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Einkaufsorganisation im Fokus

Die 10 Prozess-Gebote für eine resiliente Beschaffung
Einkaufsorganisation im Fokus

Einkaufsorganisation im Fokus
Allein im Einkauf (ohne SCM) gibt es 49 Teilprozesse und 10 Service-Funktionen. Die Gesamtsicht auf alle Teilprozesse ist entscheidend, denn digitale Geschäftsprozesse bedingen sich gegenseitig. Bild: Monster Ztudio/stock.adobe.com

Die Krise legt die Schwachstellen offen – auch in der Prozesslandschaft des Einkaufs. Selten war so klar, welche Abläufe überarbeitet und neu gedacht werden müssen. Was es auf dem Weg zu mehr Prozess-Resilienz im Einkauf zu beachten gilt, zeigt die Zukunftswerkstatt Einkauf & Supply Chain.

Die Beschaffung steht im Mittelpunkt des Supply Networks. Aus dieser Funktion heraus kann der Einkauf die Prozesslandschaft im gesamten Unternehmen modernisieren und optimieren. Reife, standardisierte, gemanagte und resiliente Abläufe sind schon immer ein Anliegen des Einkaufs.

Jetzt, in der Beschaffungskrise, die schonungslos die Schwachstellen in den Liefer- und Leistungsprozessen offenlegt, hat der Einkauf die Chance sein Prozessknowhow an den richtigen Stellen einzubringen und das Spiel zu seinen und damit zu Gunsten des Gesamtunternehmens zu drehen.

Herausforderung für den Einkauf

Nicht umsonst sehen Einkäuferinnen und Einkäufer 2022 die Prozessoptimierung als eine der großen Herausforderungen der Beschaffung in den kommenden zwei bis drei Jahren. Zahlreiche Abläufe, die bis vor kurzem noch gut funktionierten, erweisen sich nach zweieinhalb Krisenjahren als suboptimal bis hinderlich. „Beschaffungsprozesse brauchen einen regelmäßigen Checkup, heute gilt das umso mehr“, lautet das Fazit einer Teilnehmerin der Zukunftswerkstatt.

Für uns bei amc war genau dieser Transformationsbedarf ein Grund mit der Zukunftswerkstatt Einkauf & Supply Chain in diesem Jahr zu starten. Aus Sicht der Teilnehmer (das Stimmungsbild stammt aus den ersten Workshops im Mai) sind drei Punkte für die Prozessmodernisierung im Einkauf entscheidend:

  1. Kenne deine Stakeholder.
  2. Kommuniziere den Mehrwert neuer Prozesse deutlich.
  3. Binde alle Prozessbeteiligten frühzeitig ein.

„Wandel passiert nur, wenn ich die Vorteile sehe“, erklärte amc-Beirätin Prof. Dr. Lisa Fröhlich in der amc-Experten-Konferenz. Ihr eindringlicher Appell an das Einkaufsmanagement: „Schaffen Sie Raum und Verständnis für Innovation, nehmen Sie Ihre Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und Stakeholder mit. Nutzen Sie die Krise für Fortschritt. Fallen Sie nicht zurück in alte Muster. Positionieren Sie den Einkauf neu.“

„Zum Glück haben wir uns im Einkauf nicht vom Kurs abbringen lassen und uns unter anderem mit der amc 2020 auf den Weg gemacht, unsere Strategie zu prüfen und eine Reifegradmessung zu machen. Ich verantworte seit 2022 neben dem Einkauf auch die Logistik. Und in diesem Setup haben wir nun unter anderem geprüft, welche strategischen Funktionen brauchen wir, haben drei neue Leadfunktionen geschaffen, um den indirekten, aber auch den direkten Einkauf und das Frachtmanagement aufzuwerten.“

Jens Berberich, Director Procurement, Logistics & Sustainability Radeberger Gruppe

Warum Silodenke im Einkauf out ist

Dabei kristallisiert sich heraus: In der Dauerkrise wird Prozessexzellenz zum Gamechanger für mehr Resilienz in den Lieferketten. Beschaffungs- und Lieferprozesse dürfen nicht mehr isoliert betrachtet, sondern müssen vernetzt vom Kunden bis zum Lieferanten und über alle Abteilungen hinweg gedacht werden. Dazu gehört die Verbindung zum Vertrieb genauso wie der Draht zum Tier-N im Liefernetzwerk. „Alle im Unternehmen arbeiten auf ein gemeinsames Ziel hin“, erklärt amc-Beirat Mike Niessen im Panel. Die Silodenke gehört damit (hoffentlich) der Vergangenheit an.  

So schnell geht’s dann doch nicht: Selbst in einer Dekade rechnen Einkäuferinnen und Einkäufer noch damit, dass nicht alle Beschaffungsprozesse in ihren Unternehmen vollständig digital sind. Umfrageergebnis aus Workshops der Zukunftswerkstatt Einkauf & Supply Chain. Grafik: amc-Group
So schnell geht’s dann doch nicht: Selbst in einer Dekade rechnen Einkäuferinnen und Einkäufer noch damit, dass nicht alle Beschaffungsprozesse in ihren Unternehmen vollständig digital sind. Umfrageergebnis aus Workshops der Zukunftswerkstatt Einkauf & Supply Chain. Grafik: amc-Group

Warum es so nicht weitergeht

Die Schwachstellen werden im Alltag deutlich. Selbst wenn es Prozessvorgaben gibt, werden diese (in den Fachbereichen, von den Bestellern und im Einkauf selbst) oft nicht gelebt. Auch die alten Probleme in die neue digitale Welt mitnehmen, war noch nie eine gute Idee. Hinzu kommt, dass Versorgungssicherheit, Technologiewandel, immer kürzere Produktlebenszyklen, Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung die Anforderungen an das Lieferanten- und Risikomanagement verändern.

