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Wenn die Lieferkette der maßgebliche Hebel ist

Serie Nachhaltige Beschaffung, Teil 3: Gerolsteiner Brunnen
Wenn die Lieferkette der maßgebliche Hebel ist

Gerolsteiner Brunnen verfolgt ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagement. Dazu gehören der Wasser- und Quellschutz genauso wie die Aufforstung klimastabiler Waldflächen in der Eifel und die Übernahme sozialer Verantwortung. Der CO2-Fußabdruck des Mineralbrunnens entsteht jedoch vor allem in der Lieferkette. Das macht den Einkauf zu einem der Hauptakteure der Transformation.

Annette Mühlberger, Journalistin, Stuttgart

Die Nachhaltigkeitsstrategie von Gerolsteiner Brunnen hat einen umfassenden Ansatz. Die Beschaffung und Lieferketten sind genauso Teil der Bemühungen wie der Schutz von Böden, Wasser und Biodiversität im Umfeld der Gerolsteiner Quellen in der Eifel. Die im Quellgebiet ansässigen Landwirte unterstützt das Unternehmen in der gewässerschonenden Bewirtschaftung und im biologischen Pflanzenanbau und es kümmert sich um die Aufforstung klimastabiler Mischwälder in der Region. 165.000 Bäume wurden im „Gerolsteiner Zukunftswald“ bereits gepflanzt, jährlich kommen zehntausende weitere Setzlinge dazu. „Wir können als regionales Unternehmen glaubhaft und nachvollziehbar darstellen, was wir im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie tun“, sagt Dr. Thomas Hens, Nachhaltigkeitsbeauftragter und Leiter Technische Ressourcen und Entwicklung beim Gerolsteiner Brunnen.

90 Prozent des CO2 stammt aus der Lieferkette

Beim Klimaschutz bekennt sich das Unternehmen zum 1,5 Grad-Ziel. Bis 2030 sollen die Standort-Emissionen um 59 Prozent sinken. „Scope 1 und 2 machen bei uns jedoch nur 10 Prozent des Klimafußabdrucks aus“, betont Hens. Für 90 Prozent der Klimaemissionen ist also der Einkauf gefragt. Seit 2019 berechnet Gerolsteiner seine Klimabilanz mit dem Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) rückwirkend bis 2016. Seit 2016 wurden die Scope 1 und 2 Emissionen halbiert – vor allem durch die Nutzung von 100 Prozent Ökostrom.

Verpackung und Transport

Hauptverursacher für die Klimagas-Emissionen des Mineralbrunnens sind jedoch Transporte und Verpackungen. Die für den Klimaschutz wesentlichen Hebel hat Einkaufsleiter Marcus Schumacher längst ermittelt. „80 Prozent unserer Scope 3 Emissionen lassen sich bei rund 20 Lieferanten verorten“, erklärt er. Bis Ende 2023 sollen für alle wesentlichen Materialien und Leistungen Product Carbon Footprints oder Ökobilanzen vorliegen, im Idealfall Product Environmental Footprints, die weitere Umweltauswirkungen bilanzieren.

Wenn die CO2-Reduktion Geld spart

Bei der Informationsbeschaffung und den Maßnahmen, die man aus den Daten ableitet, geht der Einkauf akribisch vor. „Wir verfolgen einen sehr pragmatischen Ansatz und arbeiten mit den wichtigen Lieferanten an ganz konkreten Einsparungen“, sagt Schumacher. So ging es jüngst unter anderem um den Wechsel auf LNG-Antrieb für LKW-Transporte, um neue Wechselbrücken für den multimodalen Verkehr und die Verlagerung von Transporten auf die Bahn. Einfach sei es, wenn Klimaschutz und Kosteneinsparungen Hand in Hand gingen: „Solche Fälle haben wir, wenn wir durch ein neues Verpackungsdesign Material und Gewicht sparen und damit gleichzeitig Geld“, erklärt Schumacher. „Diese Projekte gehen schnell in die Umsetzung“, meint er. Allein 111 Tonnen Verpackungsmaterial pro Jahr spart zum Beispiel die Gewichtsreduktion um drei Gramm bei der neuen 0,75 Liter-PET-Flasche.

