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Chancen, Risiken und Wege der Einführung

Supply Chain Management
Chancen, Risiken und Wege der Einführung

Die wachsende Zahl von Unternehmensfusionen und der Trend zum internationalen Einkauf verursachen eine zunehmende Komplexität logistischer Strukturen. Komplexität zwingt die Unternehmen über Bereichs- und Unternehmensgrenzen hinweg Prozeßketten zu definieren, zu steuern und zu optimieren. Alle intensiv diskutierten Ansätze wie Efficient Consumer Response (ECR), Just-in-time, Single Sourcing sowie die Qualifizierung von Systemlieferanten haben gemeinsam, daß die Zusammenarbeit enger und die Abhängigkeit größer wird. Aus dem Strukturwandel ergeben sich Netzwerke, die ohne moderne Informationstechnologie nicht mehr zu steuern sind.

Andreas Hartwig, Olaf Möllhoff, Projektleiter im Arbeitsfeld Logistik Strategie bei der Miebach Logistik GmbH, Frankfurt und Berlin

In den vergangenen Jahren ist von den Unternehmen in erheblichem Maße in Enterprise- Ressource-Planning-Software (ERP) zur Automatisierung und Steuerung der internen Prozesse investiert worden. Keines dieser Systeme, seien sie nun von SAP, Baan, J.D. Edwards, Oracle oder anderen, unterstützt bisher eine unternehmensübergreifende Planung und Optimierung. Diese Lücke wird geschlossen durch Supply-Chain-Management-Software (SCM).
SCM-Tools müssen gegenüber ERP-Systemen abgegrenzt werden. ERP-Systeme steuern die operativen Abläufe. Sie bieten jedoch nur geringe Planungsfunktionalität. Die SCM-Tools hingegen bedienen sich der Datenbasis der ERP-Systeme über zertifizierte Schnittstellen und bauen darauf ihre Planungen auf. Die Planungsergebnisse werden an die ERP-Systeme zur Ausführung zurückgegeben. Die klare Trennung ist aber schon heute nicht mehr gegeben und wird noch stärker verschwimmen. SCM-Anbieter dringen mit Modulen, beispielsweise für die Feinplanung, mehr in den ERP-Bereich vor und umgekehrt.
Die Vision
Die SCM-Tools bieten Planungsunterstützung auf verschiedenen Planungsebenen, für unterschiedliche Planungsaufgaben und Zeithorizonte. Alle Module sind miteinander verknüpft und stellen Daten für die angrenzenden Bereiche zur Verfügung. Wird beispielsweise festgestellt, daß aufgrund eines Maschinenausfalls ein Auftrag nicht termingerecht abgewickelt werden kann, gibt es unterschiedliche Reaktionsmöglichkeiten.
Zuerst wird man versuchen, den Konflikt durch Umplanung zu lösen. Ist dies nicht möglich, wird der Konflikt an eine übergeordnete Planungsinstanz gemeldet. Diese erkennt, wer alles betroffen ist und sucht nach Auswegen, beispielsweise durch Programmumplanungen oder Prüfen der verfügbaren Kapazitäten an anderen Fertigungsstandorten. Hierfür sind Informationen über Beschaffungs- und Transportzeiten, vorhandene Kapazitäten und Aufträge, Rohmaterial- und Fertigwarenbestände sowie die Kostenstruktur aller in Frage kommenden Unternehmensbereiche notwendig, die alle simultan optimiert werden sollten.
Solche Fragestellungen sind bereits heute Planungsalltag, der gesamte Prozeß ist aber nicht effizient, da die benötigten Informationen nicht oder nicht in der benötigten Qualität zur Verfügung stehen und die geeigneten computergestützten Planungstools bisher fehlten. Diese Lücke schließen die SCM-Softwareanbieter und ermöglichen kurzfristige, flexible und simultane Optimierung über Bereichsgrenzen hinweg.
Alle SCM-Anbieter legen Wert auf Softwarebausteine zur Integration aller Prozeßbeteiligten. Dabei machen sie sich die Funktionalität von Internet zunutze. Der Vorteil liegt in der Standardisierung der Übertragungsprotokolle und der einfachen Übernahmemöglichkeit von Daten.
