Was dabei herauskommt, wenn man 80 Führungskräfte aus 50 Unternehmen einen Tag lang miteinander arbeiten lässt, zeigt das 1. Summit der Zukunftswerkstatt (ZKW) Einkauf & Supply Chain. Diskutiert wurden die Herausforderungen des Einkaufs im Spannungsfeld von Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Resilienz.
Wenn Führungskräfte aus unterschiedlichsten Unternehmen und Branchen für einen Tag zusammenkommen, gemeinsam arbeiten und diskutieren, dann ist Zukunftswerkstatt. Beim ersten ZKW-Summit für Einkauf & Supply Chain ging es um die ziemlich große Frage, wie nachhaltige Beschaffung ökonomisch funktioniert. Sabine Schulz-Rohde, verantwortliche Redakteurin von Beschaffung Aktuell, moderierte den Auftakt.
ZKW-Summit in Bonn: Die tradierten Wege verlassen
Die Beschaffung muss viele Gegensätze auflösen, um wirtschaftlich, nachhaltig und resilient einkaufen zu können. Die Lösungen der Zukunft ergäben sich nicht aus den bekannten Vorgehensweisen, mahnt amc-Beirätin Prof. Dr. Lisa Fröhlich zum ZKW-Auftakt: „Mit Effizienzsteigerung wird der Einkauf die Transformation nicht schaffen. Effizienz und Effektivität müssen eine neue Balance“, fordert sie. Hierfür müsse der Einkauf ins Zentrum der Wertschöpfung (Fröhlich: „Porters Value Chain funktioniert nicht mehr!“), neue Geschäftsmodelle und mehr Kollaboration in der Supply Chain etablieren: „Die Transformation gelingt nur gemeinsam“, erklärt die Expertin für nachhaltige Beschaffung auf dem Summit in Bonn.
Raus aus der Effizienzfalle
Die Lieferkrisen haben zu einem Umdenken geführt: „Resiliente Liefernetzwerke brauchen Zusammenarbeit, an dieser Stelle hat der Einkauf den reinen Effizienzpfad zugunsten der Effektivität bereits verlassen“, sagt Florian Heller, Senior Vice President SCM, Logistic & Operations der Deutz AG. Dass Resilienz nicht ohne Nachhaltigkeit funktioniert, war eine wichtige Erkenntnis des Bonner Dialogs. „Nachhaltige Ziele müssen auch von den Unternehmenszielen und den Shareholdern getrieben werden, damit sie der Einkauf in der Lieferkette konsequent umsetzen kann“, beschreibt Florian Heller die Voraussetzungen.
Vieles wird bereits umgesetzt. „Die ersten wichtigen Schritte in Richtung nachhaltige Beschaffung sind gemacht“, erklärt der Gründer und Managing Partner der amc-Group, Andreas Pohle, und fordert Einkäufer und Einkäuferinnen dazu auf, den pragmatischen Ansatz weiter zu verfolgen: „Verlieren Sie sich nicht im Detail, konzentrieren Sie sich auf die großen Hebel.“
Deep-Dive mit den Lieferanten
Nachhaltigkeit ist mehr als Elektromobilität und Solar auf dem Dach, auch das wird in den lebhaften Diskussionen auf der Godesburg klar: „Es ist ein Puzzle, wichtig ist, dass man anfängt und mit den Lieferanten in den Dialog tritt“, beschreibt Nachhaltigkeitsmanagerin Tabea Münch, Atruvia AG, den nicht immer einfachen Prozess. Davon profitiert der Einkauf: „Wir pflegen einen regelmäßigen Austausch mit unseren für die Transformationen wichtigen Partnern und ich kann nur sagen, dass wir aus jedem dieser Gespräche etwas mitnehmen“, bestätigt Stefan Unger, Director Supply Chain Management, Carl Zeiss SMT GmbH. Die eine Lösung, die überall funktioniere, gebe es nicht, bemerkt Yasha Tarani von The Climate Choice: „Die Expertise für Klimaneutralität in ihrer Lieferkette müssen Unternehmen gemeinsam erarbeiten.“ Tarani hat hierfür die Scope 3 Action Group ins Leben gerufen.
Der Einkauf will etwas verändern
Den Sinn nachhaltigen Wirtschaftens stellt längst niemand mehr in Frage: „Der Mindshift hat stattgefunden. Wir haben unglaublich viele Menschen im Unternehmen die Lust haben sich einzubringen“, sagt Marcus Schumacher, Leiter Supply Chain Management von Gerolsteiner Brunnen. Gleichzeitig verweist er auf die Ressourcen, die für die Umsetzung in der Praxis erforderlich sind. Zeit und Menschen, die den Wandel mitgestalteten, seien zentrale Faktoren, damit die Transformation gelingt.
Die neue Ökonomie braucht Innovationen
Eine neue Ökonomie der Beschaffung ist entstanden, bei der Savings alleine nicht mehr zählen. Um Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit in ein Gleichgewicht zu bringen, brauche es „manchmal bewährte Ansätze, manchmal aber auch den Mut alternative Beschaffungswege zu gehen“, sagt Jens Berberich, Director Procurement, Logistics & Sustainability der Radeberger Gruppe. So kauft Radeberger mittlerweile nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern auch für wichtige Lieferanten Energie ein: „Davon profitieren wir kostenseitig und mit Blick auf Nachhaltigkeit“, beschreibt er die Vorteile des Second-Level-Sourcings. Auch Stefan Unger beobachtet, dass Nachhaltigkeit, wenn Unternehmen an den richtigen Stellen ansetzten, kostendämpfend wirke. „Die Zusammenarbeit in der Lieferkette schärft den Blick für Innovationen“, erklärt der Supply Chain Manager.
Um den Wandel extern wie intern zu forcieren, muss der Einkauf Brücken bauen. „Transformation braucht crossfunktionale Zusammenarbeit“, weiß Lorenz Kleinert, Partner von amc. Nachhaltige Beschaffung verändere die gesamte Organisation: „Umso wichtiger ist es, die Aufgaben und Ressourcen im Einkauf anzupassen und Klarheit über Schnittstellen, Rollen und Funktionen zu schaffen“, sagt Kleinert.
Resilienz ist mehr als Risikomanagement
Prof. Dr. Florian Kleemann fordert von Einkauf und SCM Beweglichkeit: „Resiliente Lieferketten brauchen Robustheit und Agilität“, erklärt er. Florian Heller nennt Flexibilisierungspotenziale etwa in der Freigabe alternativer Lieferanten oder Bauteile – ein Prozess, der in vielen Industrien sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Seine Erfahrung: „Resilienz erfordert einen ganzheitlichen Blick, der deutlich über das klassische Risikomanagement hinausgeht.“
Digitalisierung als wichtiges Werkzeug
Der Einkauf im Zentrum der Wertschöpfung: Die Forderung von Keynote-Speakerin Lisa Fröhlich zu Beginn des ZKW-Summits bestätigt sich im Diskussionsverlauf immer wieder. Auch im crossfunktionalen S&OP-Prozess wird die Beschaffung eine noch maßgeblichere Rolle spielen müssen. Die Digitalisierung ist das zentrale Werkzeug, damit die Umsetzung in der Praxis gelingt. Tools gebe es genug, betont Fabian Kittel, Partner und Digitalisierungsexperte bei amc. Erst durch den digitale Support könne der Einkauf zu dem Gestalter werden, den die Unternehmen für die Transformation dringend brauchen. (am)