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Die (R)esponsible (S)upply (C)hain

Komplexität und Intransparenz nachhaltig überwinden
Die (R)esponsible (S)upply (C)hain

Kunden, Medien, Gesetzesgeber und Investoren konfrontieren den Einkauf und das Management von Lieferketten mit immer höheren Anforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit und Transparenz. Unternehmen benötigen daher Instrumente zur erfolgreichen Nachhaltigkeitstransformation. Mit der Universität St. Gallen wurde hierfür ein hilfreicher Ansatz entwickelt.

Das Mobiltelefon klingelt, Reto Meier – Einkaufsleiter einer Großbank – nimmt ab und hört unmittelbar die vorwurfsvolle Stimme des CEOs: „Schalte mal schnell den Fernseher ein … siehst Du das … wie konnte Dir so etwas passieren … woher kommen denn um Gottes Willen diese Bälle …?“ Für die Fußballweltmeisterschaft hatte sich die Marketingabteilung überlegt, Neukunden mit einem kostenlosen World-Cup-Fußball zu locken – das Management war von der Idee begeistert und das Konzept ging zu Beginn auf. Die Kampagne wurde für die Großbank jedoch zu einem Albtraum als ein Nachrichtensender kurz nach dem Start der Aktion publizierte, dass die Fußbälle unter Einsatz von Kinderarbeit produziert wurden.

