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Gemeinsamer Blick auf Vertrieb, Einkauf und Controlling

Einkauf in der Fußballbundesliga, SV Werder Bremen
Gemeinsamer Blick auf Vertrieb, Einkauf und Controlling

Gemeinsamer Blick auf Vertrieb, Einkauf und Controlling
Niclas Huse ist beim SV Werder Bremen verantwortlich für den Zentraleinkauf. Bild: Sabine Ursel
Der SV Werder hat umstrukturiert. Der Einkauf war die erste Abteilung, die neu aufgestellt wurde. Auch personell gab es Änderungen. Sebastian Janzen ist nach neun Jahren Werder nach Elmshorn als Leiter Zentraleinkauf zu „Das Futterhaus“ gewechselt. Niclas Huse, steht nun vor der Aufgabe, den Bereich beim Erstligisten weiterzuentwickeln. Keine leichte Aufgabe. Unsere Kollegin, große SV-Anhängerin, Sabine Ursel hat mit dem 40-jährigen Bremer gesprochen.

Sie sind 13 Jahre bei Werder und haben neun Jahre mit Sebastian Janzen im Einkauf zusammengearbeitet. Jetzt sind Sie erstmals in der Verantwortung. Neu ist die Berichtslinie Einkauf zu Finanzen. Eigentlich logisch, oder? Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Niclas Huse: Ja, das ist eine logische Weiterentwicklung. Bis Mitte 2022 war der Einkauf in der Abteilung Allgemeine Verwaltung angesiedelt. Jetzt berichte ich an Daniel Bruss, den Direktor Finanzen. Er kommt aus dem Werder-Controlling. Der Weg ist viel kürzer als früher. Die neue Konstellation schafft ein besseres Verständnis, was Einkauf insgesamt leisten kann bzw. noch darüber hinaus könnte. Wir haben nun einen gemeinsamen Blick auf Vertrieb, Einkauf, Controlling und sehen so viel klarer die Potenziale. Mein Ziel ist, dass der Einkauf mittelfristig 100 Prozent der wesentlichen Bestellungen systemgestützt im Überblick hat und somit auch steuern kann. Und erst, wenn wir sämtliche Liefer- und Dienstleistungsverträge, etwa Wartung, auch über den Einkauf laufen lassen, haben wir die nötige Transparenz. Mit einem Ampelsystem sollte das gut klappen.

Gilt das auch fürs Bartern? Das ist ja im Sportbusiness eine ganz besondere Schublade.

Huse: Das ist ein gutes Beispiel. Ich strebe einen einkäuferischen Überblick über alle Partnerschaften an, dazu gehört selbstredend auch das Bartern. Wenn der Einkauf nicht nur im Vorfeld von Barter-Geschäften mit am Tisch sitzt, sondern die tatsächlich am Markt zu realisierenden Preise als Information für die Kollegen einbringen kann, dann haben wir durch dieses neue Wissen eine noch bessere Ausgangslage bei Verhandlungen.

Für wie effektiv halten Sie den Einkauf beim SV Werder derzeit personell?

Huse: Gute Frage. Meine Aufgaben sind nach dem Weggang von Sebastian Janzen – sagen wir es so – ziemlich herausfordernd und umfangreich. Wir waren ja vorher zwei erfahrene Einkäufer in einem bewährten Team. Aktuell werde ich durch eine Teilzeitkraft, insbesondere in administrativen Arbeiten unterstützt. Natürlich sollte die personelle Ausgestaltung perspektivisch zu den gemeinsamen Zielen des Bereichs Einkauf passen.

Viele Bundesligisten lassen in Asien, speziell Pakistan, und in der Türkei produzieren. Dort sind Lieferanten schwer zu kontrollieren. Wie gehen Sie bei Werder das Thema Nachhaltigkeit an?

Huse: Alle unsere Lieferanten bekommen unseren Code of Conduct, den sie unterschreiben müssen. Außerdem muss jeder Lieferant, darunter auch Ausrüster, zum Thema Produktsicherheit entsprechende Zertifikate vorlegen, zum Beispiel Ökotex, GOTS, Grüner Knopf, GRS, Reach. Das gilt auch für Arbeitsbedingungen mit Standards wie Fairtrade und SA 8000. Ergänzend zum Teil auch Testberichte. Wir arbeiten hier mit einem Testinstitut in Hamburg zusammen. Für jedes Produkt und jeden Lieferanten haben wir die entsprechenden Nachweise abgelegt. Alle unsere Textilien sind – bis auf die Artikel von unserem Ausrüster – zu 90 Prozent nachhaltig, etwa aus Biobaumwolle und recyceltem Polyester, darunter viele mit Siegel wie GOTS, Grüner Knopf und Fairtrade.

Ab der Saison 2023/24 werden verpflichtende Mindeststandards für Nachhaltigkeitskriterien in die Lizenzierung einfließen.

Ja, es geht um die Teilbereiche Klubführung und -organisation, Umwelt und Ressourcen und Anspruchsgruppen. Verpflichtend wird beispielsweise der Nachweis einer Nachhaltigkeitsstrategie und einer Umweltstrategie. Dazu gehören jährliche Messungen des Wasserverbrauchs, der Abwasserproduktion und des Energieverbrauchs sowie eine Mobilitäts- und Verkehrsanalyse. Auch das Thema Lieferketten wird hier immer kritisch überprüft. Ziel ist auch, ein Netzwerk aus externen Partnern verschiedener Bereiche der Nachhaltigkeit zu etablieren.

Was steht hinter dem Projekt „Vom Feld in den Fanshop“?

