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Transformation im Einkauf

Dr. Erk Thorsten Heyen, Senior VP Procurement & Logistics (CPO), Wacker Chemie AG
Transformation geschafft!

Transformation geschafft!
Dr. Erk Thorsten Heyen, Senior VP Procurement & Logistics (CPO), Wacker Chemie AG. Bild: Wacker Chemie AG
Das Silicium von Wacker steckt in Kosmetikprodukten genauso wie in Halbleitern und Solarzellen. Seit fünf Jahren arbeitet Erk Thorsten Heyen mit seinem Team an der Transformation der Beschaffung des Spezialchemieunternehmens. Inzwischen laufen 99,5 Prozent des Beschaffungsvolumens über den globalen Einkauf. Auch digital ist der Einkauf hervorragend aufgestellt. Was auf dem Weg wichtig war, erzählt der CPO im Interview.

Beschaffung aktuell: Herr Dr. Heyen, bevor Sie 2009 zu Wacker kamen, waren Sie für Infineon tätig. Was haben die beiden Branchen (Chemie, Halbleiter) gemeinsam? Was konnten Sie mitnehmen?

Dr. Erk Thorsten Heyen: Den größten Teil des Umsatzes erzielt Wacker mit Silicium-Chemie. Wir sind ein weltweit führender Hersteller von silikon-basierten Produkten und auch von ultra-reinem Silicium, dem Hauptrohstoff für Halbleiter und Solarzellen. Insofern habe ich beim Wechsel von Infineon zu Wacker einen Schritt in Richtung Anfang der Wertschöpfungskette gemacht. Den Wechsel von der stark kundenorientierten Business-Unit-Leiter-Rolle in den Einkauf habe ich als ungemein bereichernd erlebt. Denn tatsächlich ist man ein erfolgreicherer Einkäufer, wenn man vorher im Vertrieb gearbeitet hat – und umgekehrt.

Wie ist der Einkauf bei Wacker organisiert?

Heyen: Wir sind als Matrix aus Kategorien und Regionen organisiert. An mich berichten vier sogenannte „Clusterleiter“, die jeweils die globale Einkaufsverantwortung für Rohstoffe, Energie, Technischen Einkauf und Allgemeinen Einkauf haben. Außerdem berichtet an mich der Leiter Procurement Excellence und der Logistikleiter, die ebenfalls global verantwortlich sind. In den Regionen gibt es jeweils Einkaufsteams, die ähnlich strukturiert sind. Aber es gibt ein paar Besonderheiten, die ich herausheben möchte: Erstens. Wir haben in allen Clustern keinen Standort-Einkauf mehr, sondern nur noch regionale Teams. Die regionalen Einkaufsteams kaufen jeweils für alle Standorte der Region ein.

Zweitens. Die Top-Rohstoffe der Geschäftsbereiche sind als separate Teams organisiert, die an den Leiter des Rohstoffeinkaufs berichten. Diese Organisationsform hat sich sehr bewährt, denn sie ermöglicht eine sehr enge Einbindung dieser Top-Rohstoff-Teams an die jeweiligen Geschäftsbereiche; und gleichzeitig können wir die global zentralisierte Einkaufsstruktur beibehalten. Drittens. Wir haben einen perfekten Datenwürfel: Alle Standorte verwenden die gleiche Warenklassenhierarchie und das gleiche SAP-System. 99.5 Prozent des globalen Einkaufsvolumens laufen über den Einkauf.

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Dr. Erk Thorsten Heyen will in den Vorketten bis 2030 die absoluten Treibhausgasemissionen um 25 Prozent senken.
Bild: Wacker Chemie AG

Der Einkauf bei Wacker hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Was haben Sie verändert und mit welchen Zielen?

Heyen: Es gab drei Schwerpunkte für Veränderungen in den letzten zehn Jahren: Erstens die Entwicklung eines starken Strategischen Einkaufs, der die jeweiligen Beschaffungsmärkte gut versteht und smarte Beschaffungsstrategien entwickelt. Zweitens die immer weiter fortschreitende Digitalisierung und Effizienzsteigerung. Und drittens den Aufbau eines professionellen Lieferantenmanagements, mit einem zunehmenden Schwerpunkt auf Nachhaltigkeitsthemen.

Dann lassen Sie mich gleich beim ersten Schwerpunkt nachfragen: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Strategischen Einkauf?

