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Nachhaltige Werttreiber oder Hightech-Spielzeug?

Elektronische Auktionen in der Beschaffung
Nachhaltige Werttreiber oder Hightech-Spielzeug?

Nachhaltige Werttreiber  oder Hightech-Spielzeug?
Überblick über die Vorgehensweise bei der Einführung von Auktionen
Elektronische Auktionen in der Beschaffung sind heute in einigen Branchen bereits gängige Einkaufspraxis. Neben niedrigeren Einkaufspreisen sind effizientere Beschaffungsprozesse das Hauptziel des Auktionseinsatzes. Die undifferenzierte Anwendung für sämtliche Produkte und Marktsituationen birgt aber mehr Gefahren als Nutzen.

Dipl.-Kfm. Thomas Germer ist geschäftsführender Gesellschafter des IMI Instituts für Managementinnovationen GmbH in Vallendar bei Koblenz; Kontakt: tg@imi-institute.com Univ.-Prof. Dr. Lutz Kaufmann MBA ist Inhaber des Herbert-Quandt-Stiftungslehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre an der WHU (Otto-Beisheim-Hochschule) in Vallendar; Kontakt: kaufmann@whu.edu

Nur der professionelle Einsatz von Auktionen und eine optimale Abstimmung mit der gesamten Beschaffungsstrategie macht daraus einen echten und nachhaltigen Werttreiber. Auch wenn die elektronische Auktion bereits Jahre alt ist, befindet sich ihre Anwendung in der professionellen Beschaffung bisher, mit der Ausnahme einiger Branchen, noch in der Orientierungs- und Aufbauphase.
In einer aktuellen Studie hat die WHU in Vallendar zusammen mit dem CAPS Institute aus den USA in Europa rund 50 Experteninterviews mit Nutzern elektronischer Auktionen, teilnehmenden Lieferanten, Service Providern und mit Non-Usern geführt. Diese Studie und verschiedene Auktionsprojekte haben gezeigt, dass zwischen 35% und 50% der größeren Unternehmen elektronische Beschaffungsauktionen nutzen. Das durchschnittliche wertmäßige Beschaffungsvolumen, das dabei über Auktionen abgewickelt wird, ist mit durchschnittlich weniger als 15% noch moderat; einige Unternehmen setzen aber bereits für über 25% ihres kompletten Beschaffungsvolumens Auktionen ein. Die Verbreitung von Beschaffungsauktionen steigt momentan mit einer jährlichen Wachstumsrate von 10% bis 15% an. Man kann davon ausgehen, dass Auktionen in der Zukunft in zahlreichen Branchen zu einem wichtigen Beschaffungsinstrument werden. Die Beschaffung ist dabei meist Initiator solcher Auktionen, und zwar mit zwei Zielen: Zum einen soll eine erhöhte Transparenz die Lieferanten zu Preissenkungen bewegen, d.h. dem beschaffenden Unternehmen niedrigere direkte Kosten ermöglichen. Zum anderen soll eine rasche Durchführung des Beschaffungsprozesses die indirekten Kosten für die Beschaffung (Prozesskosten) senken.
Auktionen als Ersatz für traditionelle Verhandlungen?
Man trifft häufig auf das Vorurteil, dass Auktionen traditionelle Verhandlungen ersetzen (können). Dieses Vorurteil blockiert oft die rationale Beschäftigung mit einem möglichen Auktionseinsatz. Aus Erfahrungen heraus sind Beschaffungsprozesse als reine Auktionen ohne weitere Zusammenarbeit mit den Lieferanten extrem selten, und das noch mit abnehmender Tendenz. Reine Auktionen sind häufig bei solchen Unternehmen anzutreffen, die in dem Thema elektronische Auktionen in der Beschaffung schnell aktiv werden wollten, aber dabei nicht in ausreichendem Maße für eine professionelle Vorbereitung und eine sinnvolle Einbindung in das Beschaffungsmanagement gesorgt haben.
Präziser und realitätsnäher ist es deshalb, von auktionsintegrierten Beschaffungs-(Verhandlungs)prozessen zu sprechen, denn in deutlich über 90% der Fälle wird lediglich der Preis des Beschaffungsobjektes als einziger Verhandlungsparameter über eine Auktion festgelegt – in einigen wenigen Fällen auch weitere Total Cost of Ownership-Parameter, beispielsweise Pönalen. Alle anderen, vor allem die nicht-finanziellen Parameter, sind in der Regel nicht Gegenstand der Auktion, sondern werden im Vorfeld verhandelt und festgelegt.
