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Lebenslanges Lernen für Silver Worker

Lebenslanges Lernen für Beschäftigungs- und Wettbewerbsfähigkeit
Silver Worker: Lifelong Learning als Erfolgsfaktor für die Digitalisierung

Im Zuge der Digitalisierung werden andere Kompetenzen gefordert als bisher. Insbesondere für ältere Mitarbeitende kann sich daraus ein erhöhter Weiterbildungsbedarf ergeben, der vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels für Unternehmen immer relevanter wird. Für diese Zielgruppe entwickelt das europäische Forschungsprojekt Expertise Lernmaterialien, um einen Beitrag zur Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeitenden und zur Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu leisten.

Die heutigen Einkaufsabteilungen wandeln sich aufgrund der zur Verfügung stehenden Technologien von operativen Aufgabenfeldern, welche zunehmend automatisiert werden, hin zu einer wachsenden strategischen Unternehmensfunktion, in der das global vernetzte Wertschöpfungsnetzwerk strategisch gesteuert und durch datenbasierte Entscheidungsfindungsprozesse unterstützt wird.

Dieser Transformationsprozess im Einkauf verändert die notwendigen Kompetenzen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zukünftig werden Fähigkeiten zur Analyse und Interpretation großer Datenmengen, z. B. zur Identifizierung und zum Management von Risiken und Krisen in globalen zunehmend wichtiger. Auch die altbekannten Fähigkeiten im Bereich des E-Procurements gewinnen aufgrund der ansteigenden Funktionalität und des wachsenden Umfangs operativer Einkaufstechnologien an Bedeutung. Abseits der Technologien werden Kompetenzen des strategischen und unternehmerischen Denkens sowie interdisziplinäre Kenntnisse wichtiger, um zielgerichtete Entscheidungen aus den vielfältigen Informationsquellen zu treffen. Einkäufer müssen daher das Potenzial der Digitalisierung nutzen können, um erfolgreich zu sein. Dazu müssen sie die technologischen Kompetenzen, bis hin zur Industrie 4.0, sowie die strategischen Kompetenzen des Einkaufs beherrschen.

Herausforderungen in der digitalisierten Arbeitswelt des Einkaufs

Um mit dem schnell verändernden technologischen Umfeld Schritt zu halten, sehen sich Unternehmen mit der Herausforderung konfrontiert, die vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzubilden oder neue Talente mit den veränderten Kompetenzen zu rekrutieren. Jedoch ist die Akquise von jungen Mitarbeitenden durch die Abnahme der erwerbstätigen Bevölkerung herausfordernd, da durch den demografischen Wandel die Zahl von jungen Menschen abnimmt, welche am Arbeitsmarkt teilnehmen.

Somit gewinnt die Integration der bereits im Erwerbsleben stehenden älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Teilhabe dieser Gruppe an der Digitalisierung zunehmend an Bedeutung. Dies verdeutlicht auch der Ageing Report 2024 der Europäischen Kommission, nachdem die Erwerbsquote der 55– bis 64-Jährigen von 65,4 Prozent im Jahr 2022 auf 75,5 Prozent im Jahr 2070 ansteigen und das durchschnittliche Erwerbsaustrittsalter um rund zwei Jahre zunehmen wird. In der beruflichen Aus- und Weiterbildung müssen daher die zukünftigen Kompetenzen in den Aus- und Weiterbildungsprogrammen des HR-Managements mit geeigneten Lehrmethoden vermittelt werden, um den veränderten Anforderungen von Industrie 4.0 gerecht zu werden.

Langfristige Integration der „Silver Worker“ im Einkauf

Das EU geförderte Forschungsprojekt Expertise (Experienced Purchasers Education Research Transfer for Industry 4.0 Skills Expertise) adressiert diese Herausforderungen, um spezifische Aus- und Weiterbildungsmaterialien für „Silver Worker” im Einkauf und Supply Management zu entwickeln. Die Bezeichnung „Silver Worker“ wird in der Erwachsenenbildung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 50 Jahre verwendet, um auf die spezifische Altersgruppe der Fachkräfte hinzuweisen. Diese Altersgruppe verfügt über wertvolle Erfahrungen und Expertise, die jüngeren Mitarbeitenden noch nicht zur Verfügung stehen. Insbesondere kann ihre fortlaufende Erwerbstätigkeit in zukünftig relevanten Positionen dazu beitragen, den Fachkräftemangel für die Unternehmen zu verringern, wodurch ein Beitrag zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen geleistet wird. Außerdem kann ihre Einbindung eine vielfältigere Unternehmenskultur fördern, indem eine Wissensweitergabe zwischen unterschiedlichen Generationen ermöglicht wird.

