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Alles andere als Urlaub

Rechtsgrundlagen für den Auslandseinsatz
Alles andere als Urlaub

Alles andere als Urlaub
Justita. Aktuelle Rechtsprechung für den Einkauf und Logistik. Bild: olegdudko /123rf
Weltweite Beschaffungsmärkte machen es erforderlich, dass deutsche Unternehmen ihre Mitarbeiter für einige Zeit ins Ausland schicken. Das kann für beide Seiten fruchtbar sein, wenn man auch die rechtlichen Konsequenzen bedenkt.

Zum Lieferanten nach Südkorea, zur Konzernzentrale in die USA, zum IT-Dienstleister nach Indien: Für Einkäufer kann es viele gute Gründe geben, für die Firma einige Zeit im Ausland zu verbringen und dort den Markt zu sondieren, sich weiterzubilden oder den Dienstleister an die Anforderungen heranzuführen. Dass ein solcher Schritt gut überlegt und noch besser vorbereitet sein muss, liegt auf der Hand.

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Es sollte selbstverständlich sein, dass der Arbeitgeber über die Einreise- und Visa-Bestimmungen des Ziellandes informiert ist, in das er den Mitarbeiter schickt. Dennoch: „Häufig kommt es vor, dass Deutsche nur mit einem Geschäfts- oder gar Touristen-Visum vor Ort arbeiten“, berichtet Dr. Kuang-Hua Lin, Gründer und Geschäftsführer von Asia-Pacific Management Consulting, Düsseldorf. „Dies ist jedoch in den meisten Ländern Asiens nicht erlaubt, stattdessen ist ein Arbeitsvisum erforderlich.“ Der Arbeitgeber sollte dafür Sorge tragen, dass die entsprechenden Anträge rechtzeitig gestellt und notwendige Entsendemeldungen erledigt werden, sodass alle Unterlagen zum Reiseantritt vorliegen. Dazu erklärt Monika Herrbutt, Referentin für Arbeitsrecht bei der IHK München: „Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hat bei der Entsendung ins Ausland eine besondere Bedeutung: Er muss seinen Arbeitnehmer so auf den Einsatz vorbereiten, dass dieser unter den fremden Verhältnissen zur vertragsgemäßen Erfüllung seiner Arbeitspflicht in der Lage ist.“ Dazu gehören auch Informationen zu den wesentlichen Umständen der Arbeit im Gastland sowie ärztliche Untersuchungen, Impfungen und der Abschluss einer Auslandskrankenversicherung.
Vertragsanpassung
Besonderes Augenmerk ist auf die Anpassung des Arbeitsvertrages zu richten. „In der Praxis hat sich in der überwiegenden Anzahl der Fälle das Ruhendstellen des hiesigen Arbeitsvertrages bei gleichzeitigem Abschluss einer Entsendevereinbarung bewährt“, sagt Klaus Heeke, Leiter der Abteilung Arbeitsrecht, Tax & Legal bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte in München. „Erfordert das Recht des Gastlandes – etwa aus aufenthaltsrechtlichen Gründen – den Abschluss eines lokalen Arbeitsvertrages, kann dies eine Entsendevereinbarung als Ergänzung zum deutschen Arbeitsvertrag überflüssig machen.“ So handhabt es das Logistikunternehmen Hellmann Worldwide Logistics mit Sitz in Osnabrück, das gerne die gut ausgebildeten deutschen Mitarbeiter und Manager als Expatriates an seine ausländischen Standorte schickt. „Unsere Mitarbeiter zeichnen einen neuen Arbeitsvertrag mit der Auslandsgesellschaft, in dem alle wesentlichen Eckdaten wie Aufgabe und Verantwortung, Gehalt, Arbeitszeit und Urlaub geregelt sind und die Kostenübernahme für die Übersiedlung und Rückführung vereinbart ist“, sagt Birgit Wissel, stellvertretende Personalleiterin für Deutschland.