Heyen: Das Allerwichtigste sind die Strategischen Einkäufer selbst: Wir brauchen sehr unternehmerische Personen, die sowohl analytisch stark sind als auch geschickte Kommunikatoren und Verhandler – und außerdem noch interkulturell einsetzbar. Das ist eine seltene Kombination von Begabungen. Solche Mitarbeiter suchen und entwickeln wir ganz gezielt. Ebenso wichtig ist die systematische Organisation der strategischen Zusammenarbeit mit den Bedarfsträgern. Dafür haben wir je nach Kategorie unterschiedliche Organisationsformen. Aber überall finden mehrstufige Abstimmungs-Meetings statt: Die Bottom-up-Strategieentwicklung zwischen dem Einkauf und den Bedarfsträgern findet in sog. „Category Teams“ statt, die je nach Marktspezifika global oder regional zusammengesetzt sind. Und es gibt Management Alignment Meetings, oftmals auf mehreren Ebenen bis hinauf zum Vorstand. Dadurch hat der Einkauf ein gutes Verständnis für die strategischen Anforderungen der Geschäftsbereiche und ist frühzeitig in alle wichtigen Projekte eingebunden. Andererseits hat der Einkauf dadurch die Möglichkeit, die gesamte Organisation von sinnvollen Veränderungen zu überzeugen und diese durchzusetzen.

Wie sieht die Digitalisierungsstrategie des Einkaufs aus? Wo stehen Sie, wo wollen Sie hin?

Heyen: Schon seit vielen Jahren hat Wacker einen hohen Automatisierungsgrad von weltweit mehr als 70 Prozent mit einer automatischen Auslösung von Bestellungen aus Rahmenverträgen oder Katalogen. Das haben wir dadurch erreicht, dass wir die Möglichkeiten des klassischen SAP ausgereizt haben. Vor drei Jahren haben wir dann das Projekt Next Generation Procurement begonnen. Dabei haben wir eine Sourcing-Plattform und eine Guided-Buying-Plattform angebaut – übrigens von unterschiedlichen Anbietern. Inzwischen erreichen wir globale eRFQ-Quoten, das heißt Anteile größerer Ausschreibungen über die Plattform, von über 60 Prozent. Wir führen jedes Jahr eine dreistellige Zahl von Auktionen durch – teilweise mit erstaunlichen Ergebnissen. Bis zum Jahresende 2022 werden wir die klassische SAP-Bestellanforderung komplett abgeschafft haben und alle Bestellanforderungen über das Guided Buying routen. Das wird uns helfen, den User schnell auf den richtigen Einkaufskanal – Katalog, Rahmenvertrag, Ausschreibung – zu führen und den Anteil der Bestellungen bei unseren definierten „Preferred Suppliers“ noch weiter zu erhöhen. Und schließlich ist Procurement Analytics für uns ein ganz großes Thema: Wir haben eine Reihe von Dashboards aufgebaut, mit denen alle Einkäufer auf die für sie relevanten Daten jederzeit selbst zugreifen und Analysen durchführen können. Ebenso haben wir ein Dashboard, bei dem für alle Einkaufsziele die Zielerreichung in Echtzeit ablesbar ist und auf Regionen und Kategorien heruntergebrochen werden kann.

 

Portrait,_Dr._Erk_Thorsten_Heyen
Seit 2009 arbeitet Dr. Erk Thorsten Heyen für die Wacker Chemie AG.
Bild: Wacker Chemie AG

Was sind die Schwerpunkte des Lieferantenmanagements bei Wacker?

Heyen: Zunächst einmal braucht man eine klare Lieferantenstruktur: Wir haben etwa 600 Lieferanten als „Schlüssellieferanten“ definiert, in den drei Untergruppen A-, B- und C-Lieferanten. Für diese Schlüssellieferanten haben wir bestimmte Anforderungen definiert: Es gibt eine klar definierte Multi-Level-Beziehungsstruktur mit regelmäßigen Treffen auf mehreren Ebenen. Es gibt eine jährliche Lieferantenbewertung. Alle Schlüssellieferanten müssen sich einem Nachhaltigkeitsmonitoring unterziehen. Alle Schlüssellieferanten müssen sich bei unseren E-Procurement-Lösungen registrieren.

Da wir für das Lieferantenmanagement bis heute keine Softwarelösung am Markt gefunden haben, die unsere Anforderungen erfüllt, haben wir uns eine solche Lösung selbst gebaut. Hierfür konnten wir die heute gängigen Analytics Tools nutzen.

