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Lieferkettengesetz und nun?

ESG als zentrales Thema des Einkaufs
Lieferkettengesetz und nun?

Lieferkettengesetz und nun?
„Noch nie hat sich der Einkauf so intensiv mit seinen Lieferketten auseinandergesetzt. Es ist sehr gut möglich, Transparenz in den Lieferketten zu schaffen, die wesentlichen Hebel für den Einkauf zu erkennen und Nachhaltigkeit im Beschaffungsalltag zu verankern“, meint Yvonne Jamal. Bild: erika8213/stock.adobe.com
Wie es im Anschluss an das LkSG und mit Blick auf die kommende ESG-Regulatorik im Einkauf weitergeht, diskutierten Maximilian Droste, Yvonne Jamal und Tabea Münch in der jüngsten amc-Zukunftswerkstatt mit mehr als 70 Gästen.

Der Einkauf positioniert sich neu. Mit Blick auf Nachhaltigkeit, mit Blick auf Klimaziele sowie auf die Sorgfaltspflicht. Nicht zuletzt der Gesetzgeber treibt – aktuell mit dem LkSG – das Thema voran. Der Druck zeigt Wirkung: „Noch nie hat sich der Einkauf so intensiv mit seinen Lieferketten auseinandergesetzt“, sagt Gastrednerin Yvonne Jamal auf der jüngsten Veranstaltung der amc-Zukunftswerkstatt Einkauf & Supply Chain. Und sie weiß: „Es ist sehr gut möglich, Transparenz in den Lieferketten zu schaffen, die wesentlichen Hebel für den Einkauf zu erkennen und Nachhaltigkeit im Beschaffungsalltag zu verankern.“

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Yvonne Jamal, Jaro-Institut, aus dem Panel der amc-Zukunftswerkstatt.
Bild: Jaro

»Es kommen immer mehr und immer neue Gesetze und diese werden aufgrund der planetaren Grenzen, innerhalb derer wir wirtschaften, immer strenger werden.«
Yvonne Jamal, Jaro-Institut

Trotzdem ist der Wandel kein Sonntagsspaziergang, sondern muss, da mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz die ersten Schritte in vielen Unternehmen bereits gegangen sind, konsequent weiterverfolgt werden. Den Startpunkt beschreibt Tabea Münch, Referentin für nachhaltige Beschaffung beim IT-Dienstleister Atruvia, ebenfalls zu Gast in der Zukunftswerkstatt: „Die Lieferketten haben einen signifikanten Einfluss auf die sozialen und ökologischen Auswirkungen unternehmerischen Tuns. Dem Einkauf diese Bedeutung erstmal klar zu machen, war für mich neben der Implementierung einer nachhaltigen Beschaffungsstrategie eine der wichtigsten Aufgaben im vergangenen Jahr.“

 

ESG als zentrales Thema des Einkaufs

Dass der Einfluss der Beschaffung auf das Klima und auf soziale Themen vielen Einkäuferinnen und Einkäufern in dieser Deutlichkeit nicht bewusst war, hat Gründe: „Man muss bedenken, wo der Einkauf herkommt. Die Funktion stand insbesondere im Mittelstand nicht im Mittelpunkt. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schrieben Bestellungen und die Abteilungen waren darauf getrimmt Savings zu erzielen und die Versorgung sicherzustellen“, erklärt Maximilian Droste, Nachhaltigkeitsexperte und Projektleiter bei der amc-Group. Angesichts der Aufgaben, die die aktuelle und künftige ESG-Regulatorik bis in den Mittelstand hinein fordert, „werden oft vor lauter Wald die Bäume nicht gesehen“, beobachtet er. Seine Empfehlung deshalb: Systematisch vorgehen. „Der moderne Einkauf verfügt über effektive Prozessschritte und Tools, die es ermöglichen die Themen gut zu operationalisieren. Das betrifft die Anforderungen aus dem LkSG genauso wie die Klima- und weitere ESG-Ziele“, erklärt er und meint: „Es gibt sehr viele Möglichkeiten diesen Werkzeugkoffer anzupassen.“

Sind diese vier Punkte erledigt?

Für den Einkauf bedeutet dies: Erstmal die Hausaufgaben machen und die Nachhaltigkeit der eigenen Lieferkette grundsätzlich betrachten. Dazu gehört:

1. den Istzustand erfassen,

2. die mit den Materialien und Lieferanten verbundenen Risiken analysieren,

3. die für die Risiken und eigenen Nachhaltigkeitsziele wesentlichen Warengruppen identifizieren,

4. daraus neue Warengruppenstrategien ableiten.

Tabea Münch: „Wir sind das im Einkauf sehr methodisch angegangen. Wir sind ein agiles Unternehmen, haben zunächst geschaut, wo wir die Nachhaltigkeit bezogen auf die Lieferkette überhaupt verorten, uns an der allgemeinen Unternehmens- und Nachhaltigkeitsstrategie orientiert und die Umsetzung in der Supply Chain im Einkauf verankert.“ Einen gemeinsamen Arbeitsmodus mit den angrenzenden Fachbereichen und Stabsstellen für Nachhaltigkeit zu finden sei wichtig. „Diesen Schritt darf man nicht überspringen“, mahnt Münch.

