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Grüne Punkte billiger einkaufen

Verpackungsentsorgung, Teil 2
Grüne Punkte billiger einkaufen

Mit strategischem Einkaufs-Know-how sind bei Lizenzierungsleistungen (Grüner Punkt) deutliche Einsparungen möglich. Unsere Autoren Matthias Lütke und Sven Massen zeigen hier, wie die Ausschreibung für solche Dienstleistungen aussieht.

Der erste Teil des Artikels (März-Ausgabe 2013) beschrieb das System der Lizenzierungsleistungen und analysierte den Markt für Verpackungsentsorgungen. In diesem zweiten Teil beschreiben wir, wie eine Ausschreibung für den Einkauf von Lizenzierungsleistungen konkret aussieht.

Bei Lizenzierungsleistungen im Einkauf gibt es bisher kaum strukturierte Ansätze, die eine ausführliche Grundlage für die Auswahl Dualer Systemanbieter bilden. Der folgende vierstufige Prozess (siehe Grafik) hat sich in der Praxis bestens bewährt. Er geht alle wichtigen Aspekte strukturiert an und sorgt für Transparenz und intensiven Wettbewerb im Ausschreibungsprozess. Der Prozess sollte drei bis sechs Monate dauern – Verkürzungen gehen im Regelfall zulasten des Einsparpotenzials und der Qualität des Ausschreibungsergebnisses. Hier nun die Details zu den vier Stufen aus der Grafik.
1. Ausschreibung strategisch
vorbereiten
Grundlage einer jeden Ausschreibung ist die detaillierte Analyse des relevanten Beschaffungsmarktes. Drei zentrale Punkte sind zu berücksichtigen:
  • Wie entwickelt sich das gesamte lizensierte Verpackungsvolumen? Eine Erhöhung des lizensierten Verpackungsvolumens führt regelmäßig zu günstigeren Entgelten, da die tatsächlichen Kosten für die Entsorgung nicht in gleichem Maße ansteigen.
  • Wie entwickeln sich der Wettbewerb und die einzelnen Anbieter? Sind Preissenkungen möglich?
  • Wie entwickeln sich die Märkte für Sekundärrohstoffe? Ein Anstieg der Preise im Sekundärrohstoffmarkt führt tendenziell zu verminderten Entgelten für die Lizenzierung.
Entscheidend für die Wahl eines Dualen Systembetreibers sind die Prognosemengen für den Ausschreibungszeitraum nach Verpackungsmaterial.
Eine idealerweise artikelgenaue Unternehmensplanung für das folgende Geschäftsjahr hilft, den für die entsprechenden Mengen pro Materialfraktion passgenauesten Anbieter auszuwählen. Die Einbindung des Einkaufs erlaubt es, strategisches Einkaufs-Know-how zu nutzen, in Verhandlungen definierte Rollen einzunehmen und alle Verhandlungsergebnisse kritisch zu hinterfragen.
2. Präzise Ausschreibungs-
unterlage erstellen
Kernbestandteil der Ausschreibung ist die Ausschreibungsunterlage. Sie setzt sich zunächst aus einer Reihe von Standardkomponenten zusammen:
  • Kurze Unternehmensvorstellung
  • Geheimhaltungserklärung
  • Lieferantenselbstauskunft
  • Mengenangaben (voraussichtliches Volumen je Materialfraktion in Tonnen)
  • Vorgabe genereller Konditionen (z. B. Zahlungsziele oder die Übernahme der Kosten für Wirtschaftsprüfer)
  • Preisblatt
In bestimmten Branchen können eine Reihe von Besonderheiten auftreten, die spezifische Lösungen erfordern.
Die Kosten bzw. Lizenzentgelte für eine Branchenlösung (BL) liegen deutlich unter denen für eine Entsorgung über Duale Systeme (DS). Zur Ermittlung des Mengenanteils der Branchenlösung (für die Bestimmung der Entgelte) greifen Duale Systembetreiber häufig auf die industrieübergreifenden Studien von GVM und CHD Expert zurück. Diese weisen meist sehr unterschiedliche Quoten aus. Um möglichen finanziellen Nachlizenzierungsansprüchen zu entgehen, sollte der Dienstleister für vorgeschlagene Branchenlösungsquoten die Haftung übernehmen.
