Vom Verwalter zum „entdeckenden Entwickler“ – so wertet Christian Karnau, 40, seinen Wechsel zur Internetstores GmbH, bzw. Signa Sports United (SSU), im Oktober 2022. Nach insgesamt 15 Jahren bei Hugo Boss, wo er zuletzt erfolgreich die Abteilung Buying & Planning verantwortete, im wesentlichen „also die Verwaltung der überwiegend zyklischen Bestelldisposition“, ging es nun in seiner neuen Position als Head of Indirect Procurement darum, „für alle SSU-Tochtergesellschaften den indirekten Einkauf aufzubauen, zu digitalisieren, Synergieeffekte zu generieren und dadurch das Unternehmen agiler und profitabler zu machen. Das ist schon sehr anspruchsvoll und reizvoll.“
Die an der New Yorker Börse NYSE notierte Signa Sports United wickelt ihr Business mit über 1000 Sportmarken über rund 100 eigene Online-Shops und etwa 500 unabhängige Ladengeschäfte ab.
Diversität als Herausforderung
Die Aufgabenstellung für „den next Level im Indirect Procurement“ (Karnau) war denn auch herausfordernd. Es galt, die bis dahin absolut diverse Beschaffungssituation
- für drei unterschiedliche Gesellschaften an drei verschiedenen Standorten,
- mit drei unterschiedlichen ERP Systemen,
- mit drei unterschiedlichen oder nicht existenten OCR-Systemen,
- mit größtenteils unterschiedlichen Lieferanten,
- unterschiedlichen Bedarfen, und
- ohne Ausschreibungsmanagement
zu harmonisieren und zu standardisieren. Dazu sollte noch ein Expenses Management aufgebaut werden.
Homogene Beschaffung im indirekten Einkauf
Zielsetzung dieser angestrebten digitalisierten homogenen Beschaffungslösung, die bis September 2023 komplett implementiert werden soll, ist folgende: „Durch Steigerung der Transparenz im Spend Management zu wirksamen Einsparungen zu kommen und auf Veränderungen im Geschäftsumfeld reagieren zu können.“
Herzstück der Lösung ist die Software von Coupa, die nach einer Ausschreibung unter allen maßgeblichen Software-Dienstleistern und einer Bewertungsmatrix den besten Mix aus Kosten, Qualität der Lösung, sowie Service und Usability bot. Karnau: „Ein besonderer Vorteil war, dass kein zusätzlicher Programmieraufwand nötig war. Die Module waren sofort nutzbar und individuell konfigurierbar.“
Um den „Paradigmenwechsel in dem sehr sportlichen Zeitrahmen“ zu schaffen, wie der Head of Indirect Procurement die Transformation beschreibt, ging es nach der Entscheidung für die Coupa-Software darum, einen Transformations- und Implementierungspartner zu finden.
Das Ergebnis der neuerlichen Ausschreibung unter den von Coupa zertifizierten Unternehmensberatungen: Die Entscheidung fiel auf die Hackett Group mit Dr. Amaury-Alexandre Schaller als Projektverantwortlichem – wieder aufgrund einer Bewertungsmatrix, die Kosten (Tagessätze), Qualifikation sowie die Machbarkeit des Implementierungskonzepts korrelierte.
Zuckerl sorgt für Akzeptanz
Das schnell gebildete agile Core-Team umfasst auf Seiten der SSU neben Christian Karnau auch zwei Mitarbeiter aus dem Finance Bereich (Co-Lead), bei Hackett neben Amaury Schaller zwei Kollegen, bei Coupa einen Mitarbeiter. Dazu werden immer wieder Experten oder Projektteams aus den Fachbereichen geholt, bei den Expenses drei Personen, bis zu zehn beim Modul Accounting.
