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Fachkräftemangel: Zwischen Realität und Mythos

Buchrezension
Fachkräftemangel: Zwischen Realität und Mythos

Seit Jahren wird in Deutschland über den Fachkräftemangel medienwirksam in allen Talk Shows lamentiert. Wie die Realität am Arbeitsmarkt wirklich aussieht, wird nicht mehr hinterfragt. Politiker und Verbandsfunktionäre sind sich einig, dass das Problem in Anbetracht des demografischen Wandels immer gravierender wird. Nur fällt ihnen zur Lösung oder zumindest Linderung kaum etwas ein. Hier setzt das vorliegende Buch an.

Erst Anfang Januar fand das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in einer von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Auftrag gegebenen Studie heraus, dass es in 139 von 615 analysierten Berufen Engpässe gibt. Sigmar Gabriels Kommentar dazu lautete, man müsse die vorhandenen Potenziale besser – sprich intelligenter nutzen. Dies dürfte Wasser auf die Mühlen von Martin Gaedt sein, Geschäftsführer eines Berliner Startup-Unternehmens, der sich seit Jahren mit innovativen IT-gestützten Lösungen für die Personalgewinnung befasst. Für ihn ist der allseits beklagte Fachkräftemangel ein Mythos oder eine Fiktion. Er meint, dass der Mangel in der suggerierten Ausweglosigkeit gar nicht existent sei. Gaedt konzediert, dass es temporäre und regionale Engpässe gebe. Von einem flächendeckenden Fachkräftemangel könne aber keine Rede sein. Die Fakten auf dem deutschen Arbeitsmarkt sprächen eindeutig dagegen: Auf der Angebotsseite gebe es hierzulande 900 000 Schulabgänger pro Jahr, drei Millionen Arbeitssuchende, 14 Millionen Berufstätige, die einem Stellenwechsel nicht abgeneigt seien. Diesem Potenzial stünden auf der Nachfrageseite 3,6 Millionen Unternehmen darunter insbesondere wenig bekannte kleine und mittlere Unternehmen gegenüber. Das eigentliche Problem bestehe darin, dass die Arbeitssuchenden und die Arbeitgeber bisher nicht den Weg zueinanderfänden. Da helfe auch die zwar gut gedachte aber schlecht gemachte Agentur für Arbeit nicht weiter, denn sie sei zu wenig lösungs- und kundenorientiert. Gaedt vergleicht die Arbeitssuchenden und die Arbeitgeber nicht zu Unrecht mit den zwei Königskindern, die nicht zusammenkommen konnten.

Verbal scharf geht der Autor daher die seiner Einschätzung nach hausgemachten Defizite des Arbeitsmarktes und seiner Akteure an. Er fordert neue Ansätze bei der Personalgewinnung. Aus Sicht des Rezensenten könnte dabei auch der Einkauf eine neue Rolle spielen, wie heute schon bei der Gewinnung von Freelancern zu sehen ist. Gaedts Empfehlungen an die Arbeitgeber lauten: Den Bewerbern mehr Wertschätzung entgegenbringen und die Arbeitgeberattraktivität besser kommunizieren also ein Arbeitgebermarketing machen. Insbesondere müssten die Stellenangebote konkreter, informativer und punktgenauer abgefasst werden. Zudem müssten die Unternehmen ihre Sichtbarkeit als „gute“ Arbeitgeber mithilfe der digitalen Medien steigern und vor allem erkennen, dass man Bewerber wie Kunden behandeln müsse. Nur so könne die derzeitige erschreckende Potenzialverschwendung – gefrustete Bewerber auf der einen Seite und gestresste Personaler auf der anderen Seite – bekämpft werden. Nach Gaedts Überzeugung gibt es intelligente Lösungen. So sollten mithilfe der modernen IT-Technik branchenbezogen oder auch regional firmenübergreifende Netzwerk-Talentpools zur Personalgewinnung entwickelt werden, über die zweit- und drittplatzierte Bewerber nicht rausfliegen sondern an die Netzwerkpartner weitergeleitet werden. Es bedürfe zudem eines Personalmarketings und eines systematischen Empfehlungsrecruitings, auch IT-gestützt. So könne der sichtbare Pool der verfügbaren Fachkräfte vergrößert werden; insbesondere bisher ausgegrenzte Arbeitsuchende könnten besser wieder ins „Spiel“ gebracht werden.
Manches in diesem Buch mag etwas überzogen sein. Aber der Autor wollte ja die Arbeitgeber und deren Personaler aufwecken. Die Unternehmen sollten ihre Personalbeschaffungsstrategien neu aufsetzen. Allerdings müssen nach Ansicht des Rezensenten auch die Bewerber mehr tun. Im Zeitalter der Digitalisierung sollten die Königskinder die Chancen der digitalen Kommunikation und Interaktion effektiver als bisher nutzen. Dies könnte die Brücke über das tiefe Wasser sein.
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