Huse: Der SV Werder engagiert sich in der Initiative „Vom Feld in den Fanshop“. Das ist eine Allianz von neun Fußballklubs der 1. und 2. Bundesliga für faire Bio-Baumwolle bei der Produktion ihrer Fan-Artikel. Dabei sind auch Union Berlin, Arminia Bielefeld, Borussia Dortmund, Eintracht Frankfurt, St. Pauli, der Hamburger SV, der VfB Stuttgart und der VfL Wolfsburg. Die Initiative wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gemeinsam mit dem Textilunternehmen BRANDS Fashion ins Leben gerufen. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt die Umsetzung. 450 Kleinbäuerinnen und Kleinbauern einer Baumwollkooperative in Indien werden in den kommenden drei Jahren bei der Umstellung auf den Anbau von Bio-Baumwolle unterstützt. Die Vereine beziehen darüber hinaus die Baumwolle zukünftig aus dem Projekt und verarbeiten diese für ihre Merchandise-Artikel. Ziel ist, dass in diesem Sommer erste Artikel in den Fanshops erhältlich sind.

Rund zwei Tonnen Baumwolle je Hektar sollen die kleinbäuerlichen Betriebe künftig für die Merchandise-Artikel der Vereine produzieren. Die Betriebe profitieren langfristig von höheren Einkommen und die Umwelt wird geschützt. Gleichzeitig bietet das Projekt Kindern und Jugendlichen in den angrenzenden Gemeinden des Baumwollanbaus Bildungsperspektiven durch Sporttrainings an. Besonders Mädchen und junge Frauen sollen hiervon profitieren. Ziel ist es, das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen von rund 1.000 Kindern und Jugendlichen durch Sportangebote zu stärken und ihre schulischen Leistungen zu verbessern. Sie werden für Umwelt- und Ressourcenschutz sensibilisiert. Es werden Sporttrainerinnen und -trainer aus den Gemeinden ausgebildet, die als Botschafterinnen und Botschafter die Sportprogramme durchführen. Sie sind wichtige Ansprechpersonen für die Kinder und Jugendlichen auf und neben dem Platz.

Stichwort „Power für Werder“ …

Huse: Unsere Photovoltaik-Anlage besteht aus 200.000 Solarzellen und ist größer als zwei Fußballfelder. Sie erzeugt bis zu 1 Mio. Kilowattstunden Strom pro Jahr. Somit können aus der Stromproduktion rund 300 Haushalte mit Strom versorgt werden. Dies entspricht einer Ersparnis von rund 400 Tonnen CO2 pro Jahr gegenüber herkömmlicher Stromproduktion. Ergänzt wird die Anlage durch die Heizzentrale Süd/West, die mit Hilfe einer hochmodernen Mikrogasturbine nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung gleichzeitig Strom und Wärme produziert.

Mehr Power generiert der Einkauf durch den Einsatz sinnhafter E-Tools. Wie weit sind Sie mittlerweile bei diesem Thema?

Huse: Artikel und Dienstleistungen werden über unser Warenwirtschaftssystem e-Philos CM Procure abgebildet. Darüber werden derzeit rund 2.000 Bestellungen ausgelöst – von Bauleistungen bis Büroartikel. Das ist katalogbasierte Beschaffung. Ausnahme sind Honorare von Spielerberatern und Positionen, die sich aus einigen Verträgen ergeben. Aber nicht alle Leistungen von Dienstleistern, mit denen wir ein Jahresbudget verhandelt und einen Vertrag haben, laufen über das System. Zum Beispiel bilden wir nicht jeden einzelnen Unterhaltsreinigungstag ab. Aber die Rechnungen dafür integrieren wir hoffentlich demnächst in der Version e-Philos 4.5. Insgesamt erhalten wir ca. 12.000 Rechnungen pro Jahr.

Derzeit sind wir bestrebt, durch die Verknüpfung verschiedener EDV-Systeme Synergien zu erzielen. Hier sehen wir das Potenzial, durch vergleichsweise geringen personellen und finanziellen Aufwand eine deutliche administrative Entlastung, insbesondere von Mitarbeitenden mit Kostellenverantwortung, erzielen zu können.

Ich habe für die Beschaffung aktuell mehrfach exklusiv über den Einkaufsleiterkreis der 1. und 2. Fußball-Bundesliga berichtet. Nehmen Sie jetzt die Rolle von Sebastian Janzen ein, der diese Runde 2014 Jahren ins Leben gerufen hat?

Huse: Ja, ich habe mich schon mit einigen Klub-Einkäufern ausgetauscht. Diese Runde kommt zweimal im Jahr zusammen, wie Sie wissen, Sie haben ja auch schon teilgenommen. Wir haben unterschiedliche Klubstrukturen, aber die gleichen Anforderungen und Problembereiche. Der Austausch ist sehr wichtig und bringt jedem immer wieder neue Erkenntnisse und Impulse. Gerade im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit werden die kommenden Monate und Jahre spannend. Keiner von uns will Papiertiger sein und lediglich Greenwashing betreiben. Wir wollen unsere große Verantwortung bewusst wahrnehmen. Wir alle arbeiten daran, dass die Geschäftsleitung noch stärker Fokus auf den Einkauf legt. Und wir sind natürlich offen für Kolleginnen und Kollegen aus anderen Klubs. Es gibt eine Reihe von Vereinen, die Einkauf noch nicht klar definiert haben oder meinen, ihn quasi nebenbei erledigen zu können. Da ist also noch besonders viel Luft nach oben.

Das Interview führte für Beschaffung aktuell Sabine Ursel, Journalistin, Wiesbaden.

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