Aus der Sicht der Lieferanten ist der Einsatz elektronischer Auktionen mit einer höheren Transparenz verbunden, die die Wettbewerbssituation glaubhaft abbildet und so die Rivalität unter den Lieferanten steigern kann. Sowohl für den Einkäufer als auch für den Lieferanten hat dies den Vorteil, dass Glauben durch Wissen ersetzt wird: Musste bei einer traditionellen Verhandlung der Lieferant noch glauben, dass ein Wettbewerber angeblich ein um einige Prozent günstigeres Alternativangebot abgegeben hat, so kann er diese Behauptung des Einkäufers jetzt am Bildschirm direkt überprüfen.
Gibt es den einsamen Einkäufer?
In traditionellen Verhandlungen kann eine Vielzahl von Verhandlungsparametern parallel verhandelt werden. Im auktionsbasierten Modus hingegen werden Preis und nicht-preisliche Verhandlungsgegenstände meist getrennt verhandelt. Traditionelle Verhandlungen sind auch bezogen auf die Verhandelnden ganzheitlich, denn es können alle Sinne eingesetzt werden.
Eine Online-Auktion hingegen ist grundsätzlich unpersönlich und rein faktenbasiert. Insgesamt verändert der Einsatz von Auktionen die Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte der Mitarbeiter in der Beschaffung deutlich. Die Bedeutung der frühen Phasen eines Beschaffungsprozesses, in dem grundsätzlich in Frage kommende Lieferanten ausgesucht und für die Auktion vorbereitet werden, gewinnt im Vergleich zu einer traditionellen Beschaffung erheblich an Bedeutung.
Das ist insbesondere darin begründet, dass die Auktion nach dem Start völlig selbständig abläuft und eventuelle Fehler in der Vorbereitung dann nicht mehr zu korrigieren sind. Konsequenz davon ist, dass der von vielen Einkäufern praktizierte Kampf um den Preis mit den besten Lieferanten in dieser Form nicht mehr stattfindet, wenn man Auktionen einsetzt.
Dies führt bei der praktischen Umsetzung von auktionsintegrierten Verhandlungen teilweise zu Akzeptanzproblemen, die von vielen Unternehmen unterschätzt werden. Das Phänomen ist, dass dem Einkäufer durch den Einsatz von Auktionen plötzlich ein zentraler Arbeitsschwerpunkt weggenommen wird und er sich um die zahlreichen Kontakte zu diversen Lieferanten gebracht fühlt. Hier liegt eine große Überzeugungsleistung der Unternehmensführung und der beratenden Institutionen, das Aufkommen von einsamen Einkäufern und die daraus resultierenden Motivationsprobleme zu verhindern. Nach bisherigen Projekterfahrungen muss klar gemacht werden, dass der Auktionseinsatz die Bedeutung der Vorbereitungsphase für eine Auktion und damit die Bedeutung des professionellen Lieferantenmanagements dramatisch steigert. Besuche bei Lieferanten verlieren damit zunehmend den Zweck, nur über Preise zu verhandeln. Mit zunehmendem Einsatz von Auktionen müssen die Einkäufer vielmehr dafür sorgen, dass sie stets für ein wettbewerbsfähiges Auktionsumfeld sorgen und die geeignetsten Lieferanten in die Auktion einladen.
Zunächst muss bei einer Auktion sichergestellt werden, dass alle Teilnehmer zur Durchführung geschult und in der Lage sind, ferner der Prozess und sein Ergebnis rechtlich abgesichert sind und ein Mindestmaß an Vertrauen der Beteiligten in die Prozessfairness vorliegt.
Daneben haben sich vermeintliche Grundregeln für den sinnvollen Auktionseinsatz etabliert. So wird häufig davon gesprochen, dass nur Produkte mit geringer technischer Komplexität auktionierbar seien. Ferner werden oftmals mindestens fünf Lieferanten als Teilnehmer an einer Auktion verlangt, um für ausreichend Wettbewerb zu sorgen. Und Auktionen unter einer Million Euro seien vom Volumen her zu gering, um sich zu rechnen. Bei diesen Aussagen handelt es sich aber aus Erfahrungen heraus nicht um Grundregeln, sondern bestenfalls um Vorurteile, die ein verzerrtes Bild über die Einsatzmöglichkeiten von Auktionen zeigen. Vielmehr sind drei Aspekte von zentraler Bedeutung für die Einsetzbarkeit von Auktionen.