Allerdings kann der Arbeitsvertrag nicht ohne weiteres nur nach deutschem Recht gestaltet werden. Für die häufigsten Arten von Arbeitseinsätzen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) legt die EU-weit geltende Entsenderichtlinie 96/71/EG Standards – wie Höchstarbeitszeiten, Mindestlöhne, Arbeitsschutzmaßnahmen – fest, die eingehalten werden müssen. Komplizierter wird es, wenn das Zielland nicht zur EU gehört. Dann können Arbeitgeber und Arbeitnehmer mittels einer sogenannten Rechtswahl selbst entscheiden, ob für das Arbeitsverhältnis im Ausland hiesiges deutsches oder dortiges Recht gelten soll. Treffen sie keine Wahl, so gelten die Gesetze des Landes, in dem der Arbeitnehmer „gewöhnlich“ seine Arbeit verrichtet – dauert die Entsendung nicht länger als drei Jahre, ist das immer noch Deutschland. Wählen sie dagegen ausdrücklich die Rechtsordnung des Gastlandes, so genießt der Expatriate dennoch über die Grundsätze des internationalen Privatrechts in gewissem Umfang das deutsche Schutzniveau. „Das deutsche Kündigungsschutzrecht gilt immer dann, wenn es den deutschen Arbeitnehmer weitreichender schützt als es die ausländische Rechtsordnung tut“, erläutert Arbeitsrechtler Heeke. Das gilt entsprechend auch für die Bestimmungen zur Arbeitszeit.
Ein weiteres wichtiges Thema, über das sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Vorfeld verständigen müssen, ist die renten- und sozialversicherungsrechtliche Absicherung im Ausland. Ist die Dauer auf höchstens 24 Monate befristet, kann der ins EU-Ausland entsandte deutsche Arbeitnehmer in der heimischen Sozialversicherung verbleiben. Soll der Auslandsaufenthalt länger andauern, ist dies nur durch den Abschluss einer Ausnahmevereinbarung zwischen beiden Ländern möglich. Im Verhältnis zu vielen Nicht-EU-Ländern gelten bilaterale Sozialversicherungsabkommen, die ebenfalls dafür sorgen, dass ein Verbleib in den deutschen Systemen möglich ist – allerdings mit unterschiedlich langen Aufenthaltsdauern von 24 bis zu 60 Monaten. Je nach Abkommen sind auch nur bestimmte Versicherungszweige betroffen: Das deutsch-amerikanische Regelwerk etwa betrifft ausschließlich die Rentenversicherung. Fehlt ein entsprechendes Abkommen zwischen Deutschland und dem Zielland, kommt der Begriff der Ausstrahlung ins Spiel: Wenn das Beschäftigungsverhältnis hier fortbesteht und die Entsendung im Voraus zeitlich befristet ist, kann die Sozialversicherungspflicht in Deutschland bestehen bleiben – sie strahlt quasi aufgrund der engen Bindung zum Heimatland bis ins Zielland aus. In allen anderen Fällen besteht meist die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung in Deutschland. Aber Achtung: Ein solcher Antrag muss vor der Ausreise gestellt werden. In all diesen Fällen und ebenso bei der Frage der Besteuerung des im Ausland erzielten Einkommens ist es unbedingt empfehlenswert, Rententräger, Krankenversicherer, Finanzamt oder Steuerberater zurate zu ziehen.
Schließlich muss man schon vor Beginn des Auslandseinsatzes dessen Ende bedenken. „Bereits die Entsendungsvereinbarung sollte eine Wiedereingliederungsklausel enthalten, welche die Rückkehrbedingungen des Expatriates regelt, ebenso Eventualitäten wie eine vorzeitige Rückberufung“, rät IHK-Expertin Herrbutt. Für die Unternehmen kann es eine Herausforderung darstellen, dem Rückkehrer dieselbe oder zumindest eine adäquate andere Position zur Verfügung zu stellen.
Rückkehr ins Unternehmen
Doch nicht selten winkt auch ein Aufstieg. „Ein solcher Einsatz stärkt die Persönlichkeit und pusht die Weiterentwicklung in den persönlichen und fachlichen Kompetenzen. Auch die deutlich verbesserte Sprachkompetenz ist ein wichtiges Plus für ein international agierendes Unternehmen“, weiß Hellmann-Personalerin Wissel. „Es gibt aber keinen Automatismus für eine Karriereentwicklung.“ Nur sehr gute Chancen.

Anja Falkenstein, Rechtsanwältin, Karlsruhe
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