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Spritzgusswerkzeuge aus China

Internationaler Werkzeugmarkt
Spritzgusswerkzeuge aus China

Globale Märkte zur Versorgung internationaler Produktionsstandorte und die damit verbundene kosteneffiziente Beschaffung anforderungsgerechter Werkzeuge rücken verstärkt in den Fokus. Die Aachener Werkzeugbau Akademie beschreibt im Rahmen einer dreiteiligen Reihe das Potenzial des internationalen Werkzeugeinkaufs. Im ersten Teil der Serie werden hierzu die Chancen des chinesischen Marktes für Spritzgussformen präsentiert.

Der Werkzeugbau in China ist auf dem gesamten chinesischen Festland präsent, wobei die drei Küstenprovinzen Guangdong, Zhejiang, Jiangsu und die Stadt Shanghai 80 % der chinesischen Werkzeugproduktion abdecken. Insbesondere in der Provinz Guangdong sind Bestrebungen zu erkennen, das industrielle Potenzial im Pearl River Delta durch den Bau von zwei gigantischen Brücken weiter zu heben.

Basierend auf einer von der WBA sowie dem Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen durchgeführten Studie zum Werkzeugbau in China soll nachfolgend der Fokus auf den Markt für Spritzgussformenformen gelegt werden. Hierzu wurden in der Studie über 3000 Werkzeugbaubetriebe in China identifiziert, aus denen 110 einem detaillierten Benchmarking unterzogen worden sind. Abschließend wurden die besten zwölf Unternehmen aus dem Benchmarking vor Ort in China besucht und einer Auditierung durch Experten unterzogen. Hauptabnehmer für chinesische Spritzgussformen ist der asiatische sowie chinesische Markt mit insgesamt 46 % Umsatzanteil. Es ist jedoch zu beobachten, dass der Absatz nach Europa (30 %) und Nordamerika (19 %) in den letzten Jahren stark zugenommen hat und der chinesische Spritzgussformenbau einen ernsthaften Wettbewerber für lokale Anbieter darstellt. Für den Großteil der technologisch und organisatorisch überdurchschnittlich aufgestellten Werkzeugbaubetriebe stellt die Automobilindustrie den zentralen Abnehmer dar. In dieser Branche erwirtschaften chinesische Spritzgussformenbauer durchschnittlich 39 % ihrer Umsatzanteile. Es zeigt sich, dass filigrane Formen, besondere Maß- und Formtoleranzanforderungen sowie hochkavitätige Spritzgussformen nur von wenigen, ausgewählten Werkzeugbaubetrieben erreicht werden können. Die Fertigung von hochkavitätigen und -präzisen Formen gehört zur Königsdisziplin im Spritzgussformenbau und im Vergleich zu Deutschland wird diese Königsdisziplin in China in Relation zur Branchengröße nur von einer geringen Anzahl der Unternehmen beherrscht.
Im Vergleich zu Deutschland weisen chinesische Spritzgussformen im Branchendurchschnitt eine gute Qualität auf. Dies zeigt sich beispielsweise an der in den Betrieben erreichten Oberflächengenauigkeit: So erreichen sogar 36 % der Werkzeugbaubetriebe eine Oberflächengenauigkeit von 1µm. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu ergänzen, dass das Produktspektrum in zahlreichen chinesischen Betrieben nur wenig fokussiert ist und trotz eingehaltener Oberflächengenauigkeiten nur einzelnen Formenbauern Kernkompetenzen im Hochpräzisionsbereich zuzuschreiben sind. Hierzu sagt der Experte Hans Griessl, Leiter Gerresheimer Technology Competence Center China: „Im Bereich des Spritzgussformenbaus ist der chinesische Werkzeugbau noch immer weit diversifiziert. Einige Betriebe haben das deutsche Qualitätsniveau jedoch in vielen Bereichen erreicht. Diese Betriebe gilt es zu identifizieren und in Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der eigenen Anforderungen weiter zu entwickeln. Nur in enger Abstimmung lassen sich in China, auch mit den Besten der Branche, optimale Ergebnisse erzielen.“
