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XaaS-Geschäftsmodelle: Die richtige Beschaffung digitaler Produkte und Dienstleistungen

Rolle des Einkaufs bei der Entwicklung von XaaS-Geschäftsmodellen
Beschaffung digitaler Produkte und Dienstleistungen

Beschaffung digitaler Produkte und Dienstleistungen
Die Digitalisierung und die entsprechenden Produktangebote erhöhen die Rolle der Beschaffungsorganisationen sowie die Verantwortung für erfolgreiche Geschäftsmodelle. Bild: SFIO CRACHO/stock.adobe.com

Die Beschaffung spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Angebote auf Basis digitaler Produkte und Dienstleistungen. Warum? Organisationen fehlen oft Fähigkeiten, Kapital oder Zeit, um das komplexe System aus Hardware, Software-Plattform, Anwendung, und Service-Operationen zu realisieren, welches zu einem Angebot wie „Machine as a Service“ führt. Der nachfolgende Überblick verdeutlicht, welche wesentlichen Veränderungen und Herausforderungen Beschaffungseinheiten bewältigen müssen und zeigt einige praktische Maßnahmen zur Verbesserung auf.

Die Beschaffung digitaler Produkte und Dienstleistungen bringt vielfältige Veränderungen  mit sich. Es lassen sich vier wesentliche Dimensionen des Wandels identifizieren:

  1. Die Sichtweise auf die beschafften Güter verändert sich. Anstatt einzelne Produkte oder Teile zu betrachten, müssen digitale Produkte und Dienstleistungen als komplexe Systeme mit verschiedenen Funktionen betrachtet werden. Dies führt zu einer erhöhten Komplexität und der Entstehung neuer Warenklassen.
  2. Der Vertragscharakter ändert sich. Statt einmaliger Kostenfaktoren spielen wiederkehrende, leistungsabhängige Rechnungen eine Rolle. Insbesondere bei „X-as-a-Service“-Modellen müssen bestehende Verträge und rechtliche Vereinbarungen angepasst werden, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.
  3. Der Beschaffungsprozess verändert sich. Statt klar definierter Anforderungen erfordern digitale Produkte eine kollaborative, iterative Entwicklung. Die Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Kunden findet frühzeitig im Prozess statt, um gemeinsam das zu beschaffende Produkt zu definieren. Die Koordination und Definition des Zeitpunkts für Vertragsabschlüsse können hierbei herausfordernd sein.
  4. Das Lieferantenmanagement verändert sich. Die Beziehung zwischen Lieferanten und Kunden wandelt sich von einer einfachen Verfolgung der Lieferungen zu einer Partnerschaft, die oft einen Mehrwert für den Endkunden schafft. Vertrauen und enge Beziehungen sind dabei entscheidend. Allerdings gibt es oft Unterschiede zwischen den Lieferanten und Kunden, zum Beispiel in Bezug auf Größe und Typ des Unternehmens, welches ebenfalls Herausforderungen mit sich bringen kann.

Wandel in der Beschaffung

Angesichts dieser Veränderungen und Herausforderungen ist eine Transformation der Beschaffungsorganisationen offensichtlich überfällig. Die Digitalisierung und die entsprechenden Produktangebote erhöhen die Rolle der Beschaffungsorganisationen sowie die Verantwortung für erfolgreiche Geschäftsmodelle. Anders ausgedrückt: Eine vertrauenswürdige Partnerschaft mit einem Lieferanten, der beispielsweise eine kritische Plattform-Middleware für ein neues Service-Angebot bereitstellt, kann den differenzierenden Charakter auf dem Markt beeinträchtigen, wenn das Service-Angebot die Anforderungen nicht erfüllt. Daher muss die Beschaffung eine erhöhte Ende-zu-Ende-Sichtweise von Produkt-/Service-Definition mit potenziellen Partnern, der Beschaffung selbst und der Integration, bis hin zur regulären Betriebsphase (manchmal DevOps genannt) entwickeln.