Die Vision besteht darin, übergeordneten Planungsabteilungen den Zugang zu allen wichtigen Informationen über Abteilungs- und Unternehmensgrenzen hinweg zu verschaffen und dadurch die Möglichkeit zu geben, sich den komplexen Planungsaufgaben und Optimierungsansätzen zu stellen.
Die Realität
Die technischen Voraussetzungen für integrierte Planungen bestehen bereits. In den nächsten Jahren werden die ersten Unternehmen in der Lage sein, Produktion und Distribution intern integriert zu planen. Schwieriger wird es jedoch bei der unternehmensübergreifenden Kooperation. Voraussetzung für eine durchgehende Optimierung sind die Bestimmung eines „Channel Masters“, der übergreifend Entscheidungen treffen darf, was starke Veränderungen in der Aufbau- und Prozeßorganisation zur Folge hat.
Die Realität der Planung ist deshalb von der Vision noch weit entfernt. Die bereichsübergreifende Integration, das heißt die Verknüpfung unterschiedlicher Planungsaufgaben wie Produktionsplanung, Bestandsverwaltung und Bedarfsplanung ist noch nicht weit vorangeschritten. In der Praxis plant bisher jeder noch weitestgehend für sich. Dadurch ist eine sehr heterogene Planungslandschaft entstanden, die aus einer Ansammlung von Funktionen besteht, die alle nicht miteinander verknüpft sind. Die Konsequenz sind hohe Bestände, nicht optimal ausgelastete Produktionskapazitäten, hohe Umrüstkosten in der Industrie und Sonderaktionen im Handel zum Abverkauf überschüssiger Bestände. Die hiermit verbundenen unnötig hohen Kosten paaren sich oft noch mit einem mäßigen Lieferservice.
Die SCM-Anbieter machen sich diesen Umstand zunutze und fokussieren ihre Vertriebsaktivitäten verstärkt auf die bestehenden Schwachstellen und versuchen zumindest unternehmensintern, eine bereichsübergreifende Optimierung zu erzielen. Schwerpunkte liegen auf den Modulen zur Bedarfs-, Distributions-, Produktions- und Transportplanung. Basismodul ist häufig die Bedarfsplanung, die durch optimale Planungsalgorithmen und -prozesse zu erhöhter Transparenz in der Planung entlang der Beschaffungskette führt.
Die Software
Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Softwarepakete, auch wenn man sich auf die führenden Anbieter wie i2 Technologies, Manugistics, Numetrix und SAP beschränkt, ist aufwendig und kann nur problemspezifisch erfolgen. Der Markt ist geprägt durch Fusionen, Aufkäufe und Kooperationen. Die Geschwindigkeit, mit der sich der Markt entwickelt, gibt einen Hinweis auf das erwartete Wachstum, das nach Aussage von Forrester Research bei ca. 35% jährlich liegt. Die realisierbaren Einsparungen durch SCM-Software werden auf 10% der Supply-Chain-Kosten geschätzt.
Alle Anbieter setzen die Methode der „linearen Optimierung“ ein. Hierbei wird die in Form von Gleichungen modellierte Supply Chain entsprechend vorzugebender Optimierungskriterien (Kostenminimum, Zeitminimum, …) mathematisch optimiert. Dieses Verfahren wird um Heuristiken und innovative neuere Ansätze wie beispielsweise genetische Algorithmen ergänzt, um zu einer realitätsnahen Planung zu kommen. Bei Verletzung von Restriktionen (z.B. kann die nachgefragte Menge mit den vorhandenen Kapazitäten nicht produziert werden) muß der Planer manuell eingreifen und nach Lösungen suchen. Die Visualisierung der Ergebnisse sowie die Simulationsmöglichkeiten helfen dem Planer, auch mit den „Problemfällen“ fertig zu werden. Dies ist aber nicht immer perfekt unterstützt und bietet weiteres Verbesserungspotential.
Technisch unterscheiden sich Tools vor allen Dingen durch die Datenhaltung und die Kommunikation mit anderen Systemen. Speicherresidentes Arbeiten wird dabei mit Geschwindigkeit, eine eigene Datenbank mit Datensicherheit gleichgesetzt. Die Kommunikation mit anderen Systemen wird durch eigenständige Module gewährleistet. Die zu favorisierende Technik hängt von den spezifischen Planungsproblemen ab.
