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Lex Henkell – Förderer der Qualität

Gerd Wegerle, Einkaufsdirektor bei Henkell & Co. Sektkellerei KG
Lex Henkell – Förderer der Qualität

Die Sektkellerei Henkell gehört zu den internationalen Premiumherstellern. Beschaffung aktuell sprach mit Einkaufsdirektor Gerd Wegerle über die besonderen Herausforderungen seiner Branche, innovatives Lieferantenmanagement und die Notwendigkeit guter Kommunikation.

Beschaffung aktuell: Herr Wegerle, Sie leiten den Zentraleinkauf der Henkell & Co.-Gruppe. Wie ist Ihre Organisation strukturiert?

Gerd Wegerle: Wir arbeiten materialgruppenorientiert. Für jede einzelne Materialgruppe gibt es einen Lead Buyer, der seine Materialien von der Entwicklung eines Produktes bis hin zur täglichen Disposition mit seinen Lieferanten und seinen Mitarbeitern betreut. Das wird in dieser Form europaweit in der gesamten Henkell & Co.-Gruppe umgesetzt. Wir sind in jeder produzierenden Unternehmenseinheit gleich organisiert, mit einem Einkaufsleiter, der sich mit seinen Mitarbeitern um das Tagesgeschäft kümmert. Die Fäden laufen dann hier in der Zentrale zusammen. Jeder Einkäufer hat seinen Lieferantenpool für die einzelnen Materialien. Unsere größten Warengruppen sind dabei Flaschen, Etiketten und Wellpappe, die wir europaweit einkaufen. Wir schalten uns alle vier Wochen in einer Telefonkonferenz zusammen, um uns gegenseitig zu informieren und gegebenenfalls von der Zentrale aus zu unterstützen. Bei regelmäßigen Einkaufstagungen können sich die Kollegen der einzelnen Einheiten dann auch persönlich austauschen. Diese Tagungen finden im Wechsel in verschiedenen Ländern statt, so dass auch die Möglichkeit besteht, die dortigen Produktionsgegebenheiten und Lieferanten näher kennen zu lernen. Das ist gerade für die fachspezifischen Mitarbeiter wichtig, insbesondere bei Make-or-Buy-Prozessen, denn nur so können sie entscheiden, wo welches Produkt letztendlich am günstigsten produziert werden kann.
Beschaffung aktuell: Wie viele Mitarbeiter haben Sie?
Wegerle: Im Materialeinkauf in der Zentrale haben wir zehn Mitarbeiter, in der gesamten Gruppe sind es 45. Der Weineinkauf ist eine eigene Abteilung, weil das ein ganz spezieller Bereich ist, den man kaufmännisch nur in Verbindung mit einer önologischen Ausbildung abbilden kann.
Beschaffung aktuell: Trennen Sie in Ihrem Bereich zwischen strategischem und operativem Einkauf?
Wegerle: Wir arbeiten nach dem Prinzip „One face to the supplier“, unsere Organisation ist deshalb ganz bewusst so aufgestellt, dass jeder Einkäufer sowohl operativ als auch strategisch arbeitet. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Strategie und Operatives nicht voneinander zu trennen, weil innerhalb des Teams sonst zu viele Informationen verloren gehen, insbesondere im Tagesgeschäft: Verlängerte Lieferzeiten oder Probleme bei der Terminerfüllung können auf eine Krise beim Lieferanten hinweisen, und der Disponent hat das vielleicht nicht so im Gespür wie der Lead Buyer. Aus diesem Zusammenspiel in der täglichen Praxis entwickelt der Lead Buyer eine Warengruppenstrategie, die er dann gemeinsam mit den Lieferanten umsetzt.
Beschaffung aktuell: Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit bei Ihrem Lieferantenmanagement?
Wegerle: Eine große Rolle. Die Nachhaltigkeit eines Unternehmens wird vom Einkauf maßgeblich beeinflusst. Wir setzen Einwegflaschen aus Glas ein – nicht weil wir das so wollen, sondern weil der Einsatz von Einwegflaschen gesetzlich vorgeschrieben ist. Diese Einwegflaschen werden aber über die deutschen Recyclingsysteme wieder zu Glas. Wir haben Wellpappe im Einsatz, die ebenfalls wieder verwertet wird. Andere Materialien sind in dem jeweiligen Materialsegment problemlos zu recyclen. Korken werden auf natürlicher Basis hergestellt und die Polystopfen, die wir einsetzen, sind aus dem umweltpolitisch unbedenklichen Material Polyethylen hergestellt. Bei Investitionen achten wir sehr stark auf die energetische Leistungsfähigkeit der Maschinen.
Beschaffung aktuell: Zu welchem Zeitpunkt wird der Einkauf bei Ihnen in die Entwicklung neuer Produkte einbezogen?
