Keine Frage: Der industrielle Einkauf geriet in der Pandemie unter gewaltigen Druck. Dieser hat in Anbetracht der zunehmenden geopolitischen Spannungen nicht nachgelassen. Die lange Schönwetterära und die Zeiten der goldenen Globalisierung sind vorbei. Darauf müssen sich unsere Unternehmen im Einkauf einstellen. Die Autorin, die offenbar viele fußkranke Unternehmen beraten hat, zeichnet vor diesem Hintergrund ein zu negatives Bild des Status Quo des industriellen Einkaufs. Der Einkauf ist spätestens in der Pandemie in das Blickfeld der CEOs und der CFOs getreten. Nicht wenige Unternehmen haben das, was die Autorin an tiefgreifenden Veränderungen fordert, schon umgesetzt. Gleichwohl ist die von ihr skizzierte Roadmap bedenkenswert und ein Stück weit inspirierend.
Das in Anbetracht der Redundanzen und stellenweise zu weit ausholender Ausführungen recht dickleibige Buch ist konsequent aufgebaut. In den ersten drei Kapiteln geht es um die Beschreibung des Status Quo des industriellen Einkaufs und auch darum zu begründen, dass die Unternehmen mit den vermeintlichen Best Practices der Vergangenheit die Zukunft nicht gewinnen können. Aufschlussreich sind die vermittelten Einblicke in die interkulturelle Kommunikation mit Geschäftspartnern aus China, Mexiko, Polen und Rumänien und auch die Überlegungen zu den Konsequenzen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Allerdings ist es eine Binsenweisheit, dass der zum Preisdrücker degradierte Einkäufer ein Auslaufmodell ist. Die Autorin weist zu Recht darauf hin, dass die wichtigen Komponenten der Roadmap hin zum „neuen“ Einkauf in interdisziplinären Teams, (richtiger) Digitalisierung, agilem Arbeiten sowie in der Verbesserung von Fehlerkultur und Kommunikation zu sehen sind.
Hiervon ausgehend werden im Mittelteil des Buches etwas weitschweifig die von der Autorin ausgemachten neuen Erfolgsfaktoren erläutert. Dabei handelt es sich um Digitalisierung, Purpose (Vermittlung der Sinnhaftigkeit), Agilität, Human Touch (respektvoller und auch empathischer Umgang mit Mitarbeitenden und Lieferanten) sowie Homeoffice oder besser gesagt New Work. Die Autorin macht deutlich, dass es ein ganzes Bündel von Stellhebeln für die Neuausrichtung des Einkaufs gibt. Diese müssen intelligent kombiniert werden, damit ein Erfolg versprechender Einkauf 4.0 daraus wird.
Fünf Erfolgsfaktoren
Es ist nicht damit getan, eine neue Software einzuführen. Neben einer Verbesserung der Zahlenbasis für ein Echtzeitmanagement müsse auch auf die „weichen“ Faktoren, d. h. das Mitnehmen der Menschen im Veränderungsprozess geachtet werden.
In den beiden abschließenden Kapiteln geht die Autorin durchaus konsequent noch einmal tiefgehender auf die zentrale Bedeutung der Mitarbeitenden, die den Wandel tragen, ein. Sie skizziert die heute gefragten fachlichen und sozialen Kompetenzen der neuen EinkäuferInnen, die – so ihr Petitum – sich zu Unternehmensgestaltern gerieren sollten. Interessant sind ihre Ausführungen im abschließenden Kapitel über den „Einkauf New Generation“. Hier entwirft sie eine Vision des Einkaufs im Jahre 2050 und zeigt auf, wie die New Generation eingebunden werden sollte.
Sie ist erfreulicherweise optimistisch, dass dies gelingen wird, macht aber deutlich, dass die arbeitsorganisatorischen Rahmenbedingungen jetzt richtig gesetzt werden müssen.
Fazit: Die Lektüre dieses Buches bietet Praktikern Denkanstöße für einen Fitnesstest der gewachsenen Strukturen und Prozesse im Einkauf. Es zeigt die Stellhebel für ein erfolgversprechendes Change Management auf und macht Mut, den Wandel anzugehen.