Die Bedeutung der allgemeinen Arbeitsgestaltung für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist bereits vielfach erkannt und in der Forschung untersucht worden. Die Vielfalt der Qualifikationen, die Identifikation mit der Arbeit, die Autonomie und das Feedback sind einige Merkmale der spezifischen Arbeitsgestaltung. Die Notwendigkeit von spezifischen Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für die langfristige Integration älterer Arbeitnehmer wird dagegen oftmals übersehen und findet sowohl betrieblich als auch wissenschaftlich bisher noch keine ausreichende Aufmerksamkeit. Spezifische Schulungen für diese Altersgruppe würden jedoch nicht nur ihr Zugehörigkeitsgefühl und ihre Arbeitszufriedenheit erhöhen, sondern fördern auch ihre Mitarbeiterbindung. Ebenso können bewusste Bemühungen um Förderung und Entwicklung altersbedingte Vorurteile abbauen und die Harmonie zwischen den Generationen fördern.

In der zweiten Studie des Expertise-Projekts konnte der Status quo der Aus- und Weiterbildung von „Silver Worker“ im Einkauf sowohl aus der Perspektive von Mitarbeitenden in der HR-Abteilung als auch von Einkäuferinnen und Einkäufern über 50 Jahre qualitativ erfasst werden. Die durchgeführten Interviews legen nahe, dass sowohl die „Silver Worker“ als auch das HR-Management die derzeitigen Schulungsprogramme als unzureichend erachten. In den geführten Interviews wurde ersichtlich, dass der Schulungsbedarf vieler „Silver Worker“ durch die bestehenden Programme nicht vollständig abgedeckt wird. Anstatt nur an formalen Schulungen teilzunehmen, präferieren sie zusätzliche direkte Gespräche mit Expertinnen und Experten in den jeweiligen Themengebieten oder den direkten Austausch mit Vorgesetzten. Es besteht ein großer Bedarf an strukturierteren Schulungsmaterialien und -methoden, wie beispielsweise detaillierte Broschüren und dokumentierte Arbeitsabläufe insbesondere bei technologischen Änderungen in den Einkaufsprozessen. Beispielsweise wurde von den Einkäuferinnen und Einkäufern hervorgehoben, dass praktische und lebensnahe Schulungsmethoden für die Einführung von Technologien effektiver sind als herkömmliche Kurse und das Aufzeigen der praktischen Vorteile der neuen Technologien die Weiterbildung erleichtert. Der langfristige Mehrwert der Veränderung und der Technologieimplementierung muss für die spezifischen Aufgaben erkennbar sein.

Aus- und Weiterbildung von „Silver Worker“ im Einkauf

Im Rahmen des bisherigen Projektes konnten elf Anforderungen identifiziert werden, die sich in die drei Bereiche der organisationalen Maßnahmen, Maßnahmen in der Identifikation und Maßnahmen in der Durchführung von Schulungsbedarfen clustern lassen. Diese dienen als drei Säulen für eine erfolgreiche Aus- und Weiterbildung von „Silver Worker“ im Einkauf und stellen Handlungsempfehlungen für Unternehmen dar, die es ermöglichen, Mitarbeitende über 50 Jahre verstärkt in die Trainingsprogramme einzubinden, um dem Wandel der Digitalisierung besser gerecht zu werden.

Auf Grundlage der Ergebnisse werden nun ein Online-Tool zur Kompetenzmessung sowie individualisierte Lernmaterialien erstellt, die als Open Source zur Verfügung gestellt werden und sich auf spezifische Kompetenzen im Kontext der Digitalisierung konzentrieren. Diese dienen als forschungsbasierte Impulse für die Schulungsentwicklung und -weiterentwicklung in der Industrie. Das Ziel ist, einen essenziellen Beitrag zur Bewältigung der spezifischen Herausforderungen und zur Nutzung der Stärken älterer Einkäufer/-innen zu leisten. Dadurch soll für die Unternehmen eine höhere Produktivität, Innovationskraft und allgemeine Mitarbeiterzufriedenheit ermöglicht werden.


Expertise

Das Projekt wird durch das Programm „Erasmus+“ mit der Fördernummer 2022–1-DE02-KA220-VET-000087018 gefördert und durch die TU Dortmund, die Uni Twente, die Lappeenranta University of Technology (Finnland) sowie die University of Economics in Bratislava durchgeführt.


Quellen:

  • European Commission (2024). 2024 Ageing Report: Economic and Budgetary Projections for the EU Member States (2022–2070), Institutional Paper 279
  • European Centre for the Development of Vocational Training (2010). The right skills for silver workers: An empirical analysis.

Bild: TU Dortmund

Matthias Braun

Wiss. MA am Lehrstuhl für Unternehmenslogistik an der TU Dortmund im Bereich des Einkaufs und Supply Managements. Seine Forschung fokussiert sich auf das Supply Chain Risikomanagement.


Bild: TU Dortmund

Florian Paffrath

Wiss. MA am Lehrstuhl für Unternehmenslogistik an der TU Dortmund im Bereich des Einkaufs und Supply Managements. Forschung: Management von Open-Source-Lösungen und Integrationsstrategien


Bild: Uni Twente

Dr. Vincent Delke

Ass. Prof. an der Uni Twente, Niederlande, im Bereich des Einkaufs- und Beschaffungsmanagement am European Laboratory – Innovative Purchasing and Supply (EL-IPS).

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