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Category Management neu denken mit KI

Der Einkauf als Informationszentrum
Category Management neu denken mit KI

Category Management neu denken mit KI
Der Einkauf entwickelt sich über das Category Management hinaus zum primären Anbieter von Geschäftseinblicken und -vorausschau. Bild: vectorfusionart/stock.adobe.com
Der moderne Einkauf muss sich in alle wertschöpfenden Bereiche des Unternehmens einbringen. Das erfordert effektives Stakeholder-Management und die Weitsicht, strategische Szenarien zu entwerfen und umzusetzen. Die Digitalisierung des Category Management erweist sich dabei als wichtiger Beschleuniger.

Volker Haßmann, Fachjournalist

Keine Frage: Das Umfeld für den Einkauf wird immer komplexer. Einkäufer sehen sich mit einer Flut von Daten konfrontiert, sowohl aus dem eigenen Unternehmen als auch aus externen Quellen. Sie müssen ständig über Entwicklungen, Innovationen, Regulierungen und ESG-Themen informiert sein, um erfolgreich zu agieren.

So wie sich die Anforderungen verändern, ändert sich auch das Rollenprofil des Einkaufs, von einer taktischen Funktion zur Kostensenkung zu einem strategischen Dreh- und Angelpunkt im Unternehmen. Heißt: Der moderne Einkaufsleiter muss die Wertschöpfungskette von den Rohstoffen bis zum Kunden und zu 360°-Rücknahmekonzepten im Auge haben, Stichworte Umweltauflagen, Recycling, Sustainability.

Das Ende des traditionellen Category Management

Die klassische Aufgabe des Beschaffungswesens war eine reine Unterstützungsfunktion, die taktische und operative Aufgaben erledigte. Auch Detlef Schultz kennt die Situation. Er war lange Jahre CEO der Vodafone Procurement Company und ist heute Mitgründer des ProcureTech-Startups akirolabs, das eine KI-gestützte SaaS-Plattform für den strategischen Einkauf entwickelt hat. Als er zu Beginn der 1990er Jahre im Einkauf in der Telekommunikationsbranche begann, war die Welt noch überschaubar. „Die meisten Lieferantenbeziehungen waren einfach – Angebot und Nachfrage waren die Marktkräfte, Größe und Umfang die bevorzugten Verhandlungsinstrumente. Die erzielten Einsparungen zählten“, sagt Schultz. „Die heutigen Lieferantenbeziehungen erstrecken sich hingegen über verschiedene Komplexitätsstufen und berühren immer mehr Teile der Wertschöpfungskette.“

Mit dem Wechsel zum Category Management begann die Beschaffung, strategisch zu denken und einen Mehrwert zu schaffen, der über Einsparungen hinausging. Der Schwerpunkt verlagerte sich auf die Zusammenarbeit mit den wichtigsten Interessengruppen, die Erstellung von Situationsanalysen und Übersichten sowie die Entwicklung unternehmensweiter Warengruppen-Strategien. Der Schlüssel ist die seit vier Jahrzehnten geltende Kraljic-Matrix-Methode zur Klassifizierung des Einkaufsportfolios. Danach werden die Einkäufe eines Unternehmens auf der Grundlage der Komplexität des Liefermarktes (Monopolsituationen, Eintrittsbarrieren, technologische Innovationen) und der Bedeutung der Warenklasse für den Gesamtumsatz des Unternehmens segmentiert.

Category Management braucht neue Werkzeuge

Das Dilemma: Diese Segmentierung bestimmt zwar die Warengruppenstrategie, entkoppelt aber – unbeabsichtigt – den Einkauf von den unterschiedlichen Zielen der verschiedenen Geschäftsbereiche. „Die Matrix ist sicher ein wertvolles Werkzeug, um die Einkaufswelt zu segmentieren“, sagt Detlef Schultz, der das Category Management im Vodafone-Einkauf eingeführt hatte. „Aber wenn ich alles nur mit diesem engen Machtspiel-Ansatz anschaue nach dem Motto: wo sind Engpässe, mit welchen Lieferanten muss ich eng zusammenarbeiten – und das alles nur unter Kostengesichtspunkten –, dann verpasse ich den Anschluss an die veränderte Welt. Der heutige Anforderungskatalog wie etwa geopolitische Risiken, ESG oder Innovationen wird in der 2 x 2 Matrix nicht abgebildet.“ Heißt: Category Management ist nicht Geschichte, aber es braucht neue Werkzeuge. Die alten muss man nicht unbedingt wegwerfen, sondern sie einarbeiten in die neue Einkaufswelt.