Darüber hinaus entwickelt sich eine Prozessverantwortung durch die Harmonisierung von wasserfallartigen Beschaffungsprozessen und agilen Produktentwicklungsmodellen. Wenn die Beschaffung später stark in das Management von Partnern (Lieferanten) involviert ist, sollten sie von Anfang an inhärent involviert sein. Schließlich gibt es eine größere Verantwortung für Schnittstellen mit Innovations- und Produktmanagement. Deren Funktionen müssen die rechtlichen Leitlinien und Prozessstandards kennen und sollten von der Beschaffung bezüglich der Lösungen informiert werden, die von der frühen Definition bis zur regulären Nutzung („Source-to-Procure-to-Use“) betroffen sind.

Um die Beschaffung digitaler Produkte zu verbessern, gibt es Maßnahmen, die kurzfristig angewendet werden können:

Dienstdefinition

Zunächst ist es wichtig, die Perspektive des Kunden, der den digital unterstützten Service kauft, einzunehmen. Hierbei geht es nicht nur darum, eine Ware zu beschaffen, sondern einen Service zu liefern, der aus beschafften Teilen besteht.

Bei der Strukturierung der Anforderungen ist es ratsam, diese von oben nach unten aus der Kundensicht auf einfache Weise zu gestalten. Es ist ebenfalls empfehlenswert, die Anforderungen an bestehende Produkt- und Beschaffungsstrategien auszurichten, anstatt bei jedem neuen Beschaffungsprozess die Strategien anzupassen.

Lösungsdesign

Beim Lösungsdesign sollte zunächst eine ganzheitliche Systemansicht definiert werden. Es ist nicht notwendig, direkt mit einer detaillierten Systemarchitektur mit vielen Kriterien und Parametern zu starten. Stattdessen sollte der Fokus auf Standard-Schnittstellen (Hardware und Software) mit hoher Modularität liegen. Abweichende Ansätze sind in der Regel kostenintensiv, zeitaufwändig und erhöhen die Komplexität, während betriebliche Einheiten nur eine begrenzte Anzahl davon realisieren können.

Integration

Eine transparente Zusammenarbeit bei der Integration ist entscheidend. Die „Industrialisierung“ sollte in gemeinsamen Umgebungen wie Testumgebungen und Plattformen stattfinden, um unnötige Verzögerungen in der Time-to-Market zu vermeiden. Es ist ratsam, laufende Beschaffungsprozesse abzuschließen, bevor eine neue Technologieebene derselben Ware beschafft wird. Ein solches Ereignis deutet entweder auf einen nicht-modularen Systemansatz, eine generell zu langsame Beschaffung oder einfach mangelnde Strategie hin.

Partnerschaften oder temporäre Geschäftsallianzen

Bei der Zusammenarbeit mit Partnern sollte ein Betriebsmodell einschließlich Service Level Agreements (SLAs) gemeinsam definiert werden. Eine unkoordinierte und einseitige Vorauswahl eines Modells kann dazu führen, dass sich der Lieferant suboptimal bis opportunistisch in der Partnerschaft verhält, da ein geringes Maß an gegenseitigem Vertrauen in der Partnerschaft wahrgenommen wird. Es ist wichtig, den strategischen und kommerziellen Wert für zukünftige Partner zu respektieren und zu schätzen. Eine erfolgreiche Partnerschaft stellt im klassischen Sinne kein Nullsummenspiel dar, sondern ist durch die individuellen Beiträge der Partner für alle Beteiligten mit Mehrwert verbunden. Unterstützende Dokumente wie ein ‚Memorandum of Understanding‘ (MoU) sollten frühzeitig ab der Vorbeschaffungsphase verwendet werden, um die Partnerschaft zu stärken, ohne sie mit Formalismus zu ersticken.

Zusammenfassend ist es wichtig, die neue Bedeutung der Beschaffung für digitale Produkte und Dienstleistungen zu verstehen. Es gibt hierbei grundlegende Veränderungen und Herausforderungen, die mit der digitalen Transformation einhergehen. Den Fokus sollte man auch in komplexen Situationen nicht verlieren, sondern einem kontinuierlichen Weg zur Verbesserung folgen.

Die Autoren:

Tiemo von Hinckeldey, Partner bei mm1 – a valantic company
Bild: Valantic

Tiemo von Hinckeldey
Partner bei mm1 – a valantic company

 

 

 

Marc Lamhofer, Manager bei mm1 – a valantic company
Bild: Valantic

Marc Lamhofer
Manager bei mm1 – a valantic company

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