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Systematisch die Lieferantenperformance steuern

Zuverlässigkeit und Management der Lieferkette
Systematisch die Lieferantenperformance steuern

Systematisch die Lieferantenperformance steuern
Zu volle Lager verursachen hohe Lagerkosten, binden Kapital und erhöhen das Risiko von Überalterung und Wertminderung der Bestände. Bild: hit1912/stock.adobe.com
Die Erhöhung der Bestände sollte das letzte Mittel der Wahl zur Sicherstellung der Lieferfähigkeit sein. Besser ist es für Unternehmen, aktiv an der Optimierung der Leistungsfähigkeit ihrer Lieferanten zu arbeiten. Basis dafür sind die Überwachung der Lieferantenperformance und ein systematisches Management mit prozessübergreifender Standardisierung und Automatisierung.

Im Bestandsmanagement streben Unternehmen nach dem Gleichgewicht zwischen schnellen Lieferzeiten und niedrigen Lagerkosten, während globale Krisen und Rohstoffmangel zu Versorgungsschwankungen führen. Die Optimierung der Lieferantenperformance bietet hier ein Schlüsselpotenzial zur Kostenreduktion und Umsatzsicherung. Dabei misst die Lieferperformance das Verhältnis von pünktlichen und vollständigen Lieferungen zu allen Bestellungen bei einem Lieferanten in einem bestimmten Zeitraum.

Eine Studie von Höveler Holzmann untersuchte, wie Unternehmen verschiedener Branchen aktuell die Performance ihrer Lieferanten überwachen und wie sie bei schwacher Performance reagieren. Ziel war es, den Reifegrad der Kennzahlenerfassung, die Konsistenz des Lieferantenmanagements und die Anwendung von Vertragsstrafen zu bewerten.

Die Ergebnisse offenbaren ein hohes Bewusstsein für die Bedeutung der Lieferperformance. So geben knapp 60 Prozent der Befragten an, dass sie den KPIs zur Lieferperformance eine hohe bis sehr hohe Aufmerksamkeit schenken. Doch nur etwa die Hälfte der Unternehmen verfügt über vollständige Daten zur Lieferzuverlässigkeit. Trotz der Erkenntnis, dass eine verbesserte Lieferperformance Kosten spart und den Umsatz stützt, mangelt es an kontinuierlichen Bemühungen, die Performance systematisch zu steigern.

Lieferperformance-Management

Defizite zeigt die Erhebung aber auch für diejenigen Unternehmen, die aktuell bereits Daten zur Lieferantenperformance erfassen. So wird in allen betrachteten Unternehmen der Baustoff-Branche, aber auch häufig in der Möbelindustrie, zwar die zeitliche Dimension der Lieferung gemessen, nicht aber die Liefermenge. Volle Transparenz erhalten Unternehmen jedoch nur mit beiden Zahlen in Form einer sogenannten OTIF-Kennzahl: Die Abkürzung steht für „On Time In Full“, also die vollständige und rechtzeitige Lieferung. In einem von unterschiedlichen Reifegraden geprägten Branchenbild hebt sich die Lebensmittelindustrie hier als positives Beispiel ab.

Erwartbar hoch ist mit etwa 80 Prozent die Zahl der Unternehmen, die Gegenmaßnahmen als Antwort auf niedrige Lieferperformances ableiten. Nicht immer existiert hier aber ein standardisierter Eskalationsprozess. Statt ihre Lieferanten stärker in die Pflicht zu nehmen, setzen über ein Viertel der befragten Unternehmen auf Bestandserhöhung. Branchenweit sind dabei kaum Unterschiede erkennbar. Einzige Ausnahme ist die Möbelindustrie, in der aufgrund häufiger Auftragsfertigungen den Lagerbeständen weniger Beachtung geschenkt wird.

