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Exklusiv: 1. CPO-Treff der Energieversorger

Exklusiv: Einkauf bei den Energieversorgern
Runder Tisch zur Energiewende

Runder Tisch zur Energiewende
Unter dem Motto „Energiewende bezahlbar und machbar machen“ fand der 1. CPO Round Table in Stuttgart stand. Beschaffung aktuell war exklusiv dabei. Bild: Comofoto/stock.adobe.com
Die Energiewende erfordert einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien und des Stromnetzes. Schwierige Marktverhältnisse bei Solarmodulen und Windkraftanlagen sowie der Mangel an qualifizierten Fachkräften verlangen neue Strategien und Lösungen in der Beschaffung. Diese standen im Mittelpunkt des 1. CPO-Treffens der Energieversorger in Stuttgart. Eingeladen hatte die EnBW.

Annette Mühlberger, Fachjournalistin

Durch E-Autos, Wärmepumpen, die Herstellung von grünem Wasserstoff und klimaneutralem Stahl wird die Stromnachfrage stark ansteigen. Für Deutschland gehen die Netzbetreiber davon aus, dass sich der Strombedarf bis 2045 verdoppeln wird. Hierfür muss die Leistung aus erneuerbaren Energien bis 2045 verfünffacht und das Stromnetz erheblich ausgebaut werden. Was die Ausbauziele für den Einkauf und die Energiewirtschaft bedeuten, wurde beim ersten CPO-Roundtable von Energieversorgern in Stuttgart deutlich.

Lange Engpass-Liste

Die Liste der Herausforderungen ist lang: Kapazitätsengpässe im Hoch- und Tiefbau, die in die Kritik geratene Beschaffungssituation für Photovoltaikmodule (98 Prozent stammen aus China), eine wirtschaftlich in Teilen angeschlagene europäische Windindustrie, knappe Kapazitäten auch bei Gasturbinen, Pump- und Energiespeichern, Kostensteigerungen und überall fehlende Fachkräfte.

Einkauf agiert in einem Verkäufermarkt

EnBW-CEO Georg Stamatelopoulos beschreibt beim Stuttgarter CPO-Treffen die Situation für den Einkauf: „Wir bewegen uns in einem zunehmenden Verkäufermarkt, es geht nicht nur um Konditionen und Preis, wir müssen uns insbesondere die Kapazitäten sichern.“ Die EnBW hatte zu diesem runden Tisch geladen. „Es ist höchste Zeit, dass wir angesichts der Herausforderungen diesen Austausch führen, um neue Wege gemeinsam auszuloten“, erklärt EnBW-CPO Olaf Komitsch.

Für Einkäufer und Einkäuferinnen hat sich durch die Energiewende viel verändert. Sie bewegen sich in globalen Märkten mit einer neuen Lieferantenstruktur und eigenen Gesetzmäßigkeiten. „Wir haben eine enorme Transformation zu leisten“, beschreibt Komitsch die Aufgabe. Statt sich um Großvergaben an wenige Projektpartner zu kümmern, muss der Einkauf heute eine Fülle von Technologien, Projekten, Ausschreibungen und Lieferanten steuern. „Viele Einkäufer denken noch in der Komplexität von Großkraftwerken“, sagt Alexander Friedel, CPO der Lausitz Energie Kraftwerk AG (LEAG). „Wichtiger wird jedoch, diese Vielzahl an Projekten unterschiedlicher Komplexität parallel voranzutreiben und den Wertbeitrag des Einkaufs über die klassische Savings-Perspektive hinaus sicherzustellen.“

Komplexe Lieferantenstruktur

Zur neuen Lieferantenbasis der Energiewende gehören genauso Kleinunternehmer und regionale Firmen wie Global Player. Das Sourcing beschränkt sich auch nicht mehr auf das Inland. „Herausfordernd sind die ganz großen und die ganz kleinen Anbieter“, sagt der Leiter Kompetenzcenter Materialwirtschaft der Thüga AG, Alexander Miehr. Was er damit meint, ist: Global Player sind für Energieversorger anspruchsvoll, weil der Einkauf bei diesen Lieferanten oft auf oligopolistische und monopolistische Strukturen trifft. Die Kleinstfirmen sind anspruchsvoll, weil für sie die Abläufe oft nicht passen: „Ein regionales Bauunternehmen will sich nicht in einer Vielzahl von Datenbanken einloggen müssen, um überall seine Stammdaten und Zertifikate hochzuladen“, sagt Miehr. Das gelte auch für die Umsetzung der Sorgfaltspflichten. „Die Einstiegshürden für die Lieferanten müssen niedrig sein“, betont er. Der Einkaufsmanager harmonisiert deshalb für die Thüga-Gruppe die technischen Spezifikationen und vereinfacht die Prozesse.