»Schon seit vielen Jahren hat Wacker einen hohen Automatisierungsgrad von weltweit mehr als 70 Prozent automatische Auslösung von Bestellungen aus Rahmenverträgen oder Katalogen.«

Welche Folgen hat die Transformation des Einkaufs für den Einkauf selbst, für Ihre Stakeholder? Wie nimmt man die Menschen mit? Management, Team, Fachbereiche?

Heyen: Ja, das ist natürlich das Allerwichtigste bei jedem Transformationsprozess. Wir bemühen uns, dies möglich gut zu machen, indem wir regelmäßige Top-Down-Kommunikation kombinieren mit Workshops und Webinaren, die von unserer Abteilung Procurement Excellence organisiert werden. Außerdem mache ich jeden Monat ein „Kaffeekränzchen“, bei dem ich im Laufe des Jahres mit den meisten Mitarbeitern sprechen kann. Wir machen auch jedes Quartal Mitarbeiterbefragungen. All das dient dem Ziel, dass die Führungskräfte und die für den Rollout neuer Systeme und Prozesse verantwortlichen Gruppen das Ohr nahe an der Mannschaft haben und möglichst gut verstehen, wo etwas fehlt und was angepasst werden muss. Das gelingt nicht immer – aber im Großen und Ganzen klappt es gut.

»Da wir für das Lieferantenmanagement bis heute keine Softwarelösung am Markt gefunden haben, die unsere Anforderungen erfüllt, haben wir uns eine solche Lösung selbst gebaut.«

Wenn der Einkauf sich verändert, ändern sich die Rollenprofile von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Wie gehen Sie mit diesen Veränderungen in Ihrer Organisation um?

Heyen: Wir haben in den drei großen Wacker-Regionen Europa, China und USA inzwischen den operativen Einkauf in jeweils einer separaten Einheit organisiert und damit die strategischen von den operativen Rollen getrennt. In dem Zuge haben wir auch alle Stellenbeschreibungen angepasst. Dabei wurde deutlich, dass die unternehmerisch-strategischen Anforderungen an die strategischen Einkäufer nicht immer zu den jeweiligen Menschen gepasst haben. Umgekehrt bin ich sehr beeindruckt, wie die Kollegen im operativen Einkauf ihre Arbeit anders organisieren als bisher und dabei eine viel bessere Arbeitsqualität schaffen als früher, zum Beispiel eine viel kürzere Bearbeitungszeit von der Bestellanforderung zur Bestellung, oder eine viel bessere Datenqualität oder saubere Prozesse zur Auftragsverfolgung. Im Laufe der Jahre sortieren sich dann die Mitarbeiter neu und bewegen sich auf Stellen, die gut zu ihnen passen.

Inwiefern hilft Ihnen die moderne Einkaufsorganisation in der Beschaffungs- und Energiekrise? Für welche Warengruppen ist die Umstellung besonders hilfreich?

Heyen: Der corona-bedingte Einbruch der Nachfrage im Q2/2020 hat nur drei Monate gedauert. Wir hatten bis vor wenigen Wochen eine zwei Jahre währende Dauer-Boom-Konjunktur. Viele unserer Lieferanten operierten am Kapazitätslimit, ebenso die Seefrachtunternehmen, die Bahn oder die Hafenstrukturen. Trotzdem war der rohstoff- oder logistikbedingte Umsatzausfall äußerst gering. Dies war nur möglich, weil wir in den vorangegangenen Jahren eine gute Strategiearbeit geleistet haben: Wir haben für fast alle Materialien mehrere qualifizierte Lieferanten. Wir haben einen guten Anteil an langfristig vertraglich gesicherten Beziehungen zu unseren Schlüssellieferanten. Dort haben uns auch oft die guten Management-Kontakte sehr geholfen, um schnell pragmatische Lösungen zu finden. Wir managen die Sicherheitsbestände systematisch. Und trotzdem: Die letzten zwei Jahre waren für viele im Einkauf ein nicht enden wollender Kampf mit ständigem Exception Management. Die Mitarbeiter hatten aber die Freiheit, in diesen Situationen schnell und eigenständig zu entscheiden.

»Bei Großhandelspreisen für Erdgas und Strom wird vieles anders sein als zuvor. Gleichzeitig spüren wir, dass die Phase der Boom-Konjunktur mit Knappheit von Material und Logistikkapazitäten ihrem Ende zu geht. Viele Rohstoffpreise sinken und die Lieferzeiten sinken auch, zumindest bei Rohstoffen.«

Wie gut ist Ihre Organisation im Risikomanagement aufgestellt?