Zur Schilderung dieses Kern-Teams und der jeweiligen Aufgaben greift Christian Karnau zu einer Fußballmetapher: „Die Spielstrategie kam von uns als SSU inhouse, die Taktik lieferte Hackett, das Spielgerät, also der Ball, kam von Coupa.“ Die Gesamtlösung wurde in vier Module zerlegt:
- Sourcing (Ausschreibung, Auswahl der Lieferanten)
- Procurement (operativer Einkauf)
- Invoice-Modul (alle Rechnungsprozesse)
- Expensemodul (Reise- und Gestehungskosten).
Als erstes Modul wurde das Expense-Modul konfiguriert und implementiert. „Das war der Schlüssel zum Erfolg“, erinnert sich Karnau. Die simple, schnelle Lösung mit automatischer Kalkulation sorgt dafür, dass die Auszahlung der Spesen schnell auf die Mitarbeiterkonten erfolgt. Dieses „Zuckerl“ mit sehr hoher Akzeptanz unter den Mitarbeitenden trägt dazu bei, dass auch das Procurement-Modul bereitwillig genutzt wird, mit dem die Mitarbeitenden befähigt werden, selbst in einem Guided-Buying-Ansatz einzukaufen: Eine Assistenzfunktion ermöglicht den Anwendern einen effizienten und komfortablen Einkauf. Sie müssen dazu keine Anleitungen lesen und befolgen, sondern halten automatisch die im Unternehmen gültigen Beschaffungsrichtlinien ein.
Zeitplan der digitalen Transformation eingehalten
Gemäß seinem Anspruch, alle Warengruppen im digitalen indirekten Procurement abzudecken, listet Christian Karnau auf, was die rund 1000 Nutzerinnen und Nutzer in den drei SSU-Gesellschaften über das System einkaufen und beschaffen können. Bis Ende September 2023, also nach weniger als einem Jahr seit seinem Eintritt bei SSU, kann das Sysstem mit den relevanten Modulen Sourcing, Procurement, Invoice und Expenses implementiert sein: Der gesamte Bereich Facility-Management mit Gebäudemanagement und Reinigungsdiensten, die gesamte Logistik (als Beispiel: Intralogistik, Verpackungen), den kompletten Print (Flyer, Preislabels etc. bis zu Visitenkarten), alle Elemente im IT-Bereich (Hard- Software, Peripherie), Professional Services (Beraterleistungen, Personaldienstleistungen), Marketingelemente, das gesamte Büromaterial, bis schließlich hin zu Food and Beverages.
Dass der Zeitplan der anspruchsvollen digitalen Transformationsstufen eingehalten wurde, abgesehen von einigen üblichen Projektverzögerungen – etwa die unterschiedlichen ERP-Systeme der SSU-Gesellschaften, die dann durch neue Schnittstellen harmonisiert werden mussten –, ist „vor allem der optimalen Kommunikation zwischen uns und Hackett zu verdanken“, lobt Karnau die Zusammenarbeit. „Amaury Schaller hat unsere vorgegebene Strategie optimal taktisch und praxisbezogen umgesetzt. Gemeinsam ist es uns gelungen, einen guten Mix aus Theorie und Praxis zu schaffen.“
Schaller sekundiert: „Unsere gemeinsame Begeisterung für eine optimale Lösung trotz aller Diversität – räumlicher, systemtechnischer und bedarfsorientierter Natur – war sicher die wichtigste Voraussetzung dafür, dass das in dem vorgegebenen Zeitfenster so gut geklappt hat.“
Wie geht es weiter?
„Die Einkaufsstrategie und auch das System sind leicht skalierbar – weitere Tochtergesellschaften lassen sich demnach ebenfalls anbinden“, so schildert Karnau weitere mögliche Entwicklungen, die er bereits heute in einer 5-Jahresstrategie gedanklich fortschreibt.
Derzeit arbeiten die Kolleginnen und Kollegen im Bereich Finance von SSU bereits an der Budgetierung für das kommende Geschäftsjahr, da sind solche möglichen Skalierungen schon berücksichtigt und in den strategischen Überlegungen. Und dafür, da ist sich Christian Karnau sicher, „sind wir so aufgestellt, dass wir immer in der Lage sind, das auszuweiten und agil anzupassen.“
Autor: O. Tager