KI wurde zum absoluten Hype-Thema, seitdem am 30. November 2022 das Unternehmen OpenAI einen kostenlosen Chatbot mit dem Namen ChatGPT als Variante von Generative Artificial Intelligence (GenAI) vorstellte. Mit ChatGPT schien die ultimative Wunderwaffe gefunden worden zu sein. Nach nur fünf Tagen benutzten bereits eine Million Menschen den Chatbot; nach drei Monaten waren es bereits 154 Millionen. So entwickelte sich in 2023 ein ungesunder Hype einseitig rund um ChatGPT – weniger um andere Large Language Models. Dieser Hype klingt in 2024 – nicht ganz überraschend – ab, und manche stimmen schon voreilig den KI-Grabgesang an. Doch gemach: Das Jahr 2024 wird entscheidend für die weitere Entwicklung. 2023 war das Jahr des Hypes; 2024 ist das Jahr der Praxisbewährung. Unter Experten gilt als sicher, dass KI bleiben wird.
Vielfältige Einsatzgebiete
Wie eine bei der diesjährigen Hannover-Messe vorgestellte McKinsey-Studie aufzeigt, haben knapp 80 Prozent der großen Unternehmen bereits damit begonnen, GenAI einzusetzen. Allerdings erweist sich die Skalierung dieser Technologie über Pilotprojekte hinausgehend für viele Firmen als eine keineswegs triviale Herausforderung. Bislang hätten nur drei Prozent der Unternehmen mindestens eine Anwendung von GenAI in der industriellen Fertigung in Breite eingesetzt. Fast ein Viertel der Unternehmen habe erste Pilotprojekte auf den Weg gebracht. Dabei fehle es ihnen jedoch an einer klaren Roadmap.
Genau hier setzen Thomas R. Köhler und Julia Finkeissen an mit ihrer sehr informativen, flott geschriebenen Schrift, die als Guide aus der Praxis für die Praxis konzipiert ist. Die beiden Berater skizzieren gut verständlich, welche technischen Möglichkeiten es heute gibt, und wie diese mehrwertschaffend in modernen Organisationen integriert werden können. Sie sprechen in diesem Zusammenhang zu Recht nicht von Industry 5.0 sondern von Business 5.0, und sie gehen daher auch nicht primär auf KI-Anwendungen in der industriellen Produktion ein. Sie arbeiten die vielfältigen Chancen aber auch die Risiken der neuen disruptiven Technologie (u. a. ungeklärte rechtliche und regulatorische Fragen) heraus.
Die Autoren gehen ausführlich auf viele Anwendungsfelder von Künstlicher Intelligenz in der Praxis ein und lassen dabei auch Medizin, Kanzleien und Rechtsabteilungen, Seelsorge und psychologische Betreuung sowie Polizeiarbeit und Strafverfolgung nicht außen vor. Bei der Lektüre dürfte es den Leserinnen und Lesern dämmern, dass sich jeder mit KI proaktiv befassen sollte. Ausführlich skizzieren die Autoren die Risiken der generativen KI. Sie gehen auf die Fragen von KI-Halluzinationen (völlig konstruierte oder falsche Antworten von Chatbots), Copyright-Verletzungen, Fake-Inhalten, Cybersicherheit sowie Abfluss von Unternehmensdaten ein. Auch ethische Fragen und Grundsätze für verantwortungsvolle KI werden diskutiert.
Umsetzbare Empfehlungen
Zur Entwicklung einer KI-Roadmap sollten die Leser/-innen aus der Unternehmenspraxis das Kapitel „Sieben Schritte zum KI-Einsatz im Unternehmen“ am Schluss des Buches gründlich durcharbeiten. Hier erhalten sie konkrete, umsetzbare Handlungsempfehlungen. Es wird deutlich, dass es zunächst darum gehen muss, die neue disruptive Technologie zu nutzen, um alte Dinge besser zu machen. Erst dann gehört auf die Roadmap, die KI zu nutzen, um damit völlig Neues zu schaffen.
Tröstlich ist, dass die Autoren zum guten Schluss darauf hinweisen, dass man sich trotz mancher Unkenrufe nicht zu viele Sorgen darüber machen solle, dass die KI uns Menschen in Sachen Intelligenz in den nächsten Jahrzehnten überholen könnte. Sie bleibt für die Menschen in erster Linie ein potentes Tool, das intelligent genutzt werden muss.