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Tabea Münch, Referentin für nachhaltige Beschaffung beim IT-Dienstleister Atruvia.
Bild: Atruvia

»Da braucht es bei manchem und mancher schon etwas Mut. Es ist einfach ungewohnt.«
Tabea Münch, Atruvia

Die ESG-Regulatorik wird schärfer – auch in Zukunft

Was alle bei dieser Zukunftswerkstatt betonen: Es macht wenig Sinn, sich nur an einzelnen Gesetzen abzuarbeiten. „Es kommen immer mehr und immer neue Gesetze und diese werden aufgrund der planetaren Grenzen, innerhalb derer wir wirtschaften, immer strenger werden“, mahnt Yvonne Jamal. Daraus folgt:

  • Unternehmen und Einkauf müssen ein grundsätzlich nachhaltiges Geschäftsmodell für ihre Tätigkeit entwickeln.
  • Der Einkauf muss vor die (Regulatorik)Welle kommen, so dass sich die neuen gesetzlichen Anforderungen in die Prozesslogik gut einpflegen lassen und die Berichtsfähigkeit sichergestellt bleibt.
  • Nachhaltigkeit lässt sich nur ganzheitlich umsetzen. „Wenn man Nachhaltigkeit operationalisieren will, geht das nur über eine holistische Betrachtung. Das gilt auch für den Einkauf“, erklärt Maximilian Droste.
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In den nächsten drei Jahren kommt einiges mehr als das LkSG auf den Einkauf zu.
Bild: amc

Interner Austausch muss laufen

Die holistische Herangehensweise verlangt nach innen und außen ein hohes Maß an Zusammenarbeit und Austausch. Nicht jede und jeder versteht unter den diskutierten Begriffen das Gleiche. Eine gute Kommunikation ist wichtig: „Im Dialog zwischen Einkauf, Fachbereichen, der Rechtsabteilung und dem zentralen Nachhaltigkeitsmanagement muss man immer wieder erklären, wie man bestimmte Begrifflichkeiten versteht, zum Beispiel, welche Schritte einzelne Prozesse konkret umfassen“, empfiehlt Tabea Münch.

Funktionsmodell als Basis

Eine gute Basis für ein einheitliches Prozessverständnis liefert das amc-Funktionsmodell. 70 Prozesse mit ihren jeweiligen Teilprozessen sind dort für den Einkauf und das Supply Chain Management definiert. Für die Implementierung der Nachhaltigkeitsstrategie relevant sind die strategischen Beschaffungsprozesse. „Wenn Sie Nachhaltigkeit in Ihrem strategischen Warengruppen- und Lieferantenmanagement verankern, kann im Ausschreibungsmanagement, in den taktischen und nachfolgenden operativen Prozessen, nicht mehr viel schieflaufen“, sagt Maximilian Droste und meint: „Wer am Anfang klärt, nach welchen Kriterien zum Beispiel für die CO2-Emissionen wesentlichen Materialien beschafft und nach welchen Maßgaben die Lieferanten ausgewählt, qualifiziert und entwickelt werden, für den ist es beim Sourcing und in der Vergabe leichter, seine Ziele zu erreichen.“

Maximilian Droste, Nachhaltigkeitsexperte und Projektleiter bei der amc-Group.Bild:amc
Maximilian Droste, Nachhaltigkeitsexperte und Projektleiter bei der amc-Group. Bild: amc

„Nachhaltigkeit entsteht nicht durch Absichtserklärungen, sondern muss konsequent in Beschaffungsprozessen verankert und zum Leben erweckt werden.“
Maximilian Droste, amc

Handlungskompetenzen aufbauen

Ist der Einkauf auf diese Aufgabe hinreichend vorbereitet? Ja und nein, meint Yvonne Jamal. Ja, in Bezug auf strategische Kompetenzen und vernetztes Denken. „Das wird im Einkauf schon seit langem gefordert“, sagt sie. Eher nein, was das konkrete Know-how angeht. „Vielen fehlt schlicht die Zeit sich systematisch einzuarbeiten“, beobachtet sie. Die wesentlichen Handreichungen in kompakter, modularer Form bietet das eLearning „Sustainable Procurement Professional“ des Jaro-Instituts. „Mit diesem Lehrgang können Einkäuferinnen und Einkäufer die notwendige Handlungskompetenzen aufbauen. Auch Lieferanten lassen sich damit in Einzelmodulen schulen“, erklärt Institutsleiterin Jamal.

Lieferantenmanagement neu aufsetzen

In die Lieferantenkommunikation mit nachhaltigen Forderungen einzusteigen fällt selbst erfahrenen Kolleginnen und Kollegen nicht immer leicht. „Da braucht es bei manchem und mancher schon etwas Mut. Es ist einfach ungewohnt“, sagt Tabea Münch. Aktuell seien die Unternehmen grundsätzlich aber sehr offen. „Das Thema ist überall angekommen“, ergänzt sie.

Bei der Vorbereitung hilft der Lieferantenmanagementprozess. Nachhaltigkeitsaspekte sollten in alle Teilprozesse des Lieferantenmanagements verankert werden. Folgende Abläufe sind hierfür wesentlich:

  • die Analyse des Lieferantenportfolios,
  • die Präqualifizierung,
  • die Lieferantenbewertung,
  • die Lieferantenklassifizierung,
  • die Lieferantenstrategie,
  • die Lieferantenentwicklung.
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ESG-Themen müssen ganz vorne in den Beschaffungsprozess, zum Beispiel ins Lieferantenmanagement. Die Grafik zeigt das amc-Funktionsmodell.
Bild: amc

„Nachhaltigkeit entsteht nicht durch Absichtserklärungen, sondern muss konsequent in Beschaffungsprozessen verankert und zum Leben erweckt werden“, lautet das Fazit von Maximilian Droste. Künftig treffen also Einkäufer und Einkäuferinnen alle strategischen Beschaffungsentscheidungen unter Berücksichtigung nachhaltigkeitsrelevanter Aspekte. An die Aufregung rund um das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wird sich dann gegebenenfalls kaum noch jemand erinnern.

Annette Mühlberger, Journalistin, Stuttgart.

 

 

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