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Strategien des Global Sourcing

Entscheidungskriterien richtig gewichten
Strategien des Global Sourcing

Strategien des Global Sourcing

Unternehmen suchen heute den Globus ab nach den besten Materialien und Dienstleistungen zu den günstigsten Preisen. Der Markt für Resourcen entwickelt sich global mit zwei grundlegenden Trends: Einerseits werden Einkäufer-Zulieferer-Beziehungen zunehmend von Computern gehandled; andererseits gewinnen strategische Allianzen an Tiefe und Breite. Daraus ergeben sich unterschiedliche Typologien von Sourcing-Beziehungen.

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Fassade einer Messehalle im Messezentrum von Delhi

Unternehmen suchen heute den Globus ab nach den besten Materialien und Dienstleistungen zu den günstigsten Preisen. Der Markt für Resourcen entwickelt sich global mit zwei grundlegenden Trends: Einerseits werden Einkäufer-Zulieferer-Beziehungen zunehmend von Computern gehandled; andererseits gewinnen strategische Allianzen an Tiefe und Breite. Daraus ergeben sich unterschiedliche Typologien von Sourcing-Beziehungen.

Global Player konzentrieren ihre Ressourcen heute zunehmend auf Kernkompetenzen und tendieren dazu, alles andere auszugliedern (Trend zum Outsourcing). Aus dem Heraufziehen einer immer globaleren Ökonomie wird gefolgert, daß nur lokale Beschaffung von Materialien und Dienstleistungen unzureichend ist. Statt dessen sucht man in der Welt nach dem Besten in puncto Preis, Technologie, Lieferservice und Qualität.

Welche Faktoren sind nun besonders entscheidungsrelevant und wie sollen künftige Lieferantenbeziehungen strukturiert werden? Es gibt gute Gründe für Global Sourcing, aber auch genügend damit einhergehende Risiken. Professor David F. Pyke vom britischen Dartmouth College formulierte in einer kürzlich erfolgten Veröffentlichung in der Financial Times wesentliche Kriterien, die es Entscheidern ermöglichen sollen, sich auf wichtige Dimensionen ihrer Sourcing-Entscheidung zu konzentrieren. Er beschreibt dazu unterschiedliche Typologien der Zulieferbeziehungen.

Eine wiederkehrende Reihe von Argumenten beherrscht heute die Diskussion um Global Sourcing in weltweit tätigen Unternehmen:

–Günstigere Arbeitskosten,

–besserer Zugang zu Technologien, Innovationen und neuen Ideen,

–Zugang zu lokalen Märkten,

–größere Skalen-Effekte durch Zusammenfassung von Produktionen,

–günstigere Logistik-Kosten durch Zulieferbetriebe vor Ort,

–günstigere örtliche Steuern und Zölle,

–Zwang zur Präsenz in lokalen Märkten,

–Materialversorgung nach lokaler Marktlage,

–bessere Nutzenübertragung von Spotgeschäften,

–geringere Einflußmöglichkeit von Gewerkschaften.

Bei diesen Unternehmen übersteigt der Nutzen des Global Sourcing deutlich die damit einhergehenden Kosten. So hat beispielsweise die Strategie des amerikanischen Flugzeugbauers Boeing, einen großen Teil von Komponenten in China einzukaufen, diesen gigantischen Zukunftsmarkt gleichzeitig für seine Flugzeuge geöffnet.

Dennoch bleiben Risiken im Zusammenhang mit Global Sourcing. Nach Erhebungen von Prof. Pyke resultieren die häufigsten Fehlentscheidungen daraus, daß deren Auswirkungen auf die vier wichtigsten operativen Ziele, nämlich Kosten, Qualität, Lieferzuverlässigkeit und Flexibilität nicht hinreichend geprüft werden.

Wenn beispielsweise ein Oberbekleidungshersteller die meisten seiner Produkte in Asien nur der extrem niedrigen Lohnkosten wegen einkauft, wird er zwangsläufig zum „Markt-Hopper“ dann, wenn die Arbeitskosten mit der Zeit steigen, weil er immer neue Low-Cost-Zuliefermärkte suchen muß. Dies führt andererseits zu Unsicherheit in der Zulieferqualität. Konzentration allein auf die Kosten kann unter Umständen im Desaster münden.

Im Gegensatz dazu wird ein Chemie-Multi bei seinen Sourcing-Entscheidungen die Kosten der gesamten Versorgungskette im Auge behalten. Seine Anforderungen an alle Zulieferer umfaßt Sicherheits- und Umweltstandards ebenso wie Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Technologie und Preis.

Um Unvereinbarkeiten unterschiedlicher operativer Ziele zu vermeiden, müssen diese Ziele nicht nur sorgsam definiert werden, sondern mit richtigen Prioritäten sowie meßbaren Wirkungsindikatoren versehen sein. Bei Global Sourcing-Entscheidungen sind zwar alle vier Ziele zu berücksichtigen, besondere Aufmerksamkeit ist aber denen zu widmen, die gegen den Wettbewerb am meisten erfolgsrelevant sind.

