verwendet. Darüber hinaus wurde die Transparenz zwischen den Abteilungen, vor allem gegenüber dem Vertrieb, deutlich gesteigert. Atmosphärische Störungen und Zeitaufwand zur Darstellung und Rechtfertigungen in Problemsituationen werden vermieden.
Alle Änderungen wurden zunächst von Skepsis begleitet. Deshalb war es wichtig, die Ergebnisse und Erfolge der Maßnahmen quantitativ sichtbar zu machen. Am geeignetsten erwies sich hier die Verwendung von Excel-Auswertungen, die direkt auf den Datenbestand des zentralen PPS-Systems mittels File Transfer oder Datenbankprotokollen zugreifen. Sämtliche Kennzahlen und Charts sind schnell generiert. Darüber hinaus ist bei vereinzelt vorkommenden Fehlern in den Datenbeständen die Fehlersuche und Verifizierung der Auswertungen deutlich vereinfacht. Hier haben kleinere Betriebe mit noch überschaubaren Datenbeständen deutliche Vorteile gegenüber Großunternehmen.
Zusammenfassung
Es hat sich gezeigt, dass die Optimierung des Einkaufs auch bei kleineren Unternehmen mit entsprechend niedrigerer Personaldecke lohnend ist. Hierfür sind die Beschaffungsprozesse bereichsübergreifend zu betrachten. Die Erfolge beschränken sich nicht lediglich auf die Reduktion der Beschaffungspreise, sondern es konnten auch die Bestände und Fehlerkosten deutlich gesenkt werden. Weitreichende EDV-Investitionen sind nur selten notwendig, es gilt auch hier die 20/80-Regel: Mit 20% des möglichen Aufwandes können 80% des Erfolges realisiert werden.
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