Wegerle: Möglichst früh, oder um es positiv auszudrücken: immer früher. Es gab Zeiten, zu denen wir zu einem Zeitpunkt involviert wurden, wenn ein Artikel bereits definiert war – ein Zeitpunkt also, zu dem man natürlich noch in seinem Lieferantenumfeld agieren kann, aber mehr auch nicht. Das ist inzwischen Geschichte. Wir sind schon lange so weit, dass wir frühzeitig mit den Kollegen aus dem Marketing in sogenannten Materialklausuren, die in regelmäßigen Abständen stattfinden, zusammensitzen. Bei der Entwicklung von neuen Produkten arbeiten wir in interdisziplinären Teams, in denen Entscheider aller Abteilungen gemeinsam am Tisch sind, und zwar von dem Moment an, wo eine prinzipielle Entscheidung für ein neues Produkt gefallen ist.
Wir sind also relativ früh dabei, und das versetzt uns in die Lage, auch die Potenziale unserer Lieferanten nutzen zu können. Wir verstehen uns immer ein wenig als Mittler zwischen draußen und drinnen, um das, was draußen gut ist, nach drinnen zu transferieren. Unser Materialanteil liegt zwischen 40 und 65 Prozent, da ist die Auswahl des Materials schon ein entscheidender Kostenfaktor bei der Kalkulation. Ein Beispiel: Wir haben vor zwei Jahren damit begonnen, einen Relaunch bei einer unserer Flaschen durchzuführen. Dabei haben wir uns die Entwicklungslabore des Lieferanten zunutze gemacht, waren vor Ort und hatten am Ende des Tages eine sowohl aus einkaufs- als auch aus produktionstechnischer Sicht optimale Lösung. Der Einkauf kann und sollte die Möglichkeiten seiner Lieferanten nutzen, und das kann er nur, wenn er diese Möglichkeiten kennt. Deshalb ist die Nähe zum Lieferanten entscheidend. Wir arbeiten mit vier oder fünf Glashütten in Europa zusammen und es gibt europaweit zehn bis 15 Wellpappelieferanten, die für uns infrage kommen. Insofern ist es schon wichtig, permanent im Blick zu behalten, was der Lieferant kann und woran er gerade arbeitet – nur so können wir später seine Innovationen auch bei uns im Unternehmen nutzen.
Beschaffung aktuell: Welche Rolle spielen die Kosten dabei?
Wegerle: Die Frage ist, wie sich das im Total-Cost-Rahmen darstellt. Das Material ist ein Faktor, aber wenn ich mit einem hochwertigeren und somit teureren Material günstigere Maschinenlaufeigenschaften habe und deshalb schneller produzieren kann, dann kann sich dies rechnen.
In dieser Hinsicht wandelt sich momentan die Aufgabe des Einkaufs. Wir sind zum Glück schon lange weg von dem „Preisjäger“, der letztendlich nur die Konditionen verhandelt, denn Einkauf ist viel mehr als Menge und Preis. Für die Zukunft heißt das, dass der Einkauf dem Unternehmen als Wertmentor dient, indem er Vorschläge aus dem Materialgruppenbereich ins Unternehmen hineinträgt und es mehr und mehr hinsichtlich kostengünstiger Produktionsmöglichkeiten berät. Das gilt sowohl für den Material- als auch für den technischen Bereich und stellt eine der vielen Möglichkeiten der Wachstumsinitiativen dar, die der Einkauf ins Unternehmen hineintragen kann.
Beschaffung aktuell: Welche Möglichkeiten sehen Sie noch?
Wegerle: Meiner Meinung nach werden Einkäufer mehr und mehr zu Beratern entlang der Wertschöpfungskette, sie managen die Beziehungen zu Lieferanten und das Einkaufsmanagement dient zunehmend als Wertgenerator mit erheblichem Einfluss auf den Unternehmenserfolg. Dabei liegt für uns durchaus ein Schwerpunkt auf dem Beziehungsmanagement zu Lieferanten. Wir arbeiten viel in Oligopolen, und gerade dort ist es wichtig, eine Beziehung zu dem Lieferanten aufzubauen, die auf kaufmännisch korrekter Basis Vertrauen schafft. Wenn ich etwas über Innovationen eines Lieferanten erfahren will, dann muss er sicher sein können, dass seine Innovation bei uns gut aufgehoben ist – hat er diese Sicherheit nicht, dann geht er zur Konkurrenz, so einfach ist das.
Beschaffung aktuell: Wo würden Sie für sich, Ihr Unternehmen und Ihre Organisation die größten Herausforderungen in den kommenden Jahren sehen?
