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Leitungsauswahl: Checkliste hilft, Lebenszykluskosten zu senken

Elektrische Leitungen: Checkliste hilft bei der Beschaffung
Auswahl kann Lebenszykluskosten senken

Leitungswahl kann Lebenszykluskosten signifikant senken Elektrische Leitungen im Maschinen- und Anlagenbau sind meist als Meterware erhältlich, viele sind ähnlich aufgebaut und besitzen elektrisch identische Eigenschaften. In den seltensten Fällen erfüllen jedoch vermeintlich kostengünstige Leitungen die Anforderungen komplexer Maschinen. Das führt zu Ausfallzeiten und hohen Instandsetzungskosten. Diese vermeiden und die Kosten sogar signifikant senken kann die hier beschriebene Checkliste für die Leitungswahl.

Vermeintliche Einsparungen im Einkauf elektrischer Leitungen wie etwa der klassischen Steuerleitung, Datenleitung, Bus- oder Servoleitung verursachen an anderer Stelle Mehrkosten. Diese Einsparungen und ihr Zusammenhang sind jedoch später im Gesamtsystem schwer zu entdecken und offenbaren damit kein Verbesserungspotenzial. Nicht auf Technik basierende Entscheidungen und die Motivation der Maschinenbauer, über Verbesserungen bei Produkten und Prozessen dem Fernost-Wettbewerb Paroli zu bieten – stehen sich entgegen.

Wertige Komponenten als Garant der Produktlebensdauer

Wie kann dieses Dilemma gelöst werden und wie lässt sich die richtige Qualität als Kostenvorteil herausstellen? Welche Fakten sind unabdingbar, um die richtige Entscheidung für ein bestimmtes Bauteil zu treffen und die Produktlebensdauer positiv zu beeinflussen? Die technische Produktlebensdauer ist die Zeitspanne zwischen der Auslieferung einer Anlage und ihrem endgültigen Ausfall. Der kann aber vielfältige Ursachen haben, wie etwa mangelnde Leistungsfähigkeit von Materialien und Komponenten.

Im Umkehrschluss führt die Wahl von jeweils der Anwendung entsprechenden, höherwertigen Bauteilen zu einer Verlängerung der technischen Lebensdauer. Für Investitionsgüter wie etwa Werkzeugmaschinen ist eine längere technische Produktlebensdauer signifikant wichtig, da sie mit erheblichen Ressourcenaufwänden verbunden ist.

Die hohe Produktlebensdauer erreicht der Anlagenbau etwa durch regelmäßige Aufwendungen in F+E und die Produktentwicklung. Mehrwert lässt sich dann generieren, wenn Beschaffung von Qualität und damit Haltbarkeit von Komponenten über die Effizienzsteigerung gestellt werden.

Worst Case: 34 Euro gespart und dafür 148.000 Euro Verlust generiert

Steht eine Effizienzsteigerung zu sehr im Fokus, kann das Konsequenzen haben, wie das Beispiel eines voll automatisierten Langgut-Lagers bei der Kölner Igus GmbH verdeutlicht. Der Motion Plastics-Spezialist hatte jüngst ein Langgutlager bestellt und im Lastenheft für den Lieferanten klar die zu verbauende Leitung (aus dem eigenen Haus) kommuniziert. Nach der Lieferung erfolgte die problemlose Inbetriebnahme, die – wie meist üblich – keinen Abgleich zwischen spezifizierten und tatsächlich verbauten Komponenten vorsah; die „falsche“ Ethernetleitung fiel im Rahmen der Inbetriebnahme durchs Raster. Ein Jahr später kam es während des laufenden Betriebes unerwartet zum Totalausfall des Langgutlagers. Die verbaute Ethernetleitung in der Energiekette war gebrochen. Jetzt erst wurde festgestellt, dass die Leitung nicht der bestellten entsprach.

Finanziell differierte die bestellte Anlage mit einer Ethernetleitung aus eigenem Haus und der tatsächlich gelieferten um nur 34 Euro. Diesen im Kontext des Anlagenpreises fast zu vernachlässigenden Kosten stehen inzwischen 148.000 Euro Mehrkosten gegenüber. Denn Produkte in dieser finanziellen Größenordnung konnten das Lager nicht verlassen. Dieser Fall veranschaulicht, wie effizienzorientiertes Handeln Verbesserungen auf der Produkt- und Prozessebene aktiv verhindert – für den Preis von 34 Euro.

Jede Leitung hat ihren Einsatzzweck – keine Anwendung gleicht der anderen. Eine Vielzahl von Herstellern bietet deshalb unterschiedlichste Leitungen an. So auch Igus. Jedoch verkaufen die Kölner nicht einfach nur Meterware, sondern Sicherheit und damit Produktlebenszeit – über eine Kombination aus elektrischen und mechanischen Eigenschaften, kombiniert mit verschiedenen Verseilarten, Litzen- und Mantelwerkstoffen.