Anders als die verbreitete Maßnahme der Bestandserhöhung sind Vertragsstrafen bei Nichterfüllung von bestätigten Lieferdaten wenig verbreitet: Nur 11 Prozent der Befragten geben an, Pönalen zur Sanktionierung von Abweichungen einzusetzen – mutmaßlich, weil eine solche Maßnahme oft als nicht durchsetzbar angesehen wird. Hier sollten Unternehmen fordernder auftreten und sich am Groß- und Einzelhandel orientieren, der im Rahmen der Erhebung erneut hervorsticht: In dieser Branche werden bei etwa 50 Prozent der befragten Unternehmen Vertragsstrafen verwendet. Relativ zum Umsatz betrachtet fallen die Vertragsstrafen jedoch kaum ins Gewicht: Nur eine sehr geringe Anzahl der Unternehmen erzielt jährlich Pönalen von über 1 Million Euro.

Vertragsstrafen wenig verbreitet

Es überrascht, dass außer in der Lebensmittelindustrie auch bei umsatzstarken Unternehmen mit hohem Einkaufsvolumen die Erhebung von Pönalen kein standardisiertes Vorgehen zu sein scheint. Gleichermaßen müssen Verantwortliche berücksichtigen, dass Vertragsstrafen allein noch kein zuverlässiges Mittel zur Erhöhung der Lieferperformance sind: Nur 28 Prozent der Unternehmen berichten von einer teilweisen Steigerung der Lieferperformance nach Einführung von Pönalen.

Ungleich größeres Potenzial bietet hingegen ein strukturiertes Lieferperformance-Management, das Datenerhebung, Datenverarbeitung, Pönalisierung, Lieferantenkommunikation und weitere Aspekte umfasst und mit themenübergreifender Prozessautomatisierung verbunden wird. Erst 47 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass bei ihnen diese Themen teilweise automatisiert stattfinden und nur 20 Prozent berichten von vollständiger Automatisierung. Diese Unternehmen profitieren von einer durchgängigen und umfassenden Transparenz über die Lieferantenperformance und die damit verbundenen Prozesse. Sie können Engpässe und andere Störungen frühzeitig erkennen und entsprechend reagieren, um die eigene Lieferfähigkeit und damit die Kundenzufriedenheit auf einem hohen Niveau zu halten.

Über alle Themenfelder der Erhebung hinweg zeigt sich die Lebensmittelindustrie am fortschrittlichsten. Sie hat die Lieferperformance bereits langjährig als feste Messgröße ihrer Lieferanten verankert. Ein Vorgehen, das sich für die gesamte Organisation lohnt: Branchenübergreifend bestätigt sich, dass Unternehmen, die eine prozessübergreifende Standardisierung und zumindest teilweise Automatisierung aufweisen, erfolgreicher sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Management den KPIs der Lieferperformance von Lieferanten eine hohe Bedeutung beimisst.

Messung der Performance

Gleichzeitig sprechen die Ergebnisse der Erhebung dafür, dass Unternehmen mit hoher KPI-Erfüllung und einem starken Managementprozess für die Zuverlässigkeit ihrer Lieferanten in geringerem Maße auf hohe Warenbestände oder die Erhebung von Vertragsstrafen angewiesen sind. Denn die Einführung eines intelligenten und automatisierten Lieferantenmanagementsystems kann maßgeblich dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu steigern. Unverzichtbar ist dafür die umfassende und transparente Messung der Lieferantenperformance. Weltweit ist eine Entspannung der Lieferketten nicht in Sicht – umso wichtiger ist es für Unternehmen jetzt, einen systematischen Prozess zur Erhebung von KPIs über die Performance ihrer Lieferanten zu definieren. Unternehmen, die gezielt daran arbeiten, die Lieferperformance ihrer Partner zu erhöhen und gemeinsam mit ihnen eine sichere und resiliente Lieferkette entwickeln, erhalten Vorteile, die weit über das Bestandsmanagement hinausgehen und auf den langfristigen Geschäftserfolg einzahlen.


Bild: Höveler Holzmann

Nico Gösser

Principal bei der Höveler Holzmann GmbH, Düsseldorf

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