Soziale Aspekte von Werbemitteln

Hinzu kommen soziale Aspekte. „Wir haben alle für uns wesentlichen SDG (Sustainable Development Goals) auf den Einkauf heruntergebrochen“, erklärt Schumacher. Im Getränkevertrieb spielen Werbemittel für den Point-of-Sale eine große Rolle. Schumacher erklärt den Unterschied zu anderen Warengruppen: „Bei den Werbemitteln sind wir nicht so nah dran und deshalb sehr viel mehr auf die Mitarbeit der Lieferpartner angewiesen.“

Sein Team screent über generische Daten u. a. aus dem Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte zudem die Länderrisiken für die Produktgruppen und steuert in kritischen Fällen um. Das Ziel: Mehr Qualität und wo möglich europäische Herkunft: „Wir wollen keine Wegwerfartikel, sondern Produkte, die unsere Kunden nutzen und im Alltag verwenden können“, sagt Schumacher. Bei gleichbleibendem Budget verlange dies vom Einkauf Kreativität und außerdem ein spezialisiertes Wissen über die ESG-Risiken der verschiedenen Produktkategorien. „Bei Werbemitteln müssen wir uns mit vielen Märkten auseinandersetzen“, fasst der Einkaufsleiter zusammen.

Unter das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz fällt das mittelständische Unternehmen auch 2024 nicht. Jedoch gehört Gerolsteiner Brunnen mehrheitlich zur Bitburger Holding, an die es berichtet. Außerdem geben die Handelsketten die Sorgfaltspflicht an ihre Lieferanten weiter.

Geschlossene Verpackungskreisläufe

Für einen nachhaltigen Getränkevertrieb ist Kreislaufwirtschaft wichtig. 70 Prozent der abgesetzten Menge an Mineralwasser und Erfrischungsgetränken gibt Gerolsteiner Brunnen in Mehrwegflaschen in den Handel. Die PET-Mehrwegflaschen werden acht- bis zehnmal, die Glasflaschen 25– bis 30-mal neu befüllt. Für längere Transporte haben die dünnwandigen PET-Einwegflaschen eine gute Ökobilanz. Durch das Einwegpfand gelangt der Großteil der Flaschen zurück in den Kreislauf. Bislang werden nur aus 38 Prozent der gesammelten PET-Einwegflaschen wieder neue Getränkeflaschen. Der Rest des Recycling-PET wird von anderen Branchen genutzt. Diese Lücke im PET-Flaschenkreislauf möchte Gerolsteiner für die Getränkeindustrie schließen: „Die Nachfrage nach hochwertigem recyceltem PET ist aktuell so groß, dass die für die sensible Lebensmittelverpackung notwendigen Qualitäten nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen“, nennt Nachhaltigkeitsbeauftragter Hens einen Grund, warum der Rezyklatanteil in den PET-Flaschen aktuell nicht höher ist. Bei den Verpackungsunternehmen setzt man auf Regionalität. So sitzt der Hauptlieferant für die PET-Mehrwegflaschen nur ein paar Meter vom Abfüllort entfernt. „Auch das spart Transporte und Emissionen“, betont Marcus Schumacher.

Impulse bei den Lieferanten setzen

Anders als beim Kunststoff ist der Scherbenanteil bei Glasflaschen generell höher. Durch die ausreichende Verfügbarkeit von Glas aus dem Recyclingkreislauf sind – im Gegensatz zum Sekundarrohstoff beim PET – auch die Preise mit der Neuware vergleichbar. Grundsätzlich arbeite man daran, bei allen Lieferanten nachhaltige Impulse zu setzen: „Wir sind nicht die einzigen Kunden, denen der Ressourcenschutz wichtig ist“, setzt Marcus Schumacher auf die Nachfrage nach umweltfreundlichen Lösungen.

Die Grenzen des Lieferantenmanagements zeigt Thomas Hens auf: „In Bereichen wie der Mobilität sind wir als Kunde sehr viel mehr von der generellen Markt- und Technologieentwicklung abhängig.“

Nachhaltigkeitsratings und Audits

Für die nachhaltige Lieferantenbewertung nutzt das Unternehmen Ecovadis. Die standardisierten Nachhaltigkeitsratings liegen für den großen Teil der als wesentlich ermittelten Lieferanten vor. Der Einkauf ergänzt sie mit eigenen Audits: „Die Offsides-Audits, die auf Fragebögen basieren, können Vor-Ort-Besuche nicht ersetzen“, meint Nachhaltigkeitsbeauftragter Hens. Ein schlechtes Ecovadis-Rating bedeute zudem nicht automatisch, dass ein Lieferant nicht nachhaltig handele, ergänzt Marcus Schumacher. Bewertet würden nur die Managementsysteme.

Gerolsteiner selbst ist u. a. SGS-auditiert. An diesen Vorgaben orientiert sich der Einkauf auch für die eigenen Audits. „Nachhaltigkeit spielt in unseren Lieferantenaudits mittlerweile eine genauso große Rolle wie Qualität“, erklärt Einkaufsleiter Schumacher.

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