Der preisgekrönte Londoner Journalist Ed Conway, der u. a. als Kolumnist für die renommierte „The Times“ schreibt, hat mit seiner voluminösen Schrift ganze Arbeit geleistet. Er präsentiert unter dem gut gewählten Titel „Material World“ eine fundierte neuartige Abhandlung und Analyse der Menschheitsgeschichte nicht anhand von historischen Gestalten sondern anhand von sechs eigentlich profanen Rohstoffen, die jedoch nach seinen Recherchen eher als magische Rohstoffe angesehen werden sollten. Das Magische ist darin begründet, dass sie nach Conways Meinung den Schlüssel zur Geschichte aber auch zur Zukunft der menschlichen Zivilisation darstellen – eine Tatsache, die bisher übersehen wurde. Die Zusammenhänge hat Ed Conway klar und überzeugend herausgearbeitet. Ihm gebührt die Ehre, die Menschheitsgeschichte aus einem bisher sträflich vernachlässigten Blickwinkel nachvollzogen zu haben.
Bei den magischen Rohstoffen handelt es sich um Sand, Eisen, Salz, Öl, Kupfer und Lithium. Ed Conway zeigt, wie diese sechs Rohstoffe der Menschheit geholfen haben zu überleben und Wohlstand aufzubauen. Sie haben über das Schicksal und das Wohl und Wehe von Imperien entschieden, Zivilisationen hervorgebracht aber auch zerstört. Die Geschichte der Material World ist – so Ed Conway – noch keineswegs zu Ende, denn die derzeitigen geopolitischen Spannungen sind nicht zuletzt auch Ausdruck des Kampfes um die Kontrolle über die Vorkommen der sechs Rohstoffe. Letztere bilden schließlich das Gerüst auch unserer modernen Welt. Immerhin wären sauberes Trinkwasser, Elektrizität, lebenswichtige Impfstoffe und auch eine ökologische Wende ohne sie nicht vorstellbar. Es wird u. a. deutlich, welche Folgen der schier unersättliche Hunger der Menschen nach den genannten Rohstoffen für die Geschichte aber auch die Umwelt hat. Ed Conway wirbt daher auch für eine zirkuläre Wirtschaft.
Die Lektüre des Buches von Siddharth Kara erfordert starke Nerven. Der Autor ist tief in die Niederungen der Kobalt-Supply-Chain eingestiegen und beschreibt ungeschminkt, unter welchen unsäglichen Arbeitsbedingen, die weder Mensch (Stichworte Kinderarbeit, Hungerlöhne, Drangsalierungen) noch Umwelt schützen, Kobalt in der Demokratischen Republik Kongo abgebaut wird. Es ist abstoßend, zu erfahren, wie dieses Land und seine Bevölkerung brutal ausgebeutet wird. Die Verbrechen der Gräueltaten der Kolonialzeit unter dem berüchtigten belgischen König Leopold II setzen sich heute fort. Die Täter sind in der korrupten und auf Selbstbereicherung fixierten politischen Führung des Landes aber auch in den ins Land geholten Ausbeutern aus den Industrieländern und nicht zuletzt aus China zu sehen.
Kobalt ist unverzichtbar für unsere Handys, Laptops, Elektrofahrzeuge etc. Es ist für uns selbstverständlich, dass uns diese Geräte jederzeit zur Verfügung stehen. Wie die ihrer Herstellung zugrunde liegende Supply Chain aufgebaut ist, wird nicht hinterfragt.
Zitat eines der vielen Gesprächspartner des Autors Kara: „Jeden Tag stirbt ein Kind im Kongo, damit andere ihre Handys einschalten können.“ Das Geflecht der Supply Chain ist in der Tiefe völlig undurchsichtig. Auch die wenigen scheinbar sauberen Kobaltminen tricksen und manipulieren. Karas ernüchternder Befund: Menschenrechte spielen am Grund der Supply Chains keine Rolle.
Lesetipps
Zwei unbedingt lesenswerte Bücher, die neue Einblicke vermitteln und sehr nachdenklich
stimmen.