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Bündelungsmodelle für die Supply Chain

Zentrale Beschaffungsstrategie
Bündelungsmodelle für die Supply Chain

Die Fokussierung auf Kernkompetenzen hat dazu geführt, dass Materialbedarfe der gesamten Supply Chain auf eine Vielzahl unterschiedlicher Lieferanten verstreut sind. Aus einkaufsstrategischer Sicht macht es Sinn, diese Bedarfe zu bündeln und die resultierenden Kosteneinsparpotenziale zu nutzen.

Georg Mohr Wolfgang Eßig

Die zunehmende Fremdvergabe und die Fokussierung auf Kernkompetenzen hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass Materialbedarfe der gesamten Supply Chain auf eine Vielzahl unterschiedlicher Lieferanten verstreut wurden. Diese Fragmentierung von Materialvolumina führt vermehrt zum Verlust von Skaleneffekten, da die Beschaffung von Vorprodukten (wie Stahl oder Granulaten) häufig in Eigenregie der einzelnen Teilelieferanten durchgeführt wird. Mit der Beschaffung von Vorprodukten sind vielfältige Aktivitäten wie Preisanfragen, Lieferantenevaluationen, Risikomanagement durchzuführen. Zahlreiche kleinere und mittelständische Unternehmen haben jedoch Probleme beim globalen Sourcing, hervorgerufen beispielsweise durch Währungsrisiken, administrativen Aufwand, Qualitätsprobleme, Steuern, Zölle. Aus Sicht des OEMs bzw. der Supply Chain werden verschiedene Prozesse mehrfach damit redundant durchgeführt, darüber hinaus werden nicht selten gleiche Materialien bei identischen Herstellern zu unterschiedlichen Preisen bezogen. Weiterhin fallen Preiserhöhungen erfahrungsgemäß bei kleineren Abnehmern deutlich höher aus, insbesondere wenn Zwischenhändler eingeschaltet sind. Aus einkaufsstrategischer Sicht kann daher ein Bündelungsmodell Sinn machen.
Ein Pooling-Modell stellt einerseits eine Möglichkeit dar, klassische Fertigungsdienstleister bei Nicht-Kernaktivitäten wie der Durchführung von Beschaffungsaktivitäten zu unterstützen, andererseits bieten sich dadurch Möglichkeiten für den OEM einer Wertschöpfungskette, Kontrolle über die Kette wieder zu erlangen und die Beschaffung sowie den Einsatz von Vormaterialien zu steuern. Dieser Aspekt gewinnt im Hinblick auf Produkthaftungs- und Qualitätsprüfungsaspekte des Endproduktherstellers zunehmend an Bedeutung. Auch einer ausufernden Materialvielfalt, die im Hinblick auf Komplexitätskosten und Recyclingfähigkeit von Produkten unvorteilhaft sein kann wird durch eine zentral koordinierte Beschaffung entgegengewirkt. Weiterhin kann, eine zentrale Supply-Chain-Beschaffungsstrategie sowohl die Versorgungssicherheit der Kette erhöhen als auch das Risiko von Preisschwankungen minimieren, sofern entsprechende Instrumente etabliert und Maßnahmen definiert werden.
Eine kürzlich in der deutschen Wirtschaft in unterschiedlichen Branchen durchgeführte Befragung unter rund 50 Unternehmungen hat gezeigt, dass heute bereits verschiedene Geschäftsprozesse zur Bündelung innerhalb von Supply Chains eingesetzt werden:
  • Rahmenvertragsmodell
  • Beistellungsmodell
  • Business Process Outsourcing Partner
  • Beratungsmodell
  • Handelsmodell
Beim Rahmenvertragsmodell schließt der OEM einen Rahmenvertrag mit Rohstofflieferanten ab, der auch eigenen Lieferanten zugänglich gemacht wird und deren Belieferung vorsieht. Bei entsprechendem Materialbedarf kommt ein wirksamer Kaufvertrag durch Abrufe zwischen OEM oder Zulieferer und dem Rohstofflieferanten zustande. Häufig wird das Rahmenvertragsmodell um das Feature einer Rabattzahlung erweitert. In diesen Fällen wird in dem jeweils verhandelten Rahmenvertrag zwischen Rohstofflieferant und OEM eine Rabattregelung mit in den Rahmenvertrag aufgenommen. Die Rabattregelung bezieht sich dabei zumeist auf die aggregierten Abrufvolumina des OEMs und dessen Zulieferer. Die Rabatthöhe berechnet sich üblicherweise als prozentualer Anteil des Umsatzvolumens oder auch nach einer zuvor fixierten Volumenstaffelung.