Umgang mit Monopolisten

Für die Zusammenarbeit mit marktbeherrschenden Konzernen hat Jacek Drozak von PWC eine klare Empfehlung. Der Berater begleitet den CPO-Austausch und sagt: „Auch Monopolisten müssen gemanagt werden.“ Lieferanten einfach das Feld zu überlassen, sei keine Option. Man müsse in einen aktiven Dialog treten.

Die Veränderungen in der Branche sind angestoßen: Viele Führungskräfte kommen aus anderen Industrien und sind mit schwierigen Marktverhältnissen vertraut. „Wir wollen weg von den traditionell eher hierarchischen Strukturen hin zu agilen, vernetzten und umsetzungsstarken Projektorganisationen“, beschreibt LEAG-CPO Friedel das Ziel.

Projekteinkäufer gesucht

Fest steht: Die Beschaffungsvolumina werden sich vervielfachen. Florian Jahnel, Bereichsleiter Einkauf N-Ergie, Nürnberg: „Der Einkauf wird eine erhebliche Steigerung der Zukäufe bewältigen müssen.“ Alle suchen händeringend Personal, vor allem Projekteinkäufer mit technischem Background. „Man muss den Lebenszyklus eines Windparks und moderne Kraftwerkstrukturen verstehen“, sagt Alexander Friedel. Das Ausscheiden der Babyboomer macht die Situation nicht einfacher. „Wir müssen nicht nur Personal aufbauen, sondern auch die Fluktuation kompensieren“, mahnt Thüga-CPO Miehr. Viele Fachkräfte kommen bereits aus anderen Branchen und lernen die Besonderheiten der Energiewirtschaft erst kennen. Die Kulturunterschiede gelte es zu managen, sagt Miehr, der zuvor in der Halbleiter- und Chemieindustrie tätig war. Mit dieser Einschätzung steht er nicht allein. Die Führungsaufgaben werden wachsen, lautet die einhellige Meinung.

Europäische Perspektive

Im europäischen Ausland ist die Situation ähnlich. Klaus Blaschnik verantwortet den Einkauf des österreichischen Chemie-, Gas- und Ölunternehmen OMV. Im Zuge der Dekarbonisierung produziert das Unternehmen Flugbenzin aus Frittierfett und betreibt chemisches Kunststoffrecycling. „Kreislaufwirtschaft braucht andere Wertschöpfungsketten und die Transformation einen neuen Typus Einkäufer“, sagt Blaschnik. Für diesen müssten Unternehmen attraktive Rahmenbedingungen schaffen. „Die Beschaffung für die Energiewende muss zum ‚Place to be‘ werden“, sagt Jacek Drozak.

Kostensteigerung abwenden

Das Kärntner Energieunternehmen Kelag spiegelt im Kleinen die Probleme der großen Energieversorger wider. Kelag-CPO Philipp Zuchart beschreibt den Wandel seiner Organisation: „Wir sind heute Wertschöpfungspartner.“ Auch Zuchart spricht vom Spannungsverhältnis von Ausbau- und Wachstumszielen, Kapazitäten bei Lieferanten und der Verschiebung der Marktkräfte in Richtung Anbieter. Die Gemengelage drohe die Energiewende erheblich zu verteuern, fasst EnBW-Manager Komitsch die Befürchtungen zusammen. „Es ist Zeit die Beschaffung neu und gemeinsam zu denken“, mahnt er.

Digitalisierung als Chance

Die Personalengpässe im Einkauf lassen sich durch moderne Softwarelösungen abfedern. „Ich brauche Köpfe statt Hände“, formuliert es LEAG-Einkaufsleiter Friedel. Seine Erfahrung: Je mehr Regelprozesse automatisiert sind, desto interessanter werden Stellenprofile für Bewerber und Bewerberinnen. Enercity aus Hannover steigt (nicht nur deshalb) auf ein neues ERP-System um. „Wir werden der erste Energieversorger sein, der mit Oracle arbeiten wird“, sagt Einkaufsleiterin Svea Butchereit. Auch die EnBW treibt die Digitalisierung voran. „Der Umgang mit Daten und Informationen ist zur Schlüsselfähigkeit im Einkauf geworden“, betont Olaf Komitsch. Dabei wurde über das Potenzial von KI in Stuttgart noch gar nicht gesprochen. Doch es wird nächste Treffen und damit weitere Themen und Möglichkeiten zum Austausch geben.

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