Artikel für die Auktion müssen beschreibbar sein
„Was man spezifizieren kann, kann man auch auktionieren“. Dieser Satz gibt prägnant die Aussagen vieler auktionserfahrener Einkäufer wieder. So hat eine große, global aktive Fluggesellschaft eine komplette Wartungshalle für Flugzeuge über eine Auktion beschafft. Bei einem großen deutschen Handelsunternehmen wurden von destilliertem Wasser über Laptops und Delikatessen bis zu ganzen Ladeneinrichtungen mit Kühlsystemen bereits nahezu alle Arten von Waren und Dienstleistungen über Auktionen beschafft.
Das zu beschaffende Produkt oder die Dienstleistung muss klar definierte Eigenschaften besitzen, die die Lieferanten in die Lage versetzen, zu wissen, wofür sie bieten. Technische Komplexität ist zwar eine Einflussgröße, aber keineswegs die entscheidende. Unabhängig von der Bedeutung für den Auktionseinsatz wurde bei vielen Projekten das Thema Standardisierung wieder aufgegriffen und das Beschaffungsportfolio in einem Team aus Mitarbeitern des Auftraggebers und Spezialisten gestrafft. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das entscheidende Kriterium für die Auktionierbarkeit die Beschreibbarkeit ist.
Dies bedeutet, dass der Einkäufer bezüglich aller Parameter, für die nicht während der Auktion geboten wird, Mindestniveaus definieren muss. Für diese nicht-auktionierten Parameter müssen Mindestgrößen definiert werden, und jeder Lieferant muss diese Mindestgrößen erreichen, um teilnehmen zu können. Sind diese Hürden von den Lieferanten genommen, entscheidet in der Tat nur noch der Preis. Dieser stellt das Optimierungskriterium (Maximalziel) dar. Zwischen den Parametern werden keine Kompensationen zugelassen (z.B. etwas bessere Qualität zu einem etwas höheren Preis). Bei traditionellen Verhandlungen muss dies nicht so sein. Anders ausgedrückt: Wenn ein Einkaufsartikel nicht klar spezifiziert werden kann, wenn gemeinsam innovative Problemlösungen gefunden, wenn Gesamtpakete geschnürt werden müssen, um Kompromisse zu finden, und wenn sich Spezifikationen häufig und/oder unvorhersehbar ändern, sind Auktionen nicht sinnvoll. In solchen Situationen ist der kreative Verhandlungsstil im traditionellen Modus erforderlich.
Zwischen den Lieferanten muss Rivalität herrschen
Wie bereits angesprochen wird vielfach eine Mindestzahl an teilnehmenden Lieferanten als Voraussetzung für den Auktionseinsatz genannt. Diese Aussagen basieren meist auf der Suche nach Zusammenhängen zwischen der Bieterzahl und der Einsparungshöhe, die Service Provider und Einkäufer in ihren historischen Daten unternehmen. Untersuchungen bestätigen, dass an erfolgreichen Auktionen mehr Lieferanten teilnehmen als an nicht erfolgreichen. Allerdings findet die Entscheidung häufig nur zwischen zwei intensiv konkurrierenden Lieferanten statt. Es gibt auch zahlreiche erfolgreiche Fälle, in denen von vornherein nur zwei Lieferanten an der Auktion teilgenommen haben.
Insgesamt ist der Grad der Rivalität unter den Lieferanten entscheidend. Die Rivalität hängt auch davon ab, ob die Kapazitäten der Lieferanten unterausgelastet sind, ob es sich um einen wichtigen Referenzkunden handelt und Folgeaufträge wahrscheinlich sind.
Das Auktionsvolumen muss attraktiv sein
Im Zusammenhang mit der Rivalität unter den Lieferanten ist auch die Regel von einer gewissen Mindestgröße des Beschaffungsvolumens zu sehen. Nach bisherigen Analysen ist die absolute Höhe des Auktionsvolumens von geringer Bedeutung und lässt keine generelle Aussage über die Möglichkeit eines Auktionseinsatzes zu. Vielmehr ist wichtig, ob das Volumen aus Sicht der Lieferanten eine attraktive Höhe hat. Bei den Vorreitern des Auktionseinsatzes, beispielsweise der Automobilindustrie, waren dies fast immer Beträge im Bereich mehrerer Millionen Euro oder Dollar. Doch je nach Branche und Fristigkeit der Lieferverträge können durchaus auch geringere Beträge eine für Lieferanten attraktive Höhe haben.