Darüber hinaus sind Risikofaktoren zu berücksichtigen, wie politische Risiken, Währungsrisiken und nicht zuletzt das Unternehmens-Image. Bei alleiniger Fokussierung auf Preis- und Währungsaspekte kann es zu häufiger Umlenkung von Sourcing-Entscheidungen von einem Land zum anderen kommen. Wenn amerikanische Unternehmen seit Jahren ein „Made-in-America-Image“ forcieren, dann paßt der Einkauf in Fernost nicht ins Bild. Andere Unternehmen sind dauernd gezwungen, ihr Qualitätsimage zu verteidigen, weil sie überwiegend in Niedriglohnländern zukaufen. Neben Kostenzielen sind auch Marketingziele auschlaggebend für Sourcing-Entscheidungen.

Trends in den Lieferantenbeziehungen

Unter führenden Unternehmen gibt es bemerkenswert unterschiedliche Ansätze der Zulieferbeziehungen. Einige verfolgen strategische Allianzen und Partnerschaften; bei anderen reduziert sich die Kommunikation auf Computer und Internet-Links.

In den USA kauft General Electric einen steigenden Teil der Komponenten per Internet über sein Trading Process Network (TPN) ein: Teile-Spezifikationen werden elektronisch veröffentlicht und präqualifizierte Zulieferer können sich um die Aufträge bewerben. TPN ist ein Beispiel für einen der beiden Trends zukünftiger Lieferantenbeziehungen.

In der TPN-Prozedur gibt es wenig persönliche Interaktion; die Abwicklungskosten sind extrem niedrig. Während die traditionellen Prozeßkosten einer Papierbestellung bei 50 US$ liegen, reduzieren sich diese mit TPN auf nur noch 5 US$. Bei GE wickelt man derzeit ein Einkaufsvolumen von rund 1 Mrd. US$ mit 1.400 Lieferanten über TPN ab. Das Einsparvolumen läßt sich erahnen. Dieser Ansatz hebt allein auf Preiswettbewerb ab. Der Angebotsprozeß wurde von 21 auf 10 Tage reduziert, und der Anteil von Aufträgen, die ins Ausland vergeben wurden, hat sich deutlich erhöht.

Der andere Trend in der Lieferantenbeziehung geht in Richtung strategischer Allianzen, gekennzeichnet durch größere Tiefe und Breite der Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Ebenen:

–Langfristigere Zulieferbeziehungen; Beispiel: Beim Autohersteller Chrysler haben sich Kontraktlaufzeiten zwischen 1988 und 1994 nahezu verdoppelt.

–Stärker kooperative Zusammenarbeit; Kooperation liegt im gegenseitigen besten Interesse und ist für alle gleichermaßen profitabel.Chrysler hat nach eigenen Angaben allein 1994 insgesamt 504 Mio. US$ durch von Lieferanten beigesteuerte Verbesserungen eingespart.

–Deutliche Reduzierung der Zahl der Lieferanten; in den USA hat allein Xerox seine Lieferantenzahl von rund 5.000 auf nur noch 400 reduziert. Jetzt wird die Energielampe für Kopierer von einem einzigen Zuliefer-Multi eingekauft, der Fertigungen in Europa, Asien und den USA betreibt.

–Ausgedehnte Anwendung von EDI und anderen Kommunikationstechnologien.

–Weitergabe von Rationalisierungsvorteilen seitens der Zulieferer durch planmäßige Preisnachlässe.

–Frühzeitige Einbeziehung von Zulieferern in neue Produktentwicklungen.

Mit möglichst allen Lieferanten gleich strategische Allianzen eingehen zu wollen, wäre nach Prof. Pyke übertrieben. Vielmehr sollte der Stil der Zusammenarbeit zur Charakteristik der einzukaufenden Komponenten ebenso passen wie zu den Marktgegebenheiten. GE’s TPN ist ein Beispiel für das Abgrasen von Märkten. Unternehmen, für die weitergehende Zusammenarbeit und Partnerschaft wichtig sind, orientieren sich eher am verstärkten Bedürfnis nach tieferer und umfassenderer Zusammenarbeit mit Zulieferern.

Der Chemie-Gigant Air Products hat ein mehrstufiges Rating-System für Zulieferer entwickelt. Ein Lieferant, der für eine wichtige Komponente oder Dienstleistung durch ausgezeichnete Leistung als Partner zertifiziert ist, erhält vom Konzern nicht nur langfristige Kontrakte angeboten, sondern darüber hinaus die fallweise Erweiterung der Lieferbeziehung auf andere Zulieferbereiche.

Partnerschaftlich orientierte Auftraggeber pflegen einen umfassenden Informationsaustausch, gemeinsame Produkt- und Prozeßentwicklungen und trachten nach langfristiger Zusammenarbeit, dies natürlich nicht ohne Eigennutz. Unilever hat beispielsweise mit einigen Zulieferern Allianzen gebildet, mit dem alleinigen Ziel, die niedrigsten Prozeßkosten in der Branche zu erreichen. Die Bemühungen zielen auf reduzierte Innovationszyklen und Lagerbestände und Vorausschätzung der Leistungskapazität der Zulieferer.

