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Verpackungsverordnung: Einheitlicher europäischer Rechtsrahmen

Verpackungsverordnung: Einheitlicher europäischer Rechtsrahmen
EU-Vorstoß gegen Verpackungsmüll

EU-Vorstoß gegen Verpackungsmüll
Bild: arnaudmartinez - stock.adobe.com
Die neue Verpackungsverordnung der Europäischen Union steht kurz vor der Verabschiedung. Sie setzt auf weniger Verpackung, mehr Recycling und eine konsequente Kreislaufwirtschaft. Das hat Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette.

Die deutsche und europäische Verpackungswirtschaft steht vor einer großen Veränderung, und mit ihr der Handel, die Logistik, die Beschaffung. Denn ab 2030 gilt eine Mehrwegquote von 100 Prozent für alle Verpackungen. Das verlangt die neue Verpackungsverordnung der Europäischen Union (EU). Es ist damit zu rechnen, dass die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) im ersten Halbjahr 2025 in Kraft tritt. 18 Monate später, etwa Mitte 2026, wird sie dann in allen Mitgliedstaaten anwendbar sein.

Die Verordnung wird die Art und Weise, wie wir in der EU Verpackungen herstellen, verwenden und entsorgen, verändern und sich auf viele Bereiche der Wertschöpfungskette auswirken. Es wird europaweit einheitliche Anforderungen an die Nachhaltigkeit und Kennzeichnung von Verpackungen geben und die Vorgaben für die Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen werden sich verschärfen.

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Lena Sellschopf, Projektleiterin beim Deutschen Verpackungsinstitut (dvi).
Bild: dvi

„Die PPWR setzt neue Standards und bringt eine Reihe von neuen Anforderungen, die von der zwingenden Recyclingfähigkeit über ein festgeschriebenes, maximales Leerraumvolumen bis hin zu Anforderungen bei der Kennzeichnung eingesetzter Packstoffe oder der Mindestumlaufzahl von Mehrwegverpackungen reicht“, erläutert Lena Sellschopf, Projektleiterin beim Deutschen Verpackungsinstitut (dvi). Das Material, das Design und die Funktionalitäten von Verpackungen werden sich an diese Anforderungen anpassen müssen. Die Beschaffungsseite wird sich mit geänderten Bedarfen, neuartigen Produkten und dem Erschließen geeigneter Lieferquellen zu beschäftigen haben.

Im Visier: Transportverpackungen

Transportverpackungen etwa haben ab 2030 zu 35 Prozent aus recyceltem Material (dem sogenannten Post-Consumer-Recyclingmaterial, kurz PCR) zu bestehen, ab 2040 zu 65 Prozent. „Für den Rohstoffmarkt wird diese Bestimmung zu einer Herausforderung werden“, sagt Peter Kerth, Produktmanager bei Bito-Lagertechnik, die sich unter anderem auf die Herstellung von Behältern aus Kunststoff spezialisiert haben. „Aktuell würde die benötigte Menge an PCR für alle Verpackungshersteller europaweit gar nicht zur Verfügung stehen“. Turbulenzen und Preissteigerungen seien vorprogrammiert, wenn die Nachfrage in der Zukunft das Angebot übersteige, fürchtet Kerth.

Der Leerraumanteil bei Transportverpackungen soll nach der geplanten PPWR nicht mehr als 50 Prozent betragen, wobei Füllmaterial wie Luftpolsterfolie oder Kunststoffchips als Leerraum gilt. Ausnahme: Verkaufs- oder Mehrwegverpackungen, die für den E-Commerce verwendet werden, unterliegen nicht dem maximalen Leerraumvolumen. Sie müssen allerdings trotzdem „auf das zur Gewährleistung ihrer Funktionsfähigkeit erforderliche Mindestmaß reduziert“ sein, wie die PPWR vorschreibt.

Ein noch ungelöstes Problem stellen Palettenumhüllungen aus Folie und Umreifungsbänder dar. Auch sie wären nach neuem Recht für eine mehrfache Nutzung vorgesehen, andernfalls schlichtweg verboten – mit katastrophalen Folgen für die Ladungssicherung. Ob es sich um einen Fehler im Gesetzgebungsverfahren handelt, der noch berichtigt wird, ist derzeit unklar.

Viele Ausnahmen

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Peter Kerth, Produktmanager bei Bito-Lagertechnik.
Bild: Bito

Kein Fehler, sondern wohl Ergebnis zäher Verhandlungen, ist die Ausnahmeregelung für faserbasierte Verpackungen aus Papier, Pappe oder Karton. Sie fallen nicht unter die 100-Prozent-Mehrwegquote, „obwohl Papier und Kartonagen den Großteil der Verpackungsabfälle ausmachen“, wie Bito-Experte Kerth sagt. „Dadurch ist das Gesetz fast zu einer Antikunststoffverordnung geworden.“ Zum Hintergrund: 40 Prozent aller in der EU verwendeten Kunststoffe und 50 Prozent des Papiers werden derzeit für Verpackungen genutzt.