Beim Beistellungsmodell – in der Logistik häufig als Konsignation bezeichnet – bleibt der OEM Eigentümer und übergibt dem Fertigungsdienstleister Materialien in dessen Besitz, so dass dieser seine Wertschöpfung erbringen kann, die ihm anschließend vergütet wird. Allerdings berichten mehrere der befragten Unternehmen, dass mit der Konsignation eine Häufung von Diskrepanzen (Schwund u.a.) einhergeht und zu erhöhten Kontrollkosten führe. Als weitere Möglichkeit ist denkbar, einen Beschaffungsdienstleister einzuschalten, der Beschaffungsaufgaben als Business Process Outsourcing Partner für einen OEM und angegliederte Zulieferer übernimmt. Da solche Dienstleister üblicherweise nur bei unstrategischen Materialien (MRO, C-Teile) zur Reduktion von Prozesskosten eingesetzt werden, ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Unternehmen bei A- und B-Materialien von dieser Lösung Abstand nehmen. Allerdings kann der Beschaffungsdienstleister auch als operativer Partner für die Abwicklung eingesetzt werden, der die Belieferung einzelner Zulieferer nur organisiert und überwacht, somit die strategische Beschaffungstätigkeit beim OEM verbleibt.
Im Beratungsmodell (Consulting/Coaching) tritt der OEM als Einkaufsberater der eigenen Zulieferer (z.B. klassischer Contract Manufacturer) auf. Hierbei versorgt der OEM diese mit Informationen über Beschaffungsquellen und Bezugspreise der jeweils benötigten Rohstoffe/Komponenten. Die bereitgestellten Informationen des OEMs können aus Gesprächen und Vorverhandlungen des OEM mit Vormateriallieferanten stammen, oder auch Ergebnis zuvor durchgeführter Cost-Break-Down-Analysen im Sinne einer open-book policy über mehrere Lieferanten hinweg sein. Es hat sich gezeigt, dass in den meisten Fällen davon auszugehen ist, dass der Zulieferer ohne Vorverhandlungen des OEMs einen höheren Preis bezahlen müsste. Die Zulieferer können in diesem Modell jedoch völlig autonom beschaffen, da die vom OEM bereitgestellten Informationen nur eine Option darstellen und dem Lieferanten bei der Entscheidungsfindung behilflich sein sollen.
Beim Handelsmodell tritt der OEM als Zwischenhändler für das gebündelt-beschaffte Materialvolumen zwischen Rohstoff- bzw. Komponentenlieferanten und den die Vorprodukte beziehenden Fertigungsdienstleistern der Wertschöpfungskette auf. Die Zulieferer bestellen beim OEM – zumeist über elektronische Plattformen oder Medien – die zur Herstellung von Bauteilen oder Systemen für den OEM benötigten Vorprodukte. Der OEM bündelt die Bedarfe der Zulieferer mit seinem Eigenbedarf und verhandelt den Gesamtbedarf mit einem oder mehreren Vormateriallieferanten. Durch die Position des Zwischenhändlers wird es dem OEM ermöglicht, den Bezugspreis seiner Zulieferer durch eine Handelsmarge direkt zu beeinflussen. Ähnlich wie bei der Konsignation werden die Vormaterialen üblicherweise direkt an die Verbraucher (Fertigungsdienstleister) geliefert, so dass sich der OEM zu keiner Zeit im physischen Besitz der Rohstoffe befindet, und durch vertragliche Feinheiten eine Übernahme der Produkthaftung – die mit der Handelstätigkeit üblicherweise einhergeht – umgehen kann.
Durch ein derartiges Bündelungsmodell können Einsparungen durch drei Hebeleffekte erzielt werden. Eine Cost-Break-Down-Analyse zeigt die Effizienz eines Zulieferers in seinen Wertschöpfungsprozessen und das Potenzial, ihn in seinen Sourcingprozessen zu unterstützen. Gelingt es durch die Bündelung, den Lieferanten L2 ebenfalls zu 31 bzw. 32 Euro mit Material zu beliefern, kann er unter gleichen Bedingungen Bauteile an den OEM zum Preis von 108 Euro liefern.
Hebel 1: Übertragung der besten Beschaffungspreise und -konditionen der Supply Chain Akteure auf andere Supply Chain Akteure
Hebel 2: Vertikale und horizontale Bündelungseffekte durch Volumenaggregation und Selektion von Vorlieferanten
Hebel 3: Lean-Management-Effekte: Reduktion von Prozesskosten durch Supply Chain Synergien (Beschaffung, Qualität, Risiken…)

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