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Gewährleistung und Garantie in der Beschaffung

Mängelabsicherung im Beschaffungsprozess
Gewährleistung im Beschaffungsprozess

Eigentlich ganz einfach: Der Vertragsgegenstand muss bei der Übergabe mängelfrei sein, ansonsten greift die gesetzliche Gewährleistung und/oder eine vereinbarte Garantie. Was aber, wenn der Kunde schon vorab vom Mangel wusste? Oder ihn erst nach Jahren feststellt?

Die gesetzlich verankerte Mängelhaftung wird häufig mit einer Garantie verwechselt. Der Gesetzgeber trennt die beiden Begriffe seit der BGH-Reform 2002 nicht mehr und spricht nur noch von Garantie. Im Gesetz selbst geht es aber eigentlich um die Mängelhaftung. Ob ein Mangel vorliegt, wird im einfachsten Fall durch den abgeschlossenen Vertrag definiert. Wurde nichts Konkretes vereinbart, wird im Streitfall die Kaufsache mit marktüblichen Standards verglichen. Ist dies nicht möglich, wird die Zweckmäßigkeit des Vertragsgegenstandes beurteilt. Die Erwartungen des Käufers müssen dabei ebenfalls den Marktstandards entsprechen.

Ein Mangel liegt auch vor, wenn die gekaufte Sache beispielsweise von Werbeaussagen abweicht (siehe Dieselskandal), die Bedienungsanleitung fehlt oder fehlerhaft ist, die Montage mangelhaft ausgeführt wurde oder schlichtweg zu wenig oder zu spät geliefert wurde.

Die Garantie wird zum USP

Über diese reine Mängelhaftung hinaus kann der Verkäufer im Rahmen einer freiwilligen Garantie die Funktionsfähigkeit über einen bestimmten Zeitraum zusagen. Mit einer solchen erweiterten Garantie unterstreicht der Lieferant die Qualität seiner Waren und Dienstleistungen und verschafft sich damit ein überzeugendes Verkaufsargument. Das ist unter anderem im Anlagenbau sowie im Automobilsektor bedeutsam. Kia beispielsweise bietet im Pkw-Bereich als Marktprimus eine 7-Jahre-Garantie, Nissan Nutzfahrzeuge kommen immerhin noch auf fünf Jahre. Deutsche Nutzfahrzeug-Hersteller ziehen sich dagegen überwiegend auf eine 2-jährige Gewährleistungspflicht zurück. Immerhin hat Volkswagen Mitte 2020 die eigenen Garantiefristen freiwillig um drei Monate verlängert, um die Corona-bedingten Werkstatt-Engpässe auszugleichen.

Die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche richten sich immer gegen den Verkäufer, die Garantieansprüche gegen Garantiegeber – das können je nach Vereinbarung neben dem Verkäufer auch der Hersteller oder ein Dritter sein; beispielsweise ein Versicherungsunternehmen. Eine individuell vereinbarte Garantie kann laut § 443 BGB die gesetzlichen Mindestvorgaben nicht einschränken. Sie ist damit immer ein zusätzliches Leistungsversprechen.

Die Dauer bei Kauf, Werk und Diensten

§ 438 BGB regelt die Verjährung und damit die Dauer der Mängelansprüche eines Käufers. Die betragen vereinfacht gesagt 30 Jahre in Fragen des Grundbuchrechtes, fünf Jahre für Immobilien und zwei Jahre in allen anderen Fällen. Dabei gibt es allerdings zwei Ausnahmen: Erstens, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat – also von ihm wusste und nichts gesagt hat. Dann haftet er mindestens drei Jahre. Und zweitens, wenn der Käufer vorab schon vom Mangel wusste. In diesem Fall erlöschen alle seine Gewährleistungsrechte.

Handelt es sich beim Kauf nicht um Sachen, sondern um bestimmte Dienstleistungen (wie beispielsweise ein Wartungsauftrag oder die Errichtung eines Gebäudes), kommen Werkverträge ins Spiel. Für sie gelten gemäß § 651 BGB im Großen und Ganzen die gleichen Rechte und Pflichten wie bei Kaufverträgen – maßgeblich auch die Regeldauer von zwei Jahren.

Etwas anders sieht es bei Dienstverträgen aus. Nach § 611 BGB verpflichtet ein Dienstvertrag den Vertragspartner lediglich „zur Leistung der versprochenen Dienste“. Dazu zählt beispielsweise die Verpflichtung von Unternehmensberatern oder Rechtsanwälten. Da es bei solchen Verträgen kein vorab definierbares Endergebnis gibt, aus dem sich Pflichten ableiten lassen, sieht das Gesetzbuch dafür auch keine Gewährleistung vor. Lediglich wenn die Dienstleistung nicht, verspätet oder sehr mangelhaft erbracht wird, greifen die Gewährleistungsrechte des allgemeinen Schuldrechts. Auf gut Deutsch: Solange ein Dienstleister einigermaßen pünktlich auf der Matte steht, müssen Sie ihn vereinbarungsgemäß bezahlen – egal ob Profi oder Pfeife.

Stellt der Käufer innerhalb der Gewährleistungspflicht einen Mangel fest, sollte er ihn sofort dokumentieren und muss ihn unverzüglich rügen. Die notwendige Form und Frist einer Mängelrüge haben wir innerhalb dieser Serie bereits untersucht (in BA 09/2020). Greift die Gewährleistung, muss der Garantiegeber alle zugesagten Leistungen erfüllen – oder aber zumindest der Verkäufer alle gesetzlichen Vorgaben. Der Käufer kann dabei wählen, ob sein Vertragspartner eine neue, mängelfreie Sache liefern muss oder ob er die mangelhafte Sache nachbessern darf. Diese Wahl darf der Verkäufer nur ausschlagen, wenn sie ihm jeweils nicht zumutbar ist. Ist sie in der Tat unzumutbar, ist der Verkäufer wiederum nur zur wirtschaftlichsten Form der Nacherfüllung verpflichtet. In jedem Fall muss der Verkäufer gemäß § 439 BGB alle „erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten“ tragen. Er muss die fehlerhafte Lieferung also auf eigene Kosten abholen und/oder gegebenenfalls Fremdfirmen beauftragen und bezahlen. Auf der anderen Seite hat der Verkäufer gemäß der „Hierarchie der Gewährleistungsansprüche“ seinerseits das Recht auf Neulieferung oder Nachbesserung; der Verkäufer darf wegen eines Mangels nicht ohne Weiteres vom Vertrag zurücktreten.


Serie

Das Recht in der Beschaffung

Unsere Serie beantwortet juristische Fragen rund um den Einkauf. Sie schafft ein generelles Verständnis für den aktuellen Stand der Rechtsprechung, kann und soll aber nicht die anwaltliche Beratung im Einzelfall ersetzen.


Der Autor

Michael Grupp, freier Journalist, Stuttgart

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