Der Kölner Zuckerhersteller Pfeifer & Langen startete 2016 mit der Transformation seines Einkaufs. In diesem Beitrag erfahren Sie die wichtigsten Schritte auf dem Weg zu reifen, digitalen Prozessen, zu E-Procurement und Business Intelligence (BI) im Einkauf.
Dass der Gelierzucker 1965 in Köln erfunden wurde, ist eine Anekdote der Geschichte, die nicht nur Besitzerinnen von Obstbäumen und Pächter von Gartenparzellen interessiert. Denn der Zuckerhersteller Pfeifer & Langen produziert viel mehr als das bekannte Gelier- und Süßungsmittel. Allein 1,7 Millionen Kubiktonnen Zucker stellte das Unternehmen 2020 her, verarbeitet wurden hierfür 11,5 Millionen Tonnen Zuckerrüben. Das Unternehmen hat Werke in ganz Europa. Das Geschäft rund um den Zucker ist komplexer, seit die EU die Zuckermarktordnung 2006 und 2013 reformierte und 2017 praktisch abschaffte. Der neue Wettbewerb führte zu einem Umdenken – auch im Einkauf.
2016 startete die Transformation. Das Ziel: Organisation, Struktur und Prozesse zu einem modernen zukunftsfähigen Einkauf zu entwickeln. Das Aufgabenpaket umfasste alle strategischen, taktischen und operativen Tätigkeiten im Einkauf. Insbesondere die operativen Abläufe waren im Pfeifer & Langen-Einkauf bis dato eher manuell, selbst das Fax hatte an manchen Stellen noch nicht ausgedient. Alternativ kreisten die Bestellungen – wie so oft im mittelständischen Einkauf – als PDF zwischen Bedarfsträgern, Genehmigern und Einkauf. Mit dem entsprechenden Aufwand für alle Beteiligten.
Digitalisierung des operativen Einkaufs
Startpunkt war deshalb ein Digitalisierungsprojekt für den P2P-Prozess mit dem Ziel, alle Vorgänge von der Bestellung bis zur Wareneingangsbuchung komplett zu digitalisieren. Die Toolauswahl lief mustergültig, das heißt sehr systematisch auf Basis einer zuvor in Workshops erarbeiteten Prozesslandkarte. Von der Longlist zur Shortlist gingen schließlich vier Anbieter in den Proof of Concept.
Proof of Concept: Alle Beteiligten einbinden
Entscheidend für den Erfolg und die gute Akzeptanz der Tools, das lässt sich rückblickend sagen, war, dass sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unterschiedlichen Funktionen in den Auswahlprozess einbezogen waren. Schließlich kommt die operative Erleichterung durch die Digitalisierung der Beschaffung ja nicht nur dem Einkauf zu Gute, sondern dem gesamten Unternehmen. Und dieser Nachweis ließ sich durch die Einbindung tatsächlich aller Prozessbeteiligten bereits im Vorfeld erbringen.
Neben dem E-Procurement-Modul der verschiedenen Anbieter gingen außerdem Module für Sourcing, SRM und Vertragsmanagement in die Ausschreibung. Ziel des neuen digitalen Bestellprozesses: Nur die Freigabe wird aktiv durch die Genehmiger erteilt, alles andere ist komplett automatisiert. Seither verhandelt der Einkauf die Standardleistungsverzeichnisse sowie Rahmenverträge und die Bestellungen laufen nach dem Prinzip No-Touch über die angebundenen Kataloge. Damit liegt der operative Einkauf bei Pfeifer & Langen im heutigen digitalen, automatisierten Standard.
Vorreiterfunktion mit Business Intelligence
Eine Vorreiterfunktion nimmt der Einkauf im Bereich Spendanalyse ein. Hier setzt das Unternehmen auf die Lösung Power BI von Microsoft. Die Dashboards hat der Einkauf mit Hilfe des Inputs von amc selbst entwickelt. Das BI ist komplett in die Systemlandschaft integriert. Auch andere Abteilungen nutzen die Vorteile von Business Intelligence und erarbeiten sich Dashboards für ihre eigenen Zwecke. Insofern kann der Einkauf tatsächlich eine technologische Vorbildfunktion für ein Unternehmen einnehmen, wenn er seine Abläufe, Aufgaben und Funktionen digitalisiert.
Wichtig beim Thema BI: Jede Abteilung, also auch HR oder Finance, sollte für die Weiterverarbeitung einen sogenannten „Data-Owner“ benennen. Sollen die (vom Einkauf verantworteten) Bestelldaten später mit Daten aus anderen Abteilungen angereichert werden, erleichtert das die crossfunktionale Zusammenarbeit, den Datentransfer und die Interpretation der vorhandenen Datenstrukturen.
Anforderungen des Lieferkettengesetzes erfüllt
Auch die Anforderungen des Lieferkettengesetzes ab 2023 lassen sich systemseitig umsetzen, indem Lieferanten automatisiert so abgefragt werden, dass im Idealfall ein Großteil der Anforderungen bereits in der Qualifikationsphase erfüllt sind. Hinzu kommen Realtime-Informationen aus den weltweit verfügbaren Quellen des Internets.
Vorausschauende Bedarfsplanung
Interessant sind die Entwicklungen im Bereich Predictive Maintanance. Für Pfeifer & Langen spielt insbesondere in der Zeit der Rübenernte die Einsatzfähigkeit der Maschinen und Anlagen eine entscheidende Rolle. Welche Ersatzteile, Betriebsmittel, Wartungen und Services zu welchem Zeitpunkt wahrscheinlich benötigt werden, diese Informationen haben alle Unternehmen in ihren ERP-Systemen. Genutzt werden die Daten allerdings meist nur für eine Retrospektive, nicht aber für eine Prognose und Bedarfsvorhersage. Aktuell läuft bei Pfeifer & Langen deshalb ein Pilotprojekt, das genau diesen Vorteil der vorausschauenden Planung ermitteln soll. Der Vorteil: Gespräche mit Lieferanten können frühzeitg erfolgen, Zukunfsthemen im Vorfeld adressiert und Bedarfe längerfristig geordert und bestellt werden. In Zeiten von Materialknappheit ist dies ein entscheidener Schritt in Richtung einer resilienten Beschaffung.
Die Autoren:
Felix Wader, Pfeifer & Langen
Joachim von Lüninck, amc-Group