Neben den großen Softwarehäusern gibt es kleinere Anbieter, die weniger komplexe Lösungen und preislich sehr viel günstiger sind. Stellvertretend seien hier Dynasis, Synquest und Logility genannt. Die Intransparenz des Marktes macht eine genaue Anforderungsanalyse unabdingbar.
Einführung in fünf Schritten
Eine Einführung sollte in folgenden fünf Schritten ablaufen:
  • 1.Die Potentialanalyse und Zieldefinition im Rahmen einer Einführung von Supply-Chain-Management-Tools klärt, wo die wichtigsten Einspareffekte liegen und in welcher Größenordnung Verbesserungen möglich sind. Bevor dieser Schritt nicht getan ist, sollte weder nach Software gesucht noch an eine Softwareeinführung gedacht werden. Eine intime Marktkenntnis der Softwareangebote ist dennoch von Anfang an erforderlich, um im Rahmen von Brainstormings die wesentlichen Ansatzpunkte zu erkennen und um anschließend zielorientiert gefundene Ansätze zu priorisieren. Dabei gilt generell: Je höher das Planungsniveau, desto größer das Einsparpotential.
  • 2.Modulauswahl und Einführungsstrategie: Nach der Definition der Potentiale ist im zweiten Schritt eine Auswahl der für die jeweilige Problemstellung geeigneten Software-Module notwendig. In Einzelfällen kann sich auch ergeben, daß keine spezielle Software notwendig ist. Die Auswahl beginnt mit einer Vorauswahl der denkbaren Anbieter, eine Priorisierung der Einführungsschritte und die Bestimmung der betroffenen Bereiche.
  • 3.Planung der Organsiationsentwicklung: Die Realisierung des Supply-Chain-Management-Gedankens erfordert erhebliche Organisationsveränderungen, die im dritten Schritt vorbereitet und mit den betroffenen Bereichen gemeinsam erarbeitet werden müssen. Die Software kann nur dann erfolgreich eingeführt werden, wenn ein klares Organisations- und Workflow-Konzept existiert.
  • 4.Pilots und Sofwareauswahl: Im vierten Schritt erfolgt die endgültige Auswahl des geeigneten Softwarelieferanten. Auf Basis der langfristigen Einführungsstrategie (Langfristziele, Module, Zeitplan) und dem Organisationskonzept kann nun der geeignete Anbieter bestimmt werden. Hierzu sollten mit den interessantesten Anbietern „Conference Room Pilots“ durchgeführt werden, in denen ausgewählte Szenarien realitätsnah durchgespielt und Planungs- und Optimierungsmöglichkeiten evaluiert werden.
  • 5.Implementierung der Änderungen: Auf Basis eines klaren Organisationskonzeptes ist dies einfacher als bei einer überstürzten und eventuell sehr softwareorientierten Einführung.
Unternehmen, die jetzt mit der Planung ihrer Supply-Chain- Management-Software beginnen, haben die Chance, den Wettbewerb mit schnelleren, kostengünstigeren Abläufen und besseren Serviceleistungen hinter sich zu lassen. Sie tragen aber auch aufgrund des sich noch immer stark entwickelnden SCM-Software-Marktes ein deutlich höheres Risiko.
Voraussetzung zur Optimierung durch SCM-Software
•Planbarkeit: Bereiche mit wenigen Artikeln und hohem Durchsatz gewährleisten die Prognostizierbarkeit zukünftiger Absatzzahlen. Eine Prognose für Artikel mit fast keinem Umsatz ist schon rein mathematisch nicht möglich. Auch die Abstimmung zwischen Vertrieb, Logistik, Einkauf kann nicht für tausende Artikel(-gruppen) stattfinden.
•Planungsbedarf: Nur wenn die üblichen Wiederbeschaffungszeiten intern und/oder die Lieferzeiten zu Kunden relativ hoch sind (fünf Tage und mehr) besteht überhaupt ein nennenswerter Planungsbedarf. Für Produktionsunternehmen wird dies intern häufig der Fall sein, für Handelsunternehmen nicht immer. Dort wo just-in-time produziert oder geliefert wird, ist der Nutzen von SCM-Software eingeschränkt.
•Planungsalternativen: Je komplexer und vielfältiger die Alternativen hinsichtlich Beschaffung, Produktion und Distribution sind, desto mehr Potential bietet die zentrale übergreifende Steuerung.
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