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Viele Ideen im Speicher

Die Energiequelle der Zukunft: Akkus
Viele Ideen im Speicher

Die Meldungen überschlagen sich: Die größte Batterienfabrik der Welt entsteht in Erfurt. Ein Züricher Startup stellt Akkutechologie ohne Kobalt vor. Windkraft wird zwischengespeichert. Die Branche steht erkennbar unter Strom. Professor Birke leitet am Institut für Photovoltaik die Arbeitsgruppe „Elektrische Energiespeichersysteme“ und bietet Ein- und Ausblicke.

Beschaffung aktuell: Professor Birke, welche Bedeutung besitzt die Speichertechnologie für die Energiepolitik der Zukunft?

Professor Birke: Eine gute Frage – da streiten sich die Gelehrten. Ich persönlich glaube, dass wir viel Speicherkapazität brauchen werden. Unsere Höchstspannungsnetze sind gut ausgebaut. Die große Herausforderung sind allerdings die Niederspannungsnetze. Wenn in einer Villengegend ein Dutzend Teslas abends am Kabel hängt, dann ist das schon eine große Herausforderung. Das geht dann gar nicht mehr ohne Speichertechnologie. Und der elektrische Antrieb ist gesetzt, der wird kommen.

Beschaffung aktuell: Wie wird diese Speichertechnologie aussehen?

Professor Birke: Ich sehe zwei unterschiedliche Arten von Speichern. Erstens Speicher mit hoher Energiedichte – zum Beispiel für den Einbau in ein Elektrofahrzeug. Zweitens die sogenannten frugalen Zellen. Darunter verstehen wir kostengünstige, umweltverträgliche Speicherelemente mit Schwefel als günstigem Kathodenmaterial. Sie kommen als Zwischenspeicher für nachhaltig erzeugte Energie zum Einsatz – beispielsweise als Zwischenspeicher für die Sonnenkollektoren auf dem Dach. Und sie ersetzen nicht zuletzt das Kobalt in den Batterien, das vor allem im Kongo unter unmenschlichen Bedingungen abgebaut wird.

Beschaffung aktuell: Welche Rolle spielt das Lade-Management?

Professor Birke: Dieser Bereich wird derzeit noch unterschätzt. Aber keine Zelle hält auf Dauer viele Schnellladungen aus. Ganz abgesehen von der gewaltigen Abwärme, die dabei ungenutzt entsteht. Außerdem reichen 70 bis 80 Prozent in den meisten Fällen für alltäglichen Gebrauch aus – auch das schont das System. Nach einem Autoleben können wir die Batterien in Zukunft nochmals nutzen: als dezentralen Zwischenspeicher. Sie besitzen dann zwar nicht mehr die ursprüngliche Kapazität, aber für zehn weitere Jahre im Netz sind sie allemal gut.

Beschaffung aktuell: Sehen Sie die Notwendigkeit eines internationalen Vorgehens für eine globale Energiewende?

Professor Birke: Sagen wir es mal so: andere Länder, andere Entfernungen und anderes Klima. Ich sehe keinen Königsweg, der überall zum Ziel führt. In Deutschland setzen wir vor allem auf nachhaltige Energiequellen wie Sonne und Wind. Aber es kann unter bestimmten Bedingungen auch sinnvoll sein, Brennstoffzellen einzusetzen. Oder synthetischen, CO2-neutralen Treibstoff zu verwenden, den zum Beispiel auch das BMWi fördert.

Beschaffung aktuell: Welche Auswirkungen hat die Energiewende auf KMUs und Industrie?

Professor Birke: Die Zulieferindustrie muss umdenken, zunehmend flexibler handeln. Schon aus zwei Gründen: Die Politik hat mehrere Kehrtwendungen vollzogen, denen die Industrie folgen musste. Und zweitens waren wir mal mit Abstand weltweit führend bei der Entwicklung und Produktion nachhaltiger Technologien. Dieser Vorsprung hat sich zumindest verkleinert. Der koreanische Batteriespezialist LG Chem baut beispielsweise in Polen und Tschechien neue Fabriken zur Speicherherstellung. Und der chinesische Zellenhersteller CATL plant in Erfurt eine der größten Batteriefabriken der Welt.

Beschaffung aktuell: Warum sind die Asiaten momentan so überlegen?

Professor Birke: Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum Beispiel ein gewisser Protektionismus. Dazu kommt ein Ehrencodex, der Aufgeben oder Scheitern als Alternative nicht zulässt. In Deutschland wird ein Projekt eingestellt, wenn die vorgegebenen Ziele nicht in einem bestimmten Zeitraum erreicht werden – wenn ein neuer Manager kommt, noch früher. In Asien ist das undenkbar. LG Chem hat angeblich drei Produktionslinien verschrottet, erst die vierte hat dann zufriedenstellend funktioniert. Bosch dagegen hat nach nur zwei Jahren Forschung entschieden, ganz aus der Batterieproduktion auszusteigen.

Beschaffung aktuell: Woran arbeiten Sie im Moment?

Professor Birke: Wir sind breit aufgestellt und beschränken uns nicht allein auf die Elektrochemie, sondern auf alle Fragen entlang der Wertschöpfungskette. Wir forschen auch in Richtung Kosten, Nachhaltigkeit und Qualitätsverbesserungen. Wir sind Ansprechpartner für viele Fragen rund um die Zellenproduktion.


Michael Grupp, freier Journalist

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