Lebensdauerberechnung: mehr Sicherheit für Einkaufsentscheider

Über die Lebensdauerberechnung können Kunden online sämtliche Variationen durchspielen. Basis für die Lebensdauerberechnung sind valide Daten aus einem Testlabor. Hier werden sogenannte Chainflex-Leitungen – eine hauseigene Marke – speziell für bewegte Anwendungen in Energieketten oder für Roboteranwendungen auf maximale Lebensdauer in realitätsnahen Prüfeinrichtungen gecheckt. Mit den gewonnenen Daten werden Produkte und Lebensdauerrechner weiterentwickelt, damit Kunden ihre Wunschleitung konfigurieren können. Die Daten aller Versuchsreihen, mittlerweile aus mehr als 20 Jahren verfügbar, fließen kontinuierlich in die Entwicklung eines Online-Leitungslebensdauerrechners ein. Alleinstellungsmerkmal für die Igus-Leitungen ist die 36-monatige Garantie oder zehn Millionen Zyklen währende Garantie für Chainflex-Leitungen. Das Ziel: maximale Kostenersparnis über die gesamte Lebensdauer.

Vier Tipps für Entscheider

Damit Einkaufsentscheider die Leitung finden, die ihnen beste Übertragungseigenschaften bei höchster Kostenersparnis bietet, sind Antworten auf folgende Fragen relevant:

  • Welche Beanspruchung ist am Einsatzort zu erwarten?
  • Welche Bewegungsart liegt vor?
    a. Mit welchen Geschwindigkeiten und Beschleunigungen ist zu rechnen?
    b. Wie gestalten sich Verfahrweg oder Torsion?
  • Welchen Temperaturen ist eine Applikation ausgesetzt?
  • Welchen (chemischen) Einflüssen sind Anwendungen und Leitungen ausgesetzt?

Detaillierte Antworten stellen sicher, dass eine Leitung – ob für Bus- und Messsysteme, Motoren, Servo-Antriebe oder Steuerungen – exakt für den spezifischen Einsatzzweck konstruiert/ausgelegt ist. Das sichert ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis über den gesamten Produktlebenszyklus einer Maschine.

Aus der Praxis für die Praxis

Am Beispiel des zuvor beschriebenen, voll automatisierten Langgutlagers soll die Arbeit mit der Checkliste veranschaulicht werden:

Die erste Frage „Welche Beanspruchung ist am Einsatzort zu erwarten?“ können Entscheider über Lasten- und Pflichtenheft und über die Konstruktion klären. Die in das Langgutlager zu integrierende Ethernetleitung wird im dauerbewegten Zustand Daten übermitteln. Die Installation der Leitung erfolgt in Linearführungen und Energieführungsketten. Diese auch Schleppketten genannte Bauteile sind in verschiedenen Modellen und Ausführungen am Markt verfügbar und bei Igus als sogenannte E-Ketten erhältlich. Unabhängig von Marke und Ausführung führen und schützen sie Leitungen aller Art; auch pneumatische und hydraulische.

Zur zweiten Frage: „Welche Bewegungsart liegt vor? Mit welchen Geschwindigkeiten und Beschleunigungen ist zu rechnen? Wie gestalten sich Verfahrweg und Torsion?“ Diese Themen lassen sich größtenteils durch die Spezifikation der Anwendung beantworten. Wie die Energieführungskette ausgelegt werden sollte, wird in der Regel durch die Konstruktion definiert.

Welcher Biegeradius für den Betrieb einer Leitung relevant ist, orientiert sich auch an der genutzten Energieführungskette. Für den Biegeradius gilt: Je kleiner, desto spezieller muss der gesamte Leitungsaufbau hinsichtlich Litzenaufbau, Verseilart und ausgewählten Isolations- und Mantelwerkstoffen sein. Wichtige Anhaltspunkte, wie stark unterschiedliche Leitungen generell gebogen werden können, ohne sie zu beschädigen, finden sich in den sogenannten Branchenstandards wie etwa IEEE 1185, ICEA S-75-381, ICEA S-66-524 oder ICEA S-68-516.

Als Faustformel für den Betrieb in Energieketten gilt, dass der Kettenradius größer als der empfohlene Mindestbiegeradius einer Leitung ist. Dabei wird empfohlen, den vom Hersteller genannten minimalen 0-Radius nicht zu überschreiten.

Auch wichtig für die richtige Entscheidung: Verringert sich die Belastung einer Leitung, verlängert sich automatisch ihre Lebensdauer. Zudem ist der Mindestbiegeradius immer im Kontext zur Umgebungstemperatur zu sehen. Nur wenn die für eine Leitung empfohlene Einsatztemperatur nicht überschritten wird, hält die Leitung den Belastungen stand.

