Startseite » Einkauf »

Wie Sie Verhandlungsmacht zurückerobern

Lieferkettenprobleme souverän meistern
Wie Sie Verhandlungsmacht zurückerobern

Wie Sie Verhandlungsmacht zurückerobern
Führen Sie den Verkäufer zu der Einsicht, dass in einer produktiven Partnerschaft jeder neben den eigenen, auch die Interessen der anderen Seite berücksichtigen sollte. Bild: gustavofrazao/stock.adobe.com
Verkäufer, die Güter in ausreichender Menge und überdies pünktlich liefern, sitzen in Zeiten von Lieferproblemen am längeren Verhandlungshebel, können quasi wie Monopolisten agieren, so der Glaubenssatz vieler Profi-Einkäufer. Doch stimmt das? Und wie können Einkäufer ihre Interessen trotzdem durchsetzen?

Hätten Sie gedacht, dass sich die Anforderungen an Profi-Einkäufer im Unternehmen so stark wandeln und „Erfolg“ jetzt anders definiert wird als vor den Liefer-, Pandemie-, Inflations- und (Energie)Preis-Krisen? Vor Kurzem noch galten diejenigen als erfolgreiche Einkäufer, die gute Preise und Konditionen verhandelt haben, am besten in Verbindung mit „Just in Time“-Lieferungen. Doch jetzt ist derjenige ein erfolgreicher Einkäufer, der angesichts der Lieferengpässe, Inflation und Kostenexplosionen für sein Unternehmen die erforderlichen Waren, Produkte und Dienstleistungen überhaupt noch in passender Qualität und Frist beschaffen kann. Da heißt es: „Hauptsache, Beschaffung sichern!“ Doch dieser Satz darf nicht enden mit: „… egal, zu welchem Preis!“

Die Basis: Networking auf allen Ebenen

Darum ist es wichtig, nicht nur zum Verkäufer des Lieferantenunternehmens eine gute Beziehung aufzubauen: Knüpfen Sie frühzeitig ein dichtes Netzwerk, verstehen Sie sich als Projektmanager des gesamten Beschaffungsprozesses. Insbesondere, wenn auf beiden Seiten Teams beteiligt sind – etwa ein Buying Team und Selling Team –, sollten Sie prüfen, was Sie tun können, um die Beziehungen zwischen allen Beteiligten zu optimieren, Vertrauen zu schaffen und Win-win-Situationen herzustellen.

Lieferklemme: Win-win-Situation herbeiführen

Auch Vertriebsmitarbeiter befinden sich oft in der Lieferklemme, weil sie zurzeit halbleere Lager haben, Produktionslinien ausgefallen sind und es mit dem Nachschub dauert. Dieses Dilemma können Sie nutzen, indem Sie helfen, das Standing des Verkäufers im eigenen Unternehmen zu verbessern. Wie kann es Ihnen gelingen, ihn zu einem Verbündeten zu machen? Indem Sie ihn unterstützen, sich in seinem unternehmensinternen Wettstreit durchzusetzen! Ein Beispiel: Es könnte für ihn von Vorteil sein, wenn er Ihren Auftrag sofort erhielte. Denn morgen könnte die unternehmensinterne Konkurrenz des Verkäufers Aufträge eingebucht haben, durch die der Lagerbestand bezüglich des fraglichen Produkts oder Rohstoffs aufgebraucht würde. Eine fatale Folge für Ihren Gegenüber: Für ihn bliebe nicht viel übrig! Oder gar nichts. Das hieße für ihn: Reputation im Keller, Provision weg, die bekommt nun jemand anderer! Nicht immer sitzt der Verkäufer am längeren Verhandlungshebel. Auch weil er unter einem erheblichen Erwartungsdruck steht: Angesichts der „gefühlt“ günstigen Ausgangslage erwartet die Unternehmensleitung von ihm, dass er Top-Abschlüsse mit nach Hause bringt. Gelingt dies nicht, sinkt sein Stern rasch. Helfen Sie ihm darum, die Erwartungen der Chefin, des Chefs mehr als zu erfüllen. Trotz der schwierigen Ausgangslage sollten Sie betonen, dass es immer noch auch Ihr Nutzen ist, der für eine gedeihliche Geschäftsbeziehung entscheidend ist. Vor allem, wenn der Verkäufer und Sie einen Blick in die Zukunft werfen. Das Blatt kann sich rasch wieder wenden, das Kräfteverhältnis sich zu Ihren Gunsten verschieben. Auf Ebbe kommt Flut: Irgendwann wird wieder mehr und günstigere Ware verfügbar sein – und die Lieferanten sind dann dankbar für jeden Kunden! Verdeutlichen Sie, wie wichtig es ist, jetzt Vertrauen fürs Folgegeschäft in der Zukunft aufzubauen – und zwar auf beiden Seiten! Der Tenor Ihrer Strategie lautet: Gerade jetzt ist die Zeit reif für eine faire und kooperative Partnerschaft, die sich in der Gegenwart bewähren und darüber hinaus in der Zukunft tragfähig sein muss. Eine mögliche Formulierung: „Sollten Sie uns in der jetzigen Situation zu fairen Konditionen mit ausreichend Ware versorgen, sind wir bereit, Sie bei künftigen Vergaben oben auf die Shortlist zu setzen/stabil über Zeitraum X zu ordern.“

Sie merken: Die Monopolstellung des Lieferanten ist, wenn überhaupt vorhanden, nur eine Momentaufnahme. Denken und handeln Sie langfristig – und geben Sie dem Verkäufer Gründe, dies ebenfalls zu tun.


Lesetipp

Lieferkette gerissen. Alles besch*ssen?! Wie Einkaufsprofis im Unternehmen die Versorgung mit Gütern und Leistungen in Krisenzeiten sicherstellen und auf Augenhöhe mit dem Vertrieb verhandeln.

www.altmannsberger-verhandlungstraining.de


Handlungsempfehlungen für den Verhandlungserfolg

  • Empfehlung 1
    Finden Sie heraus, wie Sie den Verkäufer dabei unterstützen können, seine Machtposition in seinem Unternehmen zu optimieren.
  • Empfehlung 2:
    Gehen Sie mit dieser bescheidenen, aber realistischen Zielsetzung in das Gespräch: „Ein Prozent geht immer – und wenn ich die Preiserhöhung nur um ein Prozent zurückdrehe!“
  • Empfehlung 3:
    Führen Sie den Verkäufer zu der Einsicht, dass in einer produktiven Partnerschaft jeder neben den eigenen auch die Interessen der anderen Seite berücksichtigen sollte.

Bild: Annemone Taake

Urs Altmannsberger

Experte für Verhandlungsführung

Unsere Whitepaper-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 5
Ausgabe
5.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de