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VW-Einkaufspolitik – eine Schande für den Berufsstand

Meinung
VW-Einkaufspolitik – eine Schande für den Berufsstand

Die Schlagzeilen der letzten Tage lassen nur einen Schluss zu: Volkswagen hat aus seiner Vergangenheit nichts gelernt. Nach Lopez hat auch sein Nachfolger Dr. rer. pol. h. c. Francisco Javier Garcia Sanz (Ehrendoktor des Betriebswirtschaftlichen Instituts der Universität Stuttgart) nicht verstanden, was Win-Win, Partnerschaft und Supplier Collaboration wirklich meint. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Lieferanten kann nur auf gleicher Augenhöhe erfolgen. Davon war und ist Wolfsburg Lichtjahre entfernt.

In den vergangenen Jahren berichteten Dutzende von Zulieferern des Volkswagen-Konzerns über das „arrogante“ und sehr „dominante“ Gebaren der Einkaufskönige aus Wolfsburg. Es galt und gilt ausschließlich das Recht des Stärkeren, in diesem Fall, natürlich Volkswagen. Man braucht sich nur einmal die Einkaufsbedingungen des Konzerns anzusehen und man weiß, was man von Partnerschaft und vom Win-Win-Gedanken zu halten hat. In einem Interview vom 19. August 2016 der Internetseite „Schwäbische.de“ bestätigte dieses Verhalten auch Professor Ferdinand Dudenhöffer, Autoökonom an der Universität Duisburg-Essen:

„… Offenbar steht die Zuliefererfirma Prevent mit dem Rücken an der Wand. Wer einen solchen Lieferstopp macht, ist bei allen Autobauern „verbrannt“. So etwas macht man nur in wirklich allerhöchster Not. Da herrscht offenbar pure Verzweiflung. Anscheinend wurden hier auch Preise und Kosten gedrückt… Hier sind Grundregeln des modernen Einkaufsmanagements nicht beachtet worden … Wer vor Gericht gewinnt und dann vor einem Scherbenhaufen sitzt, hat sicher nicht die Managerkrone verdient. Der VW-Einkaufsvorstand scheint seltsam zu agieren…“
Das Verhalten der Volkswagen-Manager muss man im Zusammenhang sehen. Erst Lopez, dann Diesel-Gate, dann die uneinsichtigen Vorstände hinsichtlich ihrer Rolle in all diesem und die gänzlich fehlende Einsicht, auf Ihre üppigen Bonusbezüge zu verzichten. Jede Lidl- oder Aldi-Kassiererin muss für einen falsch eingetauschten Bon von weniger als einem Euro mit ihrem Arbeitsplatz und gegebenenfalls sogar mit ihrer beruflichen Existenz bezahlen, für Vorstände von Volkswagen gilt dieses natürlich nicht.
Als Lehrbeauftragter zum Thema „Internationaler Einkauf und Supply Chain Management“ unterrichte ich Studenten zu diesem Thema und ein wesentlicher Bestandteil der Lehre ist auch das ethische und moralische Verhalten von Einkäufern. Dies reicht von der Auswahl der Lieferanten bis hin zur Einbindung der Zulieferer in Supply-Chain-Netzwerken. Die Einkaufspolitik des Volkswagen-Konzerns führt dies mit ihrem Managementverhalten ad absurdum. Reine Sprechblasen und bunte PowerPoint-Folien, die nichts mit dem Alltagsleben im Einkauf bei VW zu tun haben. Die Einkaufspolitik des Volkswagen-Konzerns ist eine Schande für alle ehrenhaften Einkäufer und Supply Chain Manager. Die Rechnung bezahlen natürlich wieder die Werksmitarbeiter von Volkswagen: Kurzarbeit, Kürzung von Sozialleistungen, Stellenabbau (zuerst bei den Leiharbeitern) sind die Folgen. Mit dem Diesel-Gate und der falschen Einkaufspolitik ist die Automobilbranche auf dem besten Weg, in die Fußstapfen der Energiewirtschaft (Verlust von Kernkompetenzen, rapider Umsatzverlust und Orientierungslosigkeit über Zukunftsprodukte) oder anderen Kerntechnologien, die Deutschland in den letzten Jahren verloren hat (Computer-, Foto-, Transportindustrie und viele andere), zu treten. Volkswagen wird in absehbarer Zukunft den Weg von Grundig, Neckermann, Telefunken oder Olympia gehen. Was bleibt, ist die Erinnerung an den klangvollen Namen. Neue, innovative und verlässliche Unternehmen werden an die Stelle des heutigen Imperiums Volkswagen treten.
Eine bedauernswerte Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die Politik. Anstatt die Aufsichtsratsvertreter des Landes kritisch zu hinterfragen und die Vorstände in die Verantwortung zu nehmen, reicht es nur zu einer Schadensbegrenzung. Bitte, liebe Lieferanten, liefert, unter welchen Bedingungen und Konditionen ist egal, da können wir nicht mitreden, nur seht zu, dass die Bänder laufen und es zu keinem Stillstand kommt, denn Arbeitsplätze sind in Gefahr. Wie einfach und eindimensional Politik doch ist. Als Verfechter einer ausgewogenen und partnerschaftlichen Einkaufspolitik kann ich nur hoffen, dass das Beispiel Volkswagen und Prevent Schule macht und der gesunde Mittelstand die Machenschaften eines Volkswagen-Konzerns nicht mehr weiter mitmacht. Zum Glück ist der deutsche Mittelstand flexibler aufgestellt als die Dinosaurier der Automobilindustrie. Neue Geschäftsfelder werden gesucht und gefunden und schon bald ist man nicht mehr abhängig von der Gnade des VW-Hausjuristen oder eines Prof. h .c. Francisco Javier Garcia Sanz. Wilfried Krokowski

Dipl.-Ing. Wilfried Krokowski, Lehrbeauftragter Internationaler Einkauf und Supply Chain Management der Fachhochschule Kiel, Fachbereich Wirtschaft, Institut für Supply Chain und Operations Management und Executive Director der Global Procurement Services
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