Struktur der Zusammenarbeit

Vier fundamentale Faktoren treiben Unternehmen zu intensiverer Zusammenarbeit:

1.Strategische Bedeutung der zu beschaffenden Komponenten; hat die Komponente Bedeutung für die Wettbewerbs-Differenzierung oder fließt Unternehmens-Know-how ein, sollte sie besser in eigener Regie gefertigt werden oder in enger Partnerschaft mit dem Zulieferer.

2.Anzahl der verfügbaren Zulieferer für eine Leistung; gibt es nur einen oder wenige mögliche Lieferanten, ist enge Zusammenarbeit angesagt.

3.Interface-Komplexität zwischen Komponente und dem restlichen Endprodukt oder Komplexität der erforderlichen Logistiksysteme; bei Neuentwicklungen unterhalten große Auftraggeber Ingenieurbüros bei Zulieferern und umgekehrt. Bei komplexen Logistiksystemen wird Kommunikation und Datenaustausch partnerschaftlich betrieben.

4.Unsicherheit über gegenseitige Unternehmensziele; schafft eine Lieferbeziehung hohe Unsicherheit über die für den Auftraggeber wichtigen Ziele, sind engere Beziehungen zum Zulieferer ebenfalls ratsam.

GE beispielsweise weiß, wenn man Spezifikationen ins Internet stellt, daß die bekannten Lieferanten diese erfüllen können. Ist man aber unsicher hinsichtlich der Qualität eines bestimmten Teils wegen eines neuen Werkstoffs oder Produktionsverfahrens, wird man die Abwicklung sicher nicht per TPN betreiben.

Beispiel für hohe Unsicherheit war zeitweise der Preis und die Verfügbarkeit von Rohöl. Ein amerikanischer Chemiegigant ging daraufhin wesentlich weiter in Richtung Zulieferintegration durch Übernahme einer Erdölfördergesellschaft, und dies allein, um die Unsicherheit in der Rohstoffversorgung zu reduzieren.

Manchmal können diese vier Faktoren die Struktur einer Lieferantenbeziehung in unterschiedliche Richtungen beeinflussen. Aus diesem Grunde sind die Vorteile und Risiken je Faktor bei jeder Sourcing-Entscheidung erneut sorgsam zu gewichten.

Beispielsweise hat der VW-Konzern in seiner Nutzfahrzeugmontage in Resende/Brasilien ein bis dahin neues System mit sieben wichtigen Teilelieferanten in der Weise eingeführt, daß diese nicht nur fertigen und liefern, sondern die Teile mit eigenem Personal am Band auch montieren. Für den Auftraggeber ging es um reduzierten Verwaltungsaufwand, geringeren Gewerkschaftseinfluß durch gesplittete Workforce sowie verringertes Inventar. Neue Teileentwicklungen werden erleichtert durch die Nähe zwischen Auftraggeber und Zulieferern und das Auftraggeberrisiko reduziert sich im Falle von Marktrückgängen. Dagegen steht mehr Risiko in punkto Qualität, speziell in der Koordination unterschiedlicher Zulieferungen in Bezug auf die Montagesequenzen.

Fazit: Bei der Gewichtung strategischer, operativer, marktrelevanter und finanzieller Faktoren von Sourcing-Entscheidungen muß man sich im klaren darüber sein, daß Unsicherheit und Komplexität mit zunehmend globaler Beschaffung tendenziell eher steigen. Währungsrisiken und längere Versorgungswege tragen ebenso dazu bei. Neue Produktentwicklungen können sich verlangsamen; der Aufbau einer notwendigen Vertrauensbasis dauert in jedem Land, kann grenzübergreifend aber durchaus stressig sein. (ks)

Weiterführende Literatur:

D.F. Pyke: A Note on Operations Strategy, Hanover, NH; The Amos Tuck School of Business Adminstration, 1997.

E.A. Silver, D.F. Pyke, R. Peterson: Inventory Management and Production Planning and Scheduling, New York, 3rd Edition, 1998.

Financial Times: Sonderbeilagen-Serie „Mastering Global Business“, 10 Folgen, 30.1.98 – 3.4.98.

Typologie der Lieferanten-Beziehungen

1.„Markt abgrasen“; Beschaffung nach eigener Reichweite, klare Teile-Spezifikationen, computergestützte Bestellabwicklung, umfassendes Geschäft mit Wettbewerbern.

2.Weiterführende Zusammenarbeit; Auftragsvergabe mit mittlerer Reichweite, teilweiser Informationsaustausch, Teilgeschäfte mit Wettbewerbern,gute Management-Beziehungen.

3.Partnerschaft; langfristige Auftragsvergabe, umfassender Informationsaustausch, höhere Vertrauensbasis, begrenztes Geschäft mit Wettbewerbern.

4.Strategische Allianz; langfristige Zusammenarbeit, voller Informations- und Planungsaustausch, kein Geschäft mit Wettbewerbern, umfassende Vertrauensbasis, Zusammenführung der Unternehmenskulturen.

5.Zuliefer-Integration; Beteiligung am Zulieferer, voller Informations- und Planungsaustausch, gemeinsame Unternehmenskultur.

 

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