So konnten bei einem großen Pharmakonzern in Großbritannien erfolgreiche Auktionen über Werbegeschenke für Ärzte verfolgt werden, bei denen das gesamte Auktionsvolumen, bezogen auf ein Jahr, unter 35.000 Euro lag. In diesem konkreten Fall ist der Markt für Werbegeschenke durch viele kleine Unternehmen gekennzeichnet, für die ein Auftrag dieser Größenordnung eine große Attraktivität hat. Ähnlich verhält es sich bei der Vergabe von Aufträgen an Übersetzungsbüros – auch diese Dienstleistung wird meist von kleinen, regional aktiven Unternehmen angeboten. Somit ist es für den Einkäufer wichtig, den spezifischen Markt und seine Charakteristika genau zu kennen, um je nach Produkt ein attraktives Auktionsvolumen festzulegen.
Welche Vorteile bringen elektronische Beschaffungsauktionen?
Die Projekterfahrungen und die wissenschaftlichen Analysen in Europa und in den USA haben gezeigt, dass die Vorteile aus dem Auktionseinsatz in der Beschaffung insbesondere in fünf Punkten zu sehen sind:
  • erhöhte Produktivität der Beschaffung, da mehr Verträge intensiver verhandelt werden können;
  • besser strukturierte Beschaffungsprozesse und besser spezifizierte Bedarfe, denn der Erfolg einer Auktion hängt maßgeblich von der Vorbereitung ab;
  • Entpersonalisierung der oft als unangenehm empfundenen Preisverhandlungsphase;
  • Optimierung internationaler Verhandlungen durch zusätzliche Preisverhandlungsrunden und durch größere kulturelle Akzeptanz durch die Entpersonalisierung der Preisverhandlung;
  • gesteigerte Transparenz über die Preisverhandlungen für das Management und bessere Steuerungsmöglichkeiten der Mitarbeiter in der Beschaffung.
Um elektronische Beschaffungsauktionen im Unternehmen zu etablieren und die genannten Vorteile aus dem Auktionseinsatz nachhaltig zu verwirklichen, ist ein systematisches, projektgestütztes Vorgehen sinnvoll. Dieses sollte drei Teilschritte umfassen: Bestandsaufnahme, Gestaltung und Realisierung. Mit diesem robusten Fahrplan können elektronische Auktionen zu dem gemacht werden, was sie eigentlich sein sollten: eines von vielen wichtigen Instrumenten in einem modernen Beschaffungsmanagement.
Literatur:
  • Burghardt, D./Germer, T./Sippel, S. (2002): Flugzeugstandardisierung und Beschaffungsmanagement bei der Deutschen Lufthansa AG in: Hahn, D./Kaufmann, L. (Hrsg.): Handbuch Industrielles Beschaffungsmanagement, 2. Auflage, Wiesbaden 2002, S. 673 – 698
  • Kaufmann, L. (2002): Purchasing and Supply Management – a Conceptual Framework, in: Hahn, D./Kaufmann, L. (Hrsg.): Handbuch Industrielles Beschaffungsmanagement, 2. Auflage, Wiesbaden 2002, S. 3 – 33
  • Kaufmann, L. (2003): Elektronische Verhandlungen – Erste empirische Befunde zu Auktionen im Einkauf, in: Erfolg durch Logistik – Erkenntnisse aktueller Forschung, Hrsg. J. Weber/J. Deepen, Bern et al. 2003, S. 197 – 216
  • Kaufmann, L. / Germer, T. (2001): Controlling Internationaler Supply Chains; Positionierung, Instrumente, Perspektiven in: Supply Chain Management, Hrsg. U. Arnold, R. Mayer, G. Urban, Bonn 2001, S. 177 – 192
  • Porter, A. M. (2000): E-auction model morphs to meet buyers’ needs, in: Purchasing, 15. Juni 2000, S. 31 – 46
  • Wilcox, R. T. (2000): Experts and Amateurs: The Role of Experience in Internet Auctions, in: Marketing Letters, 11. Jahrgang, Heft 4, S. 363 – 374
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