Gleichzeitig ist das Preisniveau chinesischer Werkzeuge im Bereich des Spritzgussformenbaus bei vergleichbaren Qualitätsstandards bis zu 40 % niedriger als in Deutschland. Trotz stetig stark ansteigendem Lohnniveau in Verbindung mit geringeren Produktivitätszuwächsen – die Produktivität in China gemessen am Umsatz ist um das Vierfache geringer – ist nicht davon auszugehen, dass chinesische Werkzeuge mittelfristig das Preisniveau deutscher erreichen werden. Demnach gilt es zukünftig, die überdurchschnittlich erfolgreichen chinesischen Werkzeugbaubetriebe zu identifizieren, um die mögliche Nähe zu lokalen Produktionsstätten in China sowie den geringeren Einstandspreis für Spritzgussformen vorteilhaft zu nutzen.
Die Leistungsfähigkeit von Werkzeugbaubetrieben ist im Wesentlichen von der Beherrschung der Prozesse abhängig. Indikatoren einer hohen Prozessleitfähigkeit sind unter anderem die Durchlaufzeit und Termintreue. Aufgrund der hohen Verfügbarkeit an Kapazitäten in der Konstruktion, mechanischen Fertigung sowie der Bemusterung können Werkzeugprojekte in China schnell realisiert werden, da selten Ressourcenengpässe auftreten. So arbeiten beispielsweise häufig bis zu drei Personen an einer Konstruktion, sodass die Durchlaufzeiten für vergleichbar komplexe Werkzeuge in China bis zu 50 % geringer sein können. Die gute Prozessleistungsfähigkeit zeigt sich ebenfalls an einer auch zu Deutschland vergleichbaren Termintreue von knapp 75 % termingerecht oder vor dem vereinbarten Termin ausgelieferter Werkzeuge. Im Bereich der Know-how-intensiven Montage und im Try-out weist eine Vielzahl chinesischer Werkzeugbaubetriebe Verbesserungspotenziale auf, allerdings sind mittlerweile auch Unternehmen mit einer sehr hohen Leistungsfähigkeit in diesen Bereichen zu finden. In den meisten Fällen qualifizieren die Betriebe ihre Mitarbeiter eigenständig aufgrund des erschwerten Zugangs zu hoch qualifizierten Mitarbeitern auf dem Arbeitsmarkt. Die Fluktuationsrate in China ist verglichen zu Deutschland sehr hoch. Ein chinesischer Mitarbeiter ist durchschnittlich acht Jahre für ein Unternehmen tätig. In Deutschland liegt der Durchschnitt bei 15 Jahren, sodass ein guter Wissenstransfer innerhalb des Betriebs für erfolgreiche Werkzeugbaubetriebe in China den zentralen Erfolgsfaktor darstellt.
Hinsichtlich der maschinellen Fertigungsressourcen sind die Betriebe in China breit aufgestellt. So sind in nahezu allen Betrieben die Kerntechnologien des Werkzeugbaus, wie Fräsen, Drehen, Senkerosion, Drahterosion und Schleifen, vorhanden. Zusätzlich ist zu ergänzen, dass das Durchschnittsalter der Maschinen im Vergleich zu Deutschland sehr gering ist. Dies ist auf kontinuierliche Investitionen sowie Bestreben der Betriebe zurückzuführen, dem Kunden einen jungen Maschinenpark zu präsentieren. Es kann festgehalten werden, dass chinesische Werkzeuge im Bereich des Spritzgusses eine ernsthafte Beschaffungsoption darstellen. Viele chinesische Werkzeugbauer besitzen eine sehr gute sowie breite Maschinenausstattung und können durch zusätzlichen Mitarbeitereinsatz leistungsfähige Werkzeuge zu niedrigen Preisen anbieten. Dabei gilt es jedoch, die fähigen und zuverlässigen Werkzeugbaubetriebe zu identifizieren und entwickeln, da der chinesische Beschaffungsmarkt sehr intransparent ist. Nur eine hohe Marktintelligenz und Vor-Ort-Präsenz ermöglichen einen zufriedenstellenden Werkzeugeinkauf in China.

Unter einem Dach

Werkzeugbau Akademie

Die Werkzeugbau Akademie (WBA) bündelt die Expertise der RWTH Aachen und der Fraunhofer-Institute für die Werkzeugbaubranche. Das Angebot beinhaltet maßgeschneiderte Weiterbildungsmöglichkeiten für Nachwuchs- und Führungskräfte sowie anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung und spezifisches Branchennetworking. Als Plattform für den Werkzeugbau stellt die WBA mit ihren Mitarbeitern die Verbindung zwischen Wissenschaft und Industrie her.

Dr. Wolfgang Boos, Geschäftsführer
Michael Salmen, M.Sc., Leiter Industrieberatung
Thomas Kuhlmann, M.Sc., M.Sc., Gruppenleiter Industrieberatung
Advan Begovic, M.Sc. RWTH, Berater
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