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Professioneller Einkauf bei Autoscout24

Procurement Excellence bei AutoScout24
Digitaler Einkauf mit Vollgas

Digitaler Einkauf mit Vollgas
AutoScout24, eines der bekanntesten Digitalunternehmen aus Deutschland, hat seinen Einkauf umorganisiert. Bild: Livinskiy/stock.adobe.com
Spricht man über die Digitalisierung im Einkauf, gilt der Fokus meist der Optimierung und Automatisierung von Prozessen. Doch was und wie kaufen eigentlich Digitalunternehmen ein? Welche Rolle hier die Einkaufsexzellenz spielt, was andere Unternehmen dabei lernen können und konkrete Tipps, zeigen Professor Florian Kleemann und Einkaufsleiter Don Stenden.

AutoScout24 ist eines der bekanntesten Digitalunternehmen aus Deutschland. Seit 2020 ist Hellman & Friedman, ein Finanzinvestor, Gesellschafter der AutoScout24-Gruppe. Zur Gruppe gehört nicht nur die Automobil-Handelsplattform, sondern zahlreiche weitere automobilbezogene Web-Portale und Services wie Leasingmarkt, in sechs europäischen Kernmärkten. Der zentrale Einkauf ist dabei für die gruppenweiten externen Bedarfe verantwortlich. Zudem gibt es im Private-Equity-Umfeld klare Erwartungen an die Profitabilität, wozu die Beschaffung mit ihren Einsparhebeln natürlich beitragen soll.

Allerdings waren die Voraussetzungen hierfür zunächst alles andere als günstig: In einem digitalen, stark Markt- und Marketing-orientierten Umfeld mit zudem oft sprunghaften Wachstumsraten spielt ein professioneller Einkauf kaum eine Rolle. Die Übernahme zahlreiche weiterer, kleinerer Web-Unternehmen, die für sich oft größenbedingt gar keinen Bedarf an einer eigenen Beschaffungsorganisation gesehen hatten, erschwerte schnelle Synergien zusätzlich. Die Bedarfsträger erfüllten ihre Bedarfe (vor allem Web-Marketing-Services, IT-Dienstleistungen, externes Personal und Facility Management) selbst. Eine zentrale Einkaufsorganisation mit entsprechender System-Infrastruktur existierte schlicht nach dem Carve-Out aus der Scout-Gruppe nicht. „Wir wussten [aber], dass im Einkauf Potenziale vorhanden waren“, so AutoScout24-Chief Commercial Officer, Dr. Felix Frank.

Roadmap Autoscout24 Einkauf
Bild: Dr. Florian C. Kleemann

Im Zuge der Übernahme stellte der Investor sicher, dass die Gruppe eine neue Einkaufsleitung erhielt, die erst einmal „grüne Wiese“ oder besser „Brachland“ vorfand. Immerhin war ein solides, wenn auch kaum genutztes IT-System für die Beschaffung vorhanden. Auch die dynamische Digitalbranche bietet hierbei Chancen: flache Hierarchien, schnelle Entscheidungswege, unternehmerische Freiheiten und keine althergebrachten Interessensgeflechte. Oder anders: „Sofern eine Entscheidung aus wirtschaftlicher Sicht Sinn ergibt, sind auch Investitionen relativ schnell möglich“, sagt Chief Financial Officer Biliana Alabatchka.

Der erste Schritt in diese Richtung war eine Bestandsaufnahme zu Beschaffungsvolumen, Lieferantenstruktur, Prozessen und eine Abschätzung der entsprechenden Potenziale. Im Anschluss daran wurde ein Wertversprechen für den Einkauf entwickelt, um die internen Stakeholder – unter anderem die Unternehmensleitung, die bisher so autonom agierenden Bedarfsträger sowie die lokalen Einkaufsansprechpartner der europaweiten Niederlassungen anzusprechen. Zudem wurde eine Roadmap aufgesetzt, in der wesentliche Meilensteine der Etablierung eines konsolidierten Einkaufs dargestellt wurden. Zentraler Erfolgsfaktor vor der eigentlichen Umsetzung war, die internen Stakeholder mitzunehmen, warum jeder einzelne Schritt auf dieser Entwicklungsreise notwendig bzw. sinnvoll sei.

Erster „Stopp“ war der Aufbau des Einkaufspersonals mit einer Sollstärke von vier bis fünf Mitarbeitern, um das immerhin im dreistelligen Millionenbereich liegende Beschaffungsvolumen überhaupt bewältigen zu können. Als Argumentationsbasis für die weiteren Investitionen in die Einkaufsorganisation, sollte die zunehmende Leistung gemessen, transparenter gemacht und aktiv kommuniziert werden. Diese Positionierung sowie die permanente und konsequente Pflege von Stakeholder-Beziehungen werden als Schlüsselerfolgsfaktoren für die nachfolgende, erfolgreiche Einkaufstransformation gesehen.