Warum es auf alle Teilprozesse des Einkaufs ankommt

Allein im Einkauf gibt es 49 Teilprozesse und 10 Service-Funktionen. Darunter fallen alle strategischen, taktischen und operativen Prozesse wie Innovationsmanagement, Strategieentwicklung, Lieferantenmanagement, Sourcing, Contract- und Lifecycle-Management, Beschaffungsprozesse und Bestandsmanagement. Die Gesamtsicht auf alle Teilprozesse ist entscheidend, denn (digitale) Geschäftsprozesse bedingen sich gegenseitig. Dabei entfalten nur reife, standardisierte Prozesse das volle Potenzial der Digitalisierung.

Digitale Basis, aber richtig

Digitale Tools werden vielfach unter der Annahme eingeführt, dass die gelebten Prozesse mehr oder weniger in das neue System gepackt werden und man damit wie vorher weiterarbeitet. Das ist aber nicht so. Außerdem sind die Module nicht befüllt. Eine E-Procurement-Lösung ist wie Excel. Da gibt es keine fertigen Tabellen oder Formeln, das System ist „ab Werk“ nicht auf den eigenen Bedarf konfiguriert bzw. programmiert. Um ein Zuviel an Aufwand zu vermeiden, ist es deshalb hilfreich, die neuen Sollprozesse möglichst nah an dem anzulehnen, wie die typischen Systeme heute arbeiten.

10 Gebote für exzellente Einkaufsprozesse

  1. Hinterfragen Sie alles
    Überlegen Sie bei allen Prozessen: Geht es einfacher, effektiver, schneller? Verabschieden Sie sich von alten Zöpfen, werfen die Ballast ab.
  2. Nutzen Sie die Konzeptphase
    Zahlreiche Digitalprojekte scheitern an einem missglückten Prozess-Bauplan. Nutzen Sie das Wissen aller verfügbarer Experten und Expertinnen. Und: Bringen Sie all Ihr Know-how auf den Tisch. Es wird gebraucht!
  3. Arbeiten Sie mit einer guten Prozess-Logik
    49 Teilprozesse und 10 Service-Funktionen gibt es allein im Einkauf. amc hat sie in ein Funktionsmodell des Einkaufs gepackt. Diese bewährte Prozess-Logik können Sie nutzen!
  4. Untergliedern Sie Ihre Abläufe
    Je feiner Sie Ihre Prozesse im Einkauf untergliedern, desto besser lassen sich einzelne Abläufe von digitalen Modulen unterstützen und desto weniger Anpassungsaufwand entsteht. Nutzen Sie diesen Vorteil! Er spart Zeit, Geld und Nerven.
  5. Starten Sie operativ
    Die operative Beschaffung ist über Katalogmanagementsysteme, automatisierte Bedarfsanforderungen und Bestellungen in vielen Unternehmen weitgehend digitalisiert. Sollte das nicht der Fall sein oder Ihre Lösung nicht überzeugen, starten Sie mit der Digitalisierung dort! Nirgendwo sonst erzielen Sie größere Prozesseffekte, gewinnen mehr Kapazität und realisieren schneller verhandelte Savings.
  6. Entzerren Sie Aufgaben
    Entzerren Sie den strategisch-taktischen Einkauf. Abläufe wie Sourcing, Ausschreibung, Verhandlung, Lieferantenmanagement verschwimmen im Warengruppenmanagement stark. Definieren Sie diese Aufgaben getrennt voneinander und beschreiben Sie sie im Detail. Dann können Sie die einzelnen Jobs im Zuge der Digitalisierung später neu bündeln.
  7. Denken Sie in Arbeitspaketen
    Machen Sie Mitarbeiter zu Product Ownern und Experten für Teilprozesse, die sich digital gut abbilden lassen. Beispiele sind crossfunktionale Prozesse wie das Innovationsmanagement, Sourcing über den Projekteinkauf oder eine warengruppenübergreifende RFX-Factory.
  8. Starten Sie dort, wo es lohnt
    Wo erwarten Sie die besten und schnellsten Effekte? Starten Sie dort! Viele Teilschritte, etwa die Anforderung und Auswertung von Lieferantenbewertungen, lassen sich simpel automatisieren. Oder Sie effektivieren Ihren Sourcingprozess, indem Sie Ausschreibung (eRFX) und Verhandlung (eAuctions) digitalisieren und automatisieren. Starten Sie schrittweise, mit überschaubaren, zeitnah zu realisierenden Projekten.
  9. Fliegen Sie nicht gleich zum Mars
    Moderne eProcurement-Systeme bieten gute Standardmodule und Funktionsbaupläne, auf denen Sie mit Ihren Abläufen aufsetzen können. Wenn Sie sich in Ihrem Bauplan an der modularen Funktionslogik der IT orientieren, digitalisieren Sie schneller und einfacher. eProcurement ist keine Marsmission. Es sind herausfordernde Projekte, aber die Technologie ist da. Berücksichtigen Sie das in Ihrem Konzept von Anfang!
  10. Binden Sie alle ein
    Die Digitalisierung des Einkaufs betrifft das gesamte Supply Network. Fragen Sie alle und binden Sie alle ein! Die Maxime: Der Einkauf baut das neue Prozesshaus gemeinsam mit allen Stakeholdern. Alle Wünsche sind erlaubt und können vorgebracht werden. Machbarkeit und Sinnhaftigkeit werden dann gemeinsam diskutiert.

Der Autor:

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Joachim von Lüninck, Gründer und Managing Partner von amc.
Bild: amc

Joachim von Lüninck, Managing Partner amc-Group,  www.amc-group.de

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