Laut Schultz muss der Category Manager weniger der Fachmann einer bestimmten Materialgruppe sein, sondern unternehmerisch agieren und sich in die Bedarfswelt seiner Partner im Unternehmen hineindenken. „Er muss sich einbringen in alle wertschöpfenden Bereiche des Unternehmens. Das fängt bei der Innovation an und geht über Produktion, Marketing, Sales bis zu den Logistikketten zum und vom Kunden. Und er muss auch die Balance finden mit der Lieferantenwelt, zum Beispiel wenn er Innovationen des Lieferanten exklusiv für sein Unternehmen gewinnen und damit einen Wettbewerbsvorteil haben kann.“

Die Beschaffung sollte ein gefragter Geschäftspartner sein, der Geschäftseinblicke und -vorausblicke liefert. Ein neuer Ansatz für das Category Management, der die Abwägung und den Ausgleich verschiedener Zieldimensionen wie Gesamtkosten, Nachhaltigkeit, Belastbarkeit und Innovation im Rahmen der Szenarioplanung und -optimierung ermöglicht. „Alle reden von Verhandlungen, aber das ist nur das Sahnehäubchen“, erklärt Schultz. „Der Wert wird idealerweise in der Pre-Sourcing-Phase geschaffen. Wenn wir eine gute Strategie haben, schaffen wir den Wert, bevor wir auf den Markt gehen. Der Rest ist nur ein Verfahren.“ Sind die Interessengruppen – Geschäftseinheiten, Business Partner, Lieferanten – nicht oder unzulänglich aufeinander abgestimmt, wird die Ausführung verlangsamt und der angestrebte Wert kann beeinträchtigt werden. „Wenn Sie also den Prozess vorher straffen und alle Beteiligten mit ins Boot holen, geht die Umsetzung viel schneller“, ergänzt der Experte für strategischen Einkauf.

KI und menschliche Schwarmintelligenz verschmelzen

Und hier kommen Digitalisierung und künstliche Intelligenz ins Spiel. Alle Beteiligten brauchen Zugang zu internen und externen Daten sowie zu Nachfragedaten, die über verschiedene Quellen und Tools gesammelt und analysiert werden müssen. Genau da setzt die Lösung an, die Detlef Schultz mit seinem Team bei akirolabs entwickelt hat: „Es geht darum, den Pre-Sourcing-Prozess zu digitalisieren, indem wir ihn auf eine einzige Plattform bringen. Es gibt also keine MS-Teams-Nachrichten, E-Mails, Excel-Tabellen usw. mehr, denn alles läuft über die Plattform, auf die alle Beteiligten in allen Phasen des Prozesses vor der Veröffentlichung der Ausschreibung Zugriff haben.“ Heißt: Alle Beteiligten auf die Plattform bringen, so dass sämtliche Daten strukturiert sind.

Über die zentrale Beschaffungsplattform und ein kollaboratives Strategie-Cockpit werden Informationen von allen Stakeholdern, in jedem Gebiet, von der lokalen Beschaffung und aus den Märkten gesammelt. So wird ein Wissensspeicher für alle geschafft, der einen einfachen Zugang zu relevanten Informationen und Daten ermöglicht. „Dabei verschmilzt künstliche Intelligenz mit kollaborativer menschlicher Intelligenz“, erläutert Schultz. Komponenten sind ein KI-gestützter Marktintelligenz-Crawler, der Daten aus unterschiedlichen Quellen sammelt, sowie ein auf Geschäfts- und Bereichsziele abgestimmtes Entscheidungsplanung-Tool. Um die anfallenden riesigen Daten- und Textmengen aufzubereiten, kommen beschaffungsspezifische Sprachmodelle zum Einsatz, die natürliche Sprache verstehen, verarbeiten und generieren. Ein unternehmenseigenes ChatGPT sozusagen. Mehrschichtige Deep-Learning-Verfahren fungieren übergreifend als digitaler Klebstoff entlang des gesamten Prozesses.

Der Einkauf als Informationszentrum

So entwickelt sich die Beschaffung, die an der Schnittstelle zwischen internen und externen Informationen sitzt, von einem reinen Geschäftspartner, der sich auf das klassische Category Management konzentriert, weiter zu einer Art Informationszentrum. Sie nutzt ihre einzigartige Position im Ökosystem als Spinne in einem komplexen Netz und setzt die gesamte Palette der Digitalisierung, Datenanalyse, Robotik und Automatisierung ein, um zum Erfolg des gesamten Unternehmens beizutragen. Der Einkauf entwickelt sich über das Category Management hinaus zum primären Anbieter von Geschäftseinblicken und -vorausschau. Detlef Schultz hat dafür einpassendes Bild parat: „Der Einkaufsleiter wird zum Dirigenten der komplexer gewordenen Wertschöpfungskette. Stakeholder-Management ist das A und O.“ Die KI-gestützte Digitalisierung des Category Management ist dabei entscheidender Beschleuniger.

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