Ein weiteres wichtiges Element war der schnelle internationale Roll-out der bestehenden Einkaufslösungen auf alle Tochtergesellschaften, um Sichtbarkeit von Ausgaben und von Anfang an eine hohe Prozesstreue zu erzielen. Zudem sollte so möglichst früh die Grundlage geschaffen werden, die nach und nach neu eingestellten Einkäufer gar nicht erst im operativen „Grundrauschen“ zu überlasten, sondern ihnen die Chance zu geben, sich schnell und nachhaltig auf wertschöpfende Tätigkeiten zu fokussieren. Diese konsequente Ausrichtung behält AutoScout24 bis heute bei: trotz der überschaubaren Teamgröße sind 30 Prozent der Kapazität explizit für Digitalisierungsthemen reserviert.

Die Rolle des Einkaufs bei AS24
Bild: Dr. Florian C. Kleemann

So konnte, innerhalb von nur rund zwei Jahren, nicht nur die Basis eines professionellen Einkaufs aufgebaut, sondern bereits „best in class“-Ansätze verfolgt werden: Lieferantenmanagement, digitale Ausschreibungen und eine fundierte, eigene Methodologie für sämtliche Einkaufsprozesse. Eine gezielte Hochschulkooperation sorgte zudem für strukturierte, dokumentierte Strategien sämtlicher relevanter Warengruppen.

Dynamische Beschaffungsarbeit

Mithilfe eines projektbasierten externen Impulses durch eine Beratung generierte das Einkaufsteam zudem weitere neue Ideen für Verbesserungsmaßnahmen. Ambition war, aus dem bisher vor allem pragmatischen „70/30“-Ansatz noch weitere Wertbeitragspotenziale zu realisieren. Überraschende, aber fundamentale Erkenntnis: Die bisherige Arbeit war gut, aber kaum auf die eigentlichen AutoScout24-Ziele (z. B. Wachstum, Kundenorientierung) abgestimmt. Auch die interne Positionierung war nicht hinreichend präzisiert. Zwar war klar, dass der Einkauf in einem Digitalunternehmen nicht die gleiche strategische Funktion hat wie in etablierten Industriezweigen. Aber für Bedarfsträger ein klares Unterstützungsangebot bei Beschaffungsmarkt- und Prozessexpertise zu formulieren, schärfte das Profil noch einmal: „Mir gefällt der proaktive Ansatz, den Einkauf als internen Berater für externe Bedarfe zu platzieren“, so Biliana Alabatchka.

Biliana Alabatchka ist seit November 2020 Chief Financial Officer
Biliana Alabatchka ist seit November 2020 Chief Financial Officer von AutoScout24 und verantwortet die Finanzorganisation, einschließlich FP&A, Accounting und Treasury sowie Procurement, Legal und Facility Management.
Bild: AS24

Dass der Einkauf für das eigentliche Kerngeschäft eine eher unterstützende Funktion wahrnimmt, nimmt das Team gern an und bringt sich durch innovative, dynamische Beschaffungsarbeit proaktiv bestmöglich ein. Initiativen wie die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten, der Nutzung von Potenzialen der „künstlichen Intelligenz“ (KI), zum Beispiel für automatisierte Verhandlungen von Kleinbedarfen oder ein noch strukturierteres Beziehungsmanagement zu internen und externen Stakeholdern stellen nur eine Auswahl der nächsten Meilensteine für die „Einkaufsexzellenz“ bei AutoScout24 dar.

Säulen der Einkaufsstrategie
Bild: Dr. Florian C. Kleemann

Als Komponenten des Erfolgs wird neben der bereits erwähnten Positionierung sowie dem Stakeholder-Management vor allem die dynamische Team-, Führungs- und Unternehmenskultur gesehen. Auch die permanente Fokussierung auf Digitalisierung und die gezielte Bereitstellung von entsprechenden Team-Ressourcen sind unverzichtbar: Nur so entstehen die Freiräume, um sich gezielt und nachhaltig mit der Weiterentwicklung der Einkaufsorganisation zu beschäftigen, die den europaweiten Wachstumskurs von AutoScout24 dezidiert unterstützt.


Die Autoren: 

Prof. Dr. Florian C. Kleemann

lehrt an der HS München Supply Chain Management, berät zudem Unternehmen im Rahmen strategischer Beschaffungsfragen und bei der Transformation ihrer Einkaufsorganisationen. Bild: HS München


 

Don Stenden

Leiter Einkauf & Facility Management,
AutoScout24, übernahm nach Stationen in der Chemie-Industrie 2020 die Gesamt-Einkaufsleitung der Plattform. Bild: AS24

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