Aufgrund der vielen Ausnahmen, Sonderregelungen und Schlupflöcher, die die neue Verordnung aufweist, muss jedes Unternehmen individuell prüfen, für welchen Anwendungsbereich Verpackungen benötigt werden und daraus, idealerweise zusammen mit den Herstellern und Lieferanten, die jeweiligen rechtlichen Anforderungen ableiten.

Auswirkungen auf Einkauf und Beschaffung

Beim Beschaffungsvorgang ist zu berücksichtigen, dass ein hoher Recyclinganteil Auswirkungen auf Farben, Qualitäten und Toleranzen haben kann. „Die Gefahr von Transportschäden kann sich dadurch erhöhen, insbesondere bei hohen Stapellasten“, gibt Produktmanager Kerth zu bedenken. Die Materialzusammensetzung ist zukünftig eine Information, die Hersteller von Verpackungslösungen für alle ihre Produkte zur Verfügung stellen müssen, zum Beispiel durch einen entsprechenden Aufdruck. Vom Lieferanten sind entsprechende Unterlagen zu verlangen, die die PPWR-Konformität bestätigen.

Stärkung des EU-Binnenmarkts

Der gesamte Anpassungsprozess dürfte für Einkauf und Logistik anspruchsvoll sein. „Es ist zu erwarten, dass in der Beschaffung und im Management der Lieferketten die größten Anpassungen erforderlich sein werden, um den neuen Standards gerecht zu werden“, sagt Simon C. Brück, Leiter Umwelt, Klima- und Energiepolitik beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV). „Die Umstellung auf neue Verpackungslösungen ist oft mit hohen Kosten und einem beträchtlichen Zeitaufwand verbunden – schwierig besonders für kleine und mittlere Unternehmen.“

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Simon C. Brück, Leiter Umwelt-, Klima- und Energiepolitik beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV).
Bild: DSLV

Wie mühevoll die Veränderungen auch sein mögen – einheitliche Regelungen für den gesamten europäischen Binnenmarkt werden überwiegend begrüßt. Sie sind Voraussetzung für einen fairen Wettbewerb mit gleichen Bedingungen für alle Akteure in den Mitgliedstaaten. Und sie kommen Unternehmen entgegen, die über Ländergrenzen hinweg EU-weit tätig sind.

„Wenn eine Verpackung in unterschiedlichen nationalen Märkten unterschiedliche Regularien erfüllen muss, entstehen Hürden und Nachteile für den Einsatz, das Geschäft und nicht zuletzt für das Recycling von Verpackungen“, sagt Expertin Sellschopf. Sie wertet die PPWR deshalb unter dem Gesichtspunkt von Planungssicherheit und gleichen Wettbewerbsbedingungen als „ein Schritt in die richtige Richtung“, auch wenn zahlreiche Sonderregelungen in nationalen Märkten weiterhin bestehen blieben.

Aktuell gilt noch die alte EU-Verpackungsrichtlinie, die als bloße Richtlinie von jedem Mitgliedsstaat mit einem gewissen Gestaltungsspielraum umgesetzt werden kann. Mit dem Wechsel zum Typus „Verordnung“, den die Kommission mit der PPWR vollziehen will, erlangen die Regeln unmittelbare Geltung in den Ländern und bedürfen nicht mehr der Umsetzung in nationales Recht. Vielmehr müssen die länderspezifischen Regelungen an die neuen Richtlinienvorgaben angepasst und beides harmonisiert sein. Simon C. Brück vom DSLV betont: „Als Verband sind wir an der Einführung klarer und einheitlicher Ausführungsbestimmungen interessiert, die in allen EU-Mitgliedstaaten gleich angewendet werden.“

Von der Richtlinie zur Verordnung

Die EU zieht mit der Verpackungsverordnung die Zügel spürbar an und unterstreicht ihren unbedingten Durchsetzungswillen in Sachen Müllvermeidung und Recycling. Sie muss dazu jedoch selbst noch einiges an Detailregelungen beisteuern. Mehrere delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte stehen nach dem finalen Beschluss über die Verordnung an, mit wichtigen Details und Vorgaben. Zum Beispiel wie viel Kreisläufe eine Verpackung überhaupt überstehen muss, um sich als „Mehrwegverpackung“ bezeichnen zu dürfen.


Die Autorin:

Anja Falkenstein,

Rechtsanwältin, Karlsruhe

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