Eine zweite Möglichkeit ist die Bestimmung einer unternehmensindividuellen BL-Quote per sogenannter Vertriebswegeanalyse (VWA). Hier wird die individuelle Quote auf Basis von detaillierten Absatzdaten des Unternehmens ermittelt und sollte von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer testiert werden, was die Rechtssicherheit tendenziell vergrößert. Der Dienstleister sollte gefragt werden, ob er einen entsprechend qualifizierten Wirtschaftsprüfer vermittelt und die Erstellung einer unternehmensindividuellen VWA unterstützt – auch finanziell.
Viele Anbieter operieren mit Mischpreisen. Um vergleichbare Informationen zu erhalten, sollten pro Materialfraktion die Preise bzw. Lizenzentgelte für Duale Systeme und Branchenlösungen getrennt abgefragt werden.
Als Grundvertragslaufzeit bietet sich zunächst ein Jahr an. Dennoch kann es sinnvoll sein, zusätzliche Rabatte für zweijährige Laufzeiten abzufragen, da die Dienstleister dann über längerfristige Prognosemengen verfügen. Ein Sonderkündigungsrecht für den Fall günstigerer Konditionen anderer Anbieter ist empfehlenswert.
3. Ausschreibung strukturiert
durchführen
Auch in der Durchführung sind einige Dinge zu beachten, um den Erfolg der Ausschreibung sicherzustellen.
Die Ausschreibung beginnt mit der Entscheidung über den Durchführungszeitpunkt. Branchenübliche Zeitpunkte, aber auch die Entwicklung der Preise für Sekundärrohstoffe sollten in die Überlegungen einbezogen werden. Idealerweise sollten als Bieter alle im Markt tätigen Systembetreiber angefragt werden, um maximalen Wettbewerbsdruck zu erzeugen und einen bestmöglichen Marktüberblick zu erhalten. Nach Eingang der Angebote werden diese in einem zweistufigen Verfahren ausgewertet.
Im ersten Schritt werden die Anbieter aussortiert, die ein vorher festgelegtes K.O.-Kriterium nicht erfüllen. Im zweiten Schritt werden alle relevanten Faktoren (neben den Preisen auch eingesparte Testat-Kosten, Rabatte oder Rückvergütungen) in einem Bewertungsmodell auf Basis der Gesamtkosten quantifiziert. Bei der Vergabe der Lizenzierungsleistungen kann das Gesamtpaket auch auf mehrere Duale Systembetreiber verteilt werden. Um den administrativen Aufwand zu reduzieren, bietet es sich an, bei mehreren rechtlichen Einheiten in einem Unternehmensverbund die Pakete anhand der rechtlichen Einheiten zuzuschneiden.
4. Ausschreibungsergebnisse
konsequent umsetzen
Nach der Entscheidung über die Verteilung der Volumina auf einen oder mehrere Dienstleister müssen die Ergebnisse in die Praxis umgesetzt werden. Neben der Kündigung des bestehenden Vertrags muss der neue Vertrag von beiden Parteien gestaltet und unterschrieben werden. Der neue Abrechnungsprozess muss eingeführt und etabliert werden. Zudem sollte – falls noch nicht erfolgt – eine Vertriebswegeanalyse erfolgen. Neben der Einbindung des Einkaufs sollten Vertrieb und Controlling in die Implementierung eingebunden sein.
Nach der erfolgreichen Durchführung dieses Ausschreibungsprozesses sind je nach Lizenzierungsvolumen deutliche Einsparungen möglich. Dazu muss allerdings die gesamte „Klaviatur“ des strategischen Einkaufs auch in dieser Warengruppe zum Einsatz kommen. Zudem muss eine für das Unternehmen optimale Lizenzierungslösung neben wettbewerbsfähigen Lizenzierungsentgelten auch eine konsequente Minimierung von Risiken sowie deren wirksamen und durchsetzbaren Transfer auf den Dienstleister beinhalten.
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