Wegerle: Für das Unternehmen sehe ich die Herausforderung darin, im Wettbewerb aktiv zu agieren und immer wieder neue Akzente zu setzen. Im deutschen Einzelhandel wird ein großer Teil des Marktes von einer Handvoll von Handelspartnern bestritten. Da gilt es durch gute Markenentwicklung, aber auch durch kluge Kommunikation am Markt nicht nur zu bestehen, sondern immer wieder neue Impulse zu geben. Dazu trägt der Einkauf in erheblichem Maße bei, denn es geht ja vor allem um die Qualität der Materialien. Wir verkaufen Premiumprodukte, da müssen auch die Materialien Premium sein. Das mit dem gleichzeitig besten ökonomischen Wert zusammen zu bringen, das ist die Herausforderung.
Beschaffung aktuell: Welches Thema liegt Ihnen als Einkäufer besonders am Herzen?
Wegerle: Das Thema Kommunikation, denn damit steht oder fällt alles. Alle unsere Einkäufer haben Lieferantenkontakte und machen Lieferantenbesuche, da findet Kommunikation statt. Und das, was sie bei ihren Lieferanten erfahren, muss auch innerhalb des Unternehmens kommuniziert werden, sonst geht es verloren. Wir haben deshalb Kommunikationsinstrumente geschaffen. Wir haben ein Extranet, in dem wir mit den einzelnen operativen Einheiten kommunizieren. Für den Zentraleinkauf ist das eine der wichtigen Informationsquellen. Wir sind ja mit nahezu allen Bereichen des Unternehmens vernetzt, von der Buchhaltung über das Marketing bis hin zur Technik, und deshalb ist es wichtig, die Informationen aus dem Markt zu sammeln, zu bündeln und zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle zu platzieren. Dieses Medium wird von allen Kollegen – national und international – als Informationsquelle genutzt.
Das ist übrigens auch eine ganz wesentliche Voraussetzung für einen Einkäufer: Er muss kommunikativ sein.
Beschaffung aktuell: Was braucht er sonst noch?
Wegerle: Zunächst einmal natürlich eine solide kaufmännische Ausbildung. Er muss Verhandlungsgeschick besitzen und auch eine gewisse Menschenkenntnis, die man sich im Laufe der Zeit durch die vielen Kontakte aneignet. Das gilt vor allem für die unterschiedlichen Mentalitäten in Europa, vor allem in Ost- und Südeuropa, aber auch in Skandinavien. Das sind drei ganz unterschiedliche Einkaufswelten, in denen auch ganz unterschiedliche Faktoren zählen. In Polen und Skandinavien ist es mehr der finanzielle Bereich, im Süden ist es der persönliche Kontakt, ohne den man gegen geschlossene Türen rennt. Am schwierigsten ist es in Südosteuropa, weil da das „Laissez-Faire“ des Südens mit dem Geschäftstüchtigen des Ostens zusammenkommt. Das muss der Einkäufer wissen und managen, und dafür muss er nach draußen gehen und Land und Leute vor Ort kennenlernen. Früher war es ja eher so, dass die Einkäufer widerwillig nach draußen zu den Lieferanten gingen. Das kann nicht funktionieren, denn als Einkäufer muss ich wissen, was der Lieferant kann, und das sehe ich nur vor Ort.
Beschaffung aktuell: Noch einmal zurück zu Ihren Märkten: Sie sprachen von Süd- und Osteuropa, kaufen Sie auch in Asien ein?
Wegerle: Nein, in Asien kaufen wir nicht ein, mit Ausnahme von Werbematerialien. Es gibt ja immer diese Trends im Einkauf, und das so genannte Low Cost Country Sourcing war und ist natürlich einer davon. Es muss aber nicht immer Asien sein. Wir waren in einigen der Low Cost Countries schon früh unterwegs, weil wir dort auch für den nationalen Markt produzieren, beispielsweise in Rumänien. Wir haben dort auch innen sehr leistungsfähige Lieferanten, die mittlerweile zu wichtigen Partnern zählen, die sich auch weiterentwickeln und verstehen, warum wir bestimmte Qualitätsanforderungen stellen. Wir verstehen uns als Referenzkunde. Wenn wir mit unserem Hauptverpackungsmaterial, der Flasche, am Markt auftreten, dann ist das eine Spezifikation, die mittlerweile viele Wettbewerber als Lex Henkell ansehen und sagen, diese Spezifikation ist das, was auch wir von unseren Lieferanten wollen. Der Einkauf ist Bewahrer und Förderer der Qualitätsvorgaben des Unternehmens, ohne ihn sind diese am Markt nicht durchzusetzen.
Beschaffung aktuell: Herr Wegerle, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Ulrike Dautzenberg.

Hintergrund

Der Zentraleinkauf Wiesbaden ist für den Gesamtbedarf der Henkell & Co.-Gruppe inkl. