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Wie Einkäufer bei Materialengpässen vorsorgen können

Einblicke eines Brokers
Mit diesen Strategien können Einkäufer vorsorgen

Mit diesen Strategien können Einkäufer vorsorgen
Als Noureddine Seddiki im Frühjahr 2021 mit seiner Brokerfirma Sand & Silicon an den Start ging, rissen sich weltweit Unternehmen um die knappen Halbleiter. Mittlerweile verdient er auch an vollen Lagern und hilft Betrieben, Überbestände zu verkaufen. Bild: Raimundas/stockadobe.com
Noch immer sehen sich Unternehmen mit Materialengpässen konfrontiert. Eine zusätzliche Herausforderung ist der Abbau von Überbeständen. Um hier eine smarte Strategie für sein Unternehmen zu definieren, lohnt es sich, einen Blick auf die Prognosen zu werfen – welche Teile besonders gefragt sind und wo sich die Lage zunehmend entspannen wird.

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass sich die Liefersituation in nur kurzer Zeit ändern kann. Das erschwert die Planung und führt im Worst-Case-Szenario dazu, dass die Bänder stillstehen. Von Einkäufern und Supply Chain Managern war höchste Einsatzbereitschaft und Kreativität gefragt.

Aktuell scheinen sich die globalen Lieferketten zu erholen. Im Gegenzug zeichnen sich aber auch Teile und Baugruppen ab, bei denen die Liefersituation nicht sicher ist und weitere, bei denen sich die Lage wieder zuspitzen wird. Zudem ist die Abhängigkeit Europas von Asien immer noch ein Brennpunkt, der sich mittel-, wenn sogar langfristig nicht lösen lässt.

Learnings für das Management

Während 2020 fast jedes Unternehmen unvorbereitet in die Krise geschlittert war und mit den Auswirkungen zu kämpfen hatte, sah man ab dem zweiten Quartal 2022 ein deutlich besseres Management auf Seiten der Unternehmen. Auch der Markt veränderte sich deutlich. Bisher wurden die Teile direkt beim Hersteller oder bei Franchise-Distributoren bestellt. Als viele davon in der Krise nicht mehr lieferfähig waren oder nur mit extrem langen Lieferzeiten, mussten die Beschaffungsabteilungen über den freien Markt einkaufen. Kurz gesagt: Bei Brokern. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Darum waren diejenigen gut beraten, die sich im Vorfeld über den offenen Markt bzw. ausgewählte Broker informiert hatten. Drei zentrale Punkte weisen darauf hin, ob es sich um einen seriösen Partner handelt:

  • einschlägige Referenzen oder Empfehlungen aus dem Netzwerk,
  • eine hundertprozentige Rückverfolgbarkeit der Komponenten bis zum Hersteller oder einen Prüfbericht eines Testlabors für die Qualitätssicherung und
  • ein Zahlungsziel nach Lieferung und Prüfung der Ware.

Eines der wichtigsten Learnings aus der Krise sollte es sein, nicht blind auf die bestätigten Lieferzeiten des Herstellers zu vertrauen, sondern sich eine gewisse Menge kritischer Bauteile über den offenen Markt zu sichern, um bei einer Verschiebung der Liefertermine Puffer zu haben und einem Line-down vorzubeugen. Hier lohnt sich der Blick auf die Durchschnittskosten und nicht auf die einzelne Bestellung zu einem erhöhten Preis, je nach aktueller Marktlage.

Ein weiterer strategischer Schachzug ist es, regelmäßig Kontakt zum Distributor aufzunehmen und frühzeitig nachzufragen, wie er die Lage in den nächsten Wochen und Monaten einschätzt, um ein besseres Gefühl für den Markt zu bekommen. Einige Partner verfügen über eine eigene Datenbank, deren regelmäßige Analyse Indikatoren darüber aufzeigen, welche Teile künftig knapp werden und welche schon bald einfacher zu beschaffen sein werden.

Kapitalbindungskosten reduzieren

Während die einen Teile knapp sind, gibt es die anderen im Überfluss. Denn viele Unternehmen haben die Strategie verfolgt, bei mehreren Partnern einzukaufen und mehr Rohstoffe und Baugruppen einzukaufen als aktuell benötigt. Das hat dazu geführt, dass die Lager mehr als gut gefüllt sind – und enorm Kapital binden.

Um die hohen Kapitalbindungskosten zu reduzieren, können Unternehmen ihren Überbestand am freien Markt veräußern. Auch hierbei unterstützen Distributoren oder Broker. Entweder kaufen sie die Teile selbst oder vermitteln sie an andere Unternehmen. Insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Entsorgungskosten lohnt es sich, über eine Veräußerung der Teile nachzudenken.

Verfügbare und knappe Teile

Sowohl die Elektronik- als auch die Automotive-Industrie sind extrem abhängig von Asien. Schließlich kommt ein Großteil der Halbleiter, Microcontroller, aber auch Batteriezellen aus China und Taiwan. Europa ist nicht in der Lage, diesen Bedarf auch nur annähernd zu decken, das wird sich auch zunächst nicht ändern. Darum stehen und fallen die globalen Lieferketten mit der Situation in Asien.

Aktuell ist davon auszugehen, dass die Automobilbranche noch bis mindestens Q3 2024 mit größeren Engpässen konfrontiert sein wird. Insbesondere die Beschaffung von Teilen rund um Elektrofahrzeuge wird sich nicht entspannen. Konkret sind Engpässe bei Vorprodukten von Batterien und Akkuzellen zu erwarten.

Darüber hinaus sind PMIC, also Power-Management-ICs, die in der Regel in elektronischen Geräten eingesetzt werden, um die Stromversorgung und Leistungsregelung zu verwalten noch schwer zu beschaffen. Diese Chips werden in verschiedenen Geräten wie Smartphones, Tablets, Laptops, drahtlosen Sensoren, Wearables und anderen Geräten verwendet. Das gleiche gilt für digitale Isolatoren, ADC (Analog-to-Digital-Converter), die insbesondere in der Elektronikindustrie benötigt werden und für MCU, also kleine, programmierbare Computerchips, die in einer Vielzahl von Geräten und Anwendungen verwendet werden. Sie integrieren in der Regel CPU, Speicher, Eingabe- und Ausgabe-Peripheriegeräte sowie weitere Funktionen auf einem einzigen Chip.

Die Situation rund um Halbleiter ist nach wie vor angespannt, jedoch kein Vergleich zum starken Engpass der letzten zwei Jahre. Hier zeichnet sich eine Entspannung zum Jahresende hin ab.

Ebenso löst sich aktuell der Engpass bei Kondensatoren und MOSFETs, sogenannten Metal Oxide Semiconductor Field Effect Transistors, also elektronische Bauteile, die als Schalter oder Verstärker in einer Vielzahl von Anwendungen verwendet werden. Auch bei Speicherlösungen zeichnet sich aktuell Entspannung ab. Die Liefersituation ist natürlich abhängig vom jeweiligen Hersteller.


Bild: Sand & Silicon

Noureddine Seddiki

Gründer von Sand & Silicon, einem unabhängigen Distributor für elektronische Bauteile.

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