Solche und ähnliche Fälle sind heutzutage keine Seltenheit mehr. Die Verzweigung und Komplexität jeder Supply Chain hat aufgrund vieler Faktoren, wie z. B. der wachsenden Globalisierung und zunehmenden Outsourcing-Aktivitäten, stetig zugenommen. Vertraglich sind Firmen zwar gegenüber ihren Lieferanten vielfältig abgesichert, dies hilft allerdings nicht zum Schutz vor allen auftretenden Schäden. Firmen sind daher mit der großen Herausforderung konfrontiert, Transparenz entlang ihrer Supply Chain zu schaffen, die über vertragliche Absicherungen hinaus geht. Die hohe Anzahl von externen Stakeholdern, wie beispielsweise die Medien im Falle der Großbank, aber auch Kunden, Investoren sowie Gesetzgeber verlangen ein signifikant zunehmend höheres Maß an Transparenz. Kunden meiden kritische Waren und fragen explizit nachhaltige Produkte nach. Investoren berücksichtigen zunehmend Nachhaltigkeitsfaktoren bei ihrer Kapitalallokation und scheuen Investitionen in Firmen, die das Thema Nachhaltigkeit nicht aktiv managen und somit ein gewisses Risikopotenzial bergen. Unnachhaltige Praktiken in Wertschöpfungsketten werden in der Öffentlichkeit streng kritisiert und unmittelbar mit Unternehmen wie der Großbank – ob zu Recht oder zu Unrecht – verknüpft. Gesetzgeber erlassen neue Richtlinien und motivieren zur freiwilligen Selbstregulierung. Nur ein integriertes Nachhaltigkeitskonzept im Einkauf, sowie in der Lieferkette kann den Anforderungen dieser Stakeholdergruppen gerecht werden.
Erste Firmen haben jetzt die Entscheidung getroffen, sich nicht auf „Greenwashing“ oder das Drucken von Hochglanz CSR-Reports zu beschränken, sondern in eine konstruktive Kooperation mit ihren Lieferanten zu treten, um so eine strukturierte Verbesserung für alle Beteiligten herbeizuführen.
Positive Auswirkungen können auf fünf unterschiedlichen Dimensionen erzielt werden:
  • Umsatzsteigerung
  • Kostensenkung
  • Zugang zu Kapital
  • Steigerung des Markenwertes
  • Risikominimierung
Da Endkunden zunehmend Wert auf nachhaltige Produkte legen und hierfür bereit sind, einen Aufpreis zu zahlen, gibt es die Möglichkeit aktiv den Umsatz zu steigern. Laut dem Nielsen CSR Report (2013) waren 56 Prozent der Konsumenten bereit, einen Aufpreis für nachhaltige Produkte zu zahlen und 47 Prozent der Konsumenten haben sich für ein Produkt aufgrund der Nachhaltigkeit entschieden. Philips erzielt bereits 51 Prozent seines Umsatzes mit grünen Produkten. Da je nach Branche bis zu 80 Prozent der Wertschöpfung außerhalb des eigenen Unternehmens stattfindet, kann mit der Erhöhung von Transparenz in der eigenen Supply Chain ein größerer Hebel für Kostensenkungspotenzial in Betracht gezogen werden. Beispielsweise ist es Siemens gelungen durch eine enge Kooperation mit seinem Zulieferer Leoni Kabel, einen hohen Einspareffekt zu erzielen. Desweiteren haben Firmen mit einer nachhaltigen Lieferkette die Möglichkeit sich am Kapitalmarkt vorteilhaft zu positionieren. So empfiehlt die Deutsche Börse ein detailliertes Nachhaltigkeitsreporting um den Ansprüchen von Investoren zu genügen. Die Europäische Union plant die Einführung verpflichtender Environmental-SocialGovernance(ESG)-Kriterien. So hat sich das Investitionsvolumen nachhaltiger Produkte in fünf Jahren vervierfacht. Außerdem kann durch eine nachhaltige und transparente Supply Chain der eigene Markenwert gesteigert und das Risikopotenzial minimiert werden.
In einem zwölfmonatigen staatlichen Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen hat die Detecon (Schweiz) AG das Thema der nachhaltigen Gestaltung von Lieferketten untersucht. Durch die praktische Anwendung der Ergebnisse in verschiedenen Industrien ist der (R)esponsible-(S)upply-(C)hain-Ansatz entstanden. Ziel ist es, Firmen bei der Nachhaltigkeitstransformation in ihrer Lieferkette zu begleiten und einen Transparenz- und Aktivitätsgrad zu etablieren, der allen Stakeholdergruppen gerecht wird.
In fünf Schritten kann die Integration von Nachhaltigkeit in der Lieferkette mithilfe des (R)esponsible-(S)upply-(C)hain-Ansatzes gelingen:
1. Zielfestlegung und Integration der Nachhaltigkeitsstrategie in der Lieferkette und im Einkauf
Ausgehend von der übergreifenden Unternehmensstrategie werden zunächst klare Ziele und fokussierte Handlungsfelder zur Verbesserung der Nachhaltigkeit im Einkauf und dem Umgang mit Lieferanten abgeleitet. Das Thema Nachhaltigkeit bietet über die drei Dimensionen der Triple-Bottom-Line (soziale, ökologische und ökonomische Dimension) eine Vielzahl an Aktivitätsmöglichkeiten. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, die Nachhaltigkeitsstrategie so zu gestalten, dass sie mit der Unternehmens- und Einkaufsstrategie im Einklang steht.
2. Transparenz durch die Identifikation kritischer Lieferkettenpfade
Der zweite Schritt dient der Identifikation der größten Risiken und Möglichkeiten bezüglich Nachhaltigkeit entsprechend der in 1. festgelegten Ziele und Handlungsfelder. In einem strukturierten Ansatz werden alle Lieferanten in bestimmte Gruppen kategorisiert, um verschiedene Risikofelder abdecken zu können. Ein beliebter Ansatz zur Identifikation kritischer Lieferkettenpfade ist die Gruppierung nach einerseits strategischen und andererseits ursprungs- oder produktkritischen Lieferanten.
3. Analyse von Risiken und Handlungsmöglichkeiten
Durch eine Betrachtung der Erwartungswahrscheinlichkeiten und des Business Interruption Value (BIV) der kritischen Pfade werden die Risikogruppen sortiert und es können Prioritäten festgelegt werden. Ziel dieser Phase ist es außerdem Tools zur standardisierten Analyse in die bestehenden Prozesse zu integrieren, damit Nachhaltigkeitsanforderungen und -aspekte entlang des Lieferantenlebenszyklus konsequent berücksichtigt werden.
4. Maßnahmenableitung und Lieferantenentwicklung
Anschließend an die interne Koordination erfolgt die Strukturierung des Umgangs mit den Lieferanten. Es werden verschiedene Maßnahmen zur Interaktion bei Nachhaltigkeitsverstößen definiert. Diese reichen von Programmen zur Weiterbildung von Lieferanten, über Kooperationsprogramme bis hin zu Sanktionsmaßnahmen.
5. Integration in die Beschaffungssysteme
Zuletzt erfolgt die Integration der entwickelten Ergebnisse in den Beschaffungsprozess und sowie in die IT-Systeme des Lieferantenmanagement und des Einkaufs. Hier steht die Automatisierung und Bündelung der Informationen im Vordergrund. Jeder Einkäufer hat Zugang zu Nachhaltigkeitsaktivitäten und so die Möglichkeit, dies in Einkaufsentscheidungen einfließen zu lassen.
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