Jede spezifische Energieführungskette braucht „ihre“ Leitung

Hinsichtlich Geschwindigkeit und Beschleunigung ist die Energieführungskette das limitierende Glied. Vereinfacht ausgedrückt braucht jede spezifische Energieführungskette „ihre“ Leitung. Deutlich wird das etwa, wenn Drehbewegungen an einer Maschine vorliegen. Hier sind torsionsbedingte Mehrbelastungen bei der Leitungswahl zu berücksichtigen: Leitungen in Anwendungen mit spiralförmigen Energieketten müssen oft im Laufe ihres Lebens Tausenden Kreisbewegungen standhalten, bei denen sie mehrfach um die eigene Achse rotieren. Um Prozesssicherheit und volle Funktionalität über die gesamte Produktlebenszeit zu erzielen, sollten deshalb alle genannten Aspekte bei der Entscheidung für eine Leitung einfließen.

Die Vielfalt von Leitungen zeigt sich nicht nur in ihren elektrischen Eigenschaften, sondern auch in den unterschiedlichsten Mantelwerkstoffen. Um den richtigen Mantelwerkstoff definieren zu können, sind Frage drei und vier relevant: Welches sind die „vorherrschenden Temperaturen“ einer Anwendung? Unterliegt die Leitung chemischen Einflüssen oder kommt es im Prozess zur Exposition mit Ölen? Nicht jede pharmazeutische Produktionsanlage braucht reinraumtaugliche Leitungen und Mantelwerkstoffe und nicht in jedem verarbeitenden Gewerbe fallen Späne. Die vielfach angenommene Meinung, PVC im Mantel sei nur für niedrig belastete Anwendungen, PUR hingegen das Optimum für jede Energiekette, greift indes zu kurz.

Vielmehr wird ein Check folgender Umgebungsparameter und möglicher Korrelationen empfohlen:

  • mechanische Belastung,
  • Temperatur,
  • eventuell Exposition der Leitung mit chemischen Stoffen,
  • möglicher Kontakt mit Ölen zum Beispiel als Schmierstoff, Hydraulikflüssigkeit, Thermo-Öl oder Wellenberuhigung-Öl,
  • erforderliche Zulassungen, Zertifikate und Normen für Betrieb und/oder Export.

Im beispielhaften Langgutlager ist die mechanische Belastung der Ethernetleitung der neuralgische Punkt.

Mantelwerkstoffe: Eine Wissenschaft für sich

Um beim Mantelwerkstoff die beste Wahl zu treffen, kann eine Orientierung an folgenden Anhaltspunkten hilfreich sein. Leitungen aus PVC sind preiswerter, eignen sich für niedrige bis mittlere Beanspruchungen und beim Betrieb in der Kette für Umgebungstemperaturen von +5 bis +70 °C. PVC deckt heute im Spektrum der Leitungen eine Vielzahl komplexer Anwendungen ab. Igus hat den Werkstoff und seine Eigenschaften weiterentwickelt. Im Niederspannungsbereich ist PVC der Werkstoff mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. PVC ist wegen der besonders abriebfesten Materialmischung optimal für den Einsatz in einer Energiekette geeignet. Auchsind PVC-Mäntel in ölbeständiger sowie nicht ölbeständiger Mischung am Markt erhältlich. Wegen der schweren Entflammbarkeit kommt PVC etwa an Fließ- und Montagebändern zum Einsatz. Leitungen aus PVC sind extrem fest und zeigen auch bei dünnen Wandstärken hervorragende Eigenschaften.

Leitungen mit PUR-Mantel können frei von giftigen Halogenen sein

Der Mantelwerkstoff PUR eignet sich optimal für den Einsatz an Werkzeugmaschinen, denn er zählt zu den kerbzähen Mantelwerkstoffen und bietet eine hohe Ölbeständigkeit. PUR kann, bei Einsatz in einer Kette, in einem Temperaturbereich von -25 bis +80 °C genutzt werden und ist zudem sehr UV-beständig. PUR-Mäntel sind thermoplastisch, halogenfrei und können flammwidrig sein. Hinzu kommen bedingte Kälteflexibilität sowie eine sehr gute chemische Verträglichkeit zu anderen Werkstoffen. Leitungen mit einem PUR-Mantel sind öl- und kühlmittelbeständig und können frei von giftigen Halogenen sein.

TPE-Mäntel werden dort empfohlen, wo die Spezifikation höchste UV-Beständigkeit und höchste Biegefestigkeit vorschreibt und die Leitung Öl- oder Bio-Öl-exponiert ist. Bei TPE ist der Einsatz in einem Temperaturbereich von -35 bis 100 °C möglich, wenn die Leitung in einer Energiekette verbaut ist. Wann immer eine Maschine hochdynamisch agieren muss, bietet sich TPE als thermoplastisches Elastomer an, da es mechanischen Belastungen standhält und gegenüber äußeren Einflüssen, wie etwa Chemikalien oder Temperaturen, sehr widerstandsfähig ist.


Rainer Rössel, Geschäftsbereichsleiter Chainflex
Leitungen, Igus GmbH, Köln


Kontakt:
Igus GmbH
Spicher Str. 1a
51147 Köln
Tel. +49 2203 9649 0
www.igus.de

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