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Von den Western Plains bis zum Atlantik

Der St. Lorenz-Seeweg
Von den Western Plains bis zum Atlantik

Seeleute in der Prairie oder Cowboys auf Schiffsplanken sah man bisher eher in Hollywood-Filmen. Realität ist das heute längst auf kanadisch-amerikanischen Wasserstraßen.

Heinz K. Kruse

Der St. Lorenz-Strom bietet Hochseeschiffen mit einer Länge von maximal 225,5 Metern, einer Ladung von bis zu 25 000 metrischen Tonnen und einem Tiefgang vom 8 Metern eine Fahrtroute vom 3700 Kilometer durch die fünf Großen Seen bis zu den nördlichen Prairien der Vereinigten Staaten.
Auf dieser Strecke verknüpft der Seeweg die kanadischen Ballungskerne Québec, Montreal und Toronto mit den amerikanischen Industrieregionen von Buffalo, Cleveland, Toledo, Detroit, Milwaukee, Chicago sowie Duluth und Minneapolis/St. Paul. Der St. Lorenz-Strom, der durch eine Ausmündung des Ontario-Sees bei Kingston entsteht, stellt den 1800 km langen östlichen Teil des Seeweg-Systems dar.
Die andere Hälfte von 1900 km entsteht durch das Befahren von vier der großen Seen, entweder bis Chicago in Illinois am Michigan-See oder bis Duluth in Minnesota am Superior-See.
Von der Atlantikküste bis zum Superior-See ist die Strecke allerdings mit 19 Schleusen gespickt. Diese Reise dauert in einer Richtung ca. 8,5 Tage – davon entfallen gut 17 Stunden auf die Schleusenpassagen; also nicht unbedingt etwas für zeitkritische Güter oder eilige Geister.
Herzstück und zugleich Nadelöhr dieses Wasserstraßensystems ist der Welland-Kanal zwischen dem Ontario-See im Norden und dem Erie-See im Süden, der in einer Entfernung von 12–24 km östlich parallel dem Niargara-Fluss folgt und dabei die berühmten Niagara-Wasserfälle umgeht. Acht Schleusen überbrücken auf einer Strecke von 43,5 km eine Höhendifferenz von 99,5 m.
Aufgrund der beengten Verkehrsverhältnisse erfolgt die An- und Ausfahrt der Schiffe aus den Schleusenbecken mittels Laser-Navigation. Da der Kanal in einem Gebiet mit höchster Verkehrs- und Besiedlungsdichte liegt, verwundert es nicht, dass der enge Wasserweg von vier großen Zugbrücken, drei gigantischen Hebebrücken, einer zweiflügeligen Klappbrücke sowie einer hohen Stahlbogenbrücke (Queen Elizabeth Expressway) überquert und von drei großen Straßentunnel unterfahren wird.
Im Jahre 2006 wurde der Kanal in der Schifffahrtssaison zwischen Ende März und Weihnachten von 3673 Hochseeschiffen und sogenannten „Lakern“ durchfahren. Laker sind riesige Binnenseefrachter mit vertikal geraden Bordwänden, die vornehmlich Schüttgut zwischen den großen Seen und dem St. Lorenz-Strom transportieren. Die gesamte Kanalpassage kostet je nach Schiffstyp und Register-Tonnage zwischen 5600 und 29000 Dollar. Häufigste Transportgüter sind Getreide, Eisenerz, Kohle, Dünger, Zement, Sand und Kies, Eisen und Stahl, Metallprodukte und Maschinen.
Der Kanal ist aber nicht nur Gebührenquelle, er trägt künftig auch zur Energiegewinnung durch Wasserkraft bei, denn der Wasserdruck aus dem Eriesee ist gewaltig und macht jeweils neben den Schleusen riesige Überlaufwehre notwendig. Während der Niagara-Fluss bereits seit Jahrzehnten zwei Wasserkraftwerke speist, sind am Welland-Kanal derzeit drei weitere Kraftwerke im Bau, von denen zwei im September 2008 in Dienst gehen sollen.
Nadelöhr und Publikumsmagnet
Während der Welland-Kanal in seinen vier Entwicklungsstufen auf eine Geschichte bis 1833 zurückblicken kann – damals war der erste Kanal mit 44 Holzschleusen fertiggestellt – wurde der gesamte Seeweg am 26. Juni 1959 gemeinsam von Königin Elizabeth von England und US-Präsident Eisenhower in Dienst gestellt. In den kommenden fünf Jahren will „Transport Canada“ allein 270 Millionen Dollar in die weitere Modernisierung der Infrastruktur des Seeweges investieren. 2009 steht das 50-jährige Jubiläum mit zahlreichen Festlichkeiten ins Haus. Institutionelle Träger der Wasserstraße sind die kanadische St. Lawrence Seaway Management Corporation SLSMC sowie die amerikanische St. Lawrence Seaway Development Corporation SLSDC. Seit 2007 muss man sich erstmals mit einem Rückgang des durchgeschleusten Frachtvolumens auseinandersetzen. Wenn der große Bruder im Süden schnupft, bekommt auch der kleinere Bruder im Norden Kopfweh. Aufgrund der im vorherigen Jahr rückläufigen Industrieproduktion in den USA gehen auch die Importe von Eisenerz und Stahl zurück. Bei gleichzeitigem Höchststand der Charterraten für Hochseefrachtschiffe scheuen viele Reedereien den langen Weg in die Großen Seen. Rückläufige Frachttonnagen landeinwärts reduziert natürlich gleichermaßen den verfügbaren Frachtraum für den Export von Getreide, Holz und Naturprodukten.
Diese Stagnation scheint sich in diesem Jahr eher noch zu verstärken. Zusätzlich hat der schwächelnde US-Dollar dem kanadischen Dollar einen unvorhergesehenen Gleichstand beschert. Eine konjunkturelle Besserung wird hier allenthalben in der zweiten Jahreshälfte 2009 erwartet. Zweifel an der lebenswichtigen Bedeutung des St.Lorenz-Seeweges bis in die Großen Seen kommt aber weder bei Amerikanern, noch bei Kanadiern auf. Auch die ortsansässige Bevölkerung feiert mit großem Enthusiasmus Ende Juni alljährlich den St.Lorenz-Day.
Schließlich dient die Wasserstraße als umweltfreundlicher Verkehrsweg Bergleuten, Farmern, Stahl- und Fabrikarbeitern sowie Handels- und Logistikunternehmern vom mittleren Westen bis zur Atlantikküste gleichermaßen. Ein „Super Laker“ von 220 Meter Länge transportiert genug Eisenerz, um einen Hochofen fünf Tage in Betrieb zu halten oder genug Kohle, um den Großraum Detroit einen Tag lang mit Energie zu versorgen. Ein Hochseeschiff gleicher Größe fasst genug Getreide, um New York fast einen Monat lang mit Brot zu versorgen.
Zudem ist der Große Seen-St. Lorenz-Seeweg total in die Verkehrsinfrastruktur beiderseits der amerikanisch-kanadischen Grenze eingebunden. Mehr als 40 Provinz- und Interstate-Highways und rund 30 Eisenbahnlinien verbinden die 15 großen und 50 regionalen Häfen an der Wasserstraße mit Produzenten und Konsumenten in ganz Nordamerika.
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