Heyen: Bereits vor zehn Jahren haben die großen Chemieunternehmen die Initiative „Together for Sustainability“ (kurz: „TfS“) gegründet. Inzwischen hat TfS 37 Mitglieder aus Europa, USA und Asien. Die drei Grundprinzipien sind ganz einfach: Erstens haben wir uns auf gemeinsame Protokolle für Audits und Fragebögen zur Selbstauskunft geeinigt. Zweitens arbeiten wir mit einem anerkannten unabhängigen Rating-Provider zusammen. Und drittens sind Auditergebnisse eines Lieferanten immer für alle TfS-Mitglieder sichtbar: „An audit for one is an audit for all.“ Dieses Vorgehen hat dazu geführt, dass wir inzwischen über 80 Prozent unserer globalen Ausgaben (alle Kategorien) mit Lieferanten haben, für die ein Nachhaltigkeits-Rating vorliegt. Damit sind wir bestens vorbereitet auf die Anforderungen des neuen Lieferkettengesetzes in Deutschland sowie der kommenden EU-Gesetzgebung. Wir mussten nur noch eine Komponente hinzufügen: Alle strategischen Einkäufer dokumentieren in unserem Supplier-Management-Tool auf Basis der vorliegenden TfS-Informationen, welche Nachhaltigkeitsrisiken sie in der Lieferkette sehen und welche Strategieänderungen gegebenenfalls erforderlich sind. Diese Konsequenzen werden dann wieder in die Strategiedurchsprachen mit den Stakeholdern eingebracht.

Eine resiliente Lieferkette braucht eine End-to-End-Betrachtung. Sind die digitalen Voraussetzungen hierfür bereits geschaffen? Haben Sie ausreichend Daten?

Heyen: Eine perfekte Transparenz über die vorgelagerten Lieferketten ist natürlich der Traum eines Einkäufers. Aber in den meisten Branchen wird das wohl ein Traum bleiben – schon allein, weil die meisten Unternehmen ihren Kunden ihre Lieferantenstruktur oder die Details ihrer vorgelagerten Lieferprobleme nicht offenlegen wollen. Außerdem ist es bei den meisten wirklich gravierenden Lieferkettenproblemen doch so, dass kein digitales Tool sie hat vorhersehen können – weder den Krieg in der Ukraine, noch Corona, noch den Eissturm Uri in Texas im Februar 2021, der den größten Teil der US-Chemieindustrie für mehrere Wochen ausgeschaltet hatte. Deshalb ist es aus meiner Sicht viel wichtiger, dass die strategischen Einkäufer ihre jeweiligen Beschaffungsmärkte gut kennen, sich mit strukturellen Risikoanalysen und Strategien gut vorbereiten und dann – vor allem – sehr schnell und unternehmerisch reagieren, wenn Probleme entstehen.

Auch die interne Abstimmung von Vertrieb, Produktion, Einkauf und Logistik muss stimmen. Wie sieht der S&OP-Prozess bei Wacker aus?

Heyen: In vielen Branchen besteht die Produktion darin, dass eine definierte Menge von Einzelteilen zusammengebaut wird. Dort ist es relativ einfach, aus einer Vertriebsplanung eine Produktionsplanung und daraus wieder eine Einkaufsplanung zu machen und dies auch weitgehend zu automatisieren. In der Chemie ist es anders: Denn bei jeder chemischen Reaktion fallen auch jede Menge Nebenprodukte an, die wiederum aufgefangen und weiter prozessiert werden. Dadurch ist die Produktion kein linearer Prozess, sondern ein Verbundnetz vieler Prozesse. Dies ist leider so komplex zu beplanen, dass es bei den meisten Chemieunternehmen noch ziemlich manuell erfolgt. Wacker nimmt jetzt einen Anlauf, eine integrierte Produktionsplanung in einem einheitlichen System aufzubauen. Dort sollen auch Einkaufsprozesse und Logistikprozesse direkt integriert werden, so dass beispielsweise Rohstoffbestellungen oder Frachtaufträge automatisch generiert werden können. In drei Jahren wollen wir diese Vision realisieren.

Inwiefern haben sich Ihre Einkaufsziele in Bezug auf eine nachhaltige Beschaffung (ESG-Ziele, CO2-Neutralität in der Lieferkette) verändert?

Heyen: Wie schon gesagt: Nachhaltigkeitsziele im Sinne von sauberem Geschäftsgebaren, der Einhaltung von Menschenrechten und dem Schutz der Umwelt hat Wacker schon seit vielen Jahren – insbesondere seit Wacker bei Together for Sustainability (TfS) beigetreten ist. Neu hinzugekommen sind in den letzten Jahren ganz konkrete CO2-Emissionsziele: Wir wollen unsere Scope-3-Emissionen bis 2030 um 25 Prozent reduzieren. Dieses strategische Oberziel triggert dann natürlich operative Einzelziele, beispielsweise die Erhebung von Product Carbon Footprints (PCF) unserer Lieferanten, die Durchsprache oder Zertifizierung der PCFs, die partnerschaftliche Diskussion von Handlungsoptionen zur Senkung der PCFs und so weiter.

»Tatsächlich ist man ein erfolgreicherer Einkäufer, wenn man vorher im Vertrieb gearbeitet hat – und umgekehrt.«

Wie lässt sich der Beitrag des Einkaufs zur Nachhaltigkeit und an der Innovation eines Unternehmens messen? Haben Sie hierfür die richtigen KPI? Andere als zuvor?

Heyen: Ziele sollten konkret und messbar sein und einen direkten Bezug zur Unternehmensstrategie haben. Ich beobachte eine aus meiner Sicht beklagenswerte Tendenz, dass Unternehmen sich mit immer mehr „Nachhaltigkeits-Zertifikaten“ als gut und grün darstellen. Letztlich sind die zwei wesentlichen Fragestellungen doch nur „wie viel CO2-Emissionen?“ und „triffst du angemessene Vorkehrungen gegen Menschenrechtsverletzungen in deiner Lieferkette?“. Bei Wacker haben wir diese beiden Themen in unseren Nachhaltigkeitszielen ganz nach vorne gestellt: Es gibt CO2-Ziele und ein Ziel zur konsequenten Umsetzung des TfS-Konzepts.

Mit welchem Blick schauen Sie persönlich auf das kommende Jahr?

Heyen: Gerade für uns in Europa ist absehbar, dass die extrem hohen Gaspreise und Strompreise Privathaushalten und Unternehmen eine große Flexibilität abverlangen werden. Bei Großhandelspreisen für Erdgas und Strom, die sich im Vergleich zum vergangenen Jahr vervielfacht haben, wird vieles anders sein als zuvor. Gleichzeitig geht seit wenigen Monaten die Phase der Boom-Konjunktur mit Knappheit von Material und Logistikkapazitäten ihrem Ende zu. Viele Rohstoffpreise sinken und die Lieferzeiten sinken auch, zumindest bei Rohstoffen. Meine persönliche Lebenserfahrung ist aber, dass die Mechanismen der Marktwirtschaft gut funktionieren. Menschen passen sich intelligent und flexibel an neue Situationen an. Letztlich geht es den allermeisten Menschen auf der Welt heute viel besser als es durchschnittlich vor 20 oder 50 Jahren der Fall war. Deshalb bin ich, solange der Frieden in Mitteleuropa erhalten bleibt, grundsätzlich sehr optimistisch.

Die Fragen stellte Annette Mühlberger, Journalistin.


Erk Thorsten Heyen

Dr. Erk Thorsten Heyen startet nach Physik-Studium an der LMU München und Promotion am Max-Planck-Institut seine berufliche Karriere bei McKinsey und dem Bertelsmann-Konzern, dort in verschiedenen Managementfunktionen im Bereich Finance und der strategischen Geschäftsentwicklung. 2003 wechselte er zum Halbleiterhersteller Infineon, zunächst als Business-Unit-Leiter für Mobilfunkchips, ab 2005 als Corporate VP Strategy und M&A. Seit 2009 ist Heyen für Wacker Chemie tätig. Bis 2017 verantwortet er zunächst das Marketing und den Vertrieb des Geschäftsbereichs Wacker Polysilicon, dann als Senior VP den Einkauf von Rohstoffen und Energie. Seit fünf Jahren ist er global für Einkauf und Logistik des Chemieunternehmens verantwortlich.


Wacker Chemie

Die Wacker Chemie AG hat ihren Hauptsitz in München und ist ein weltweit operierendes Spezialchemieunternehmen. Rund 70 Prozent des Umsatzes erzielt Wacker mit Produkten aus dem Grundstoff Silicium. Für die restlichen 30 Prozent kommt überwiegend Ethylen zum Einsatz. Wacker-Produkte (Silikone, Polymere, Polysilicium, Biotechnologie) befinden sich in Kosmetika genauso wie in Solarzellen, Halbleitern und Arzneimitteln. Automobil- und Bauindustrie (Bindemittel) sind ebenfalls große Abnehmerbranchen. 2021 erwirtschafteten 14.400 Mitarbeitende 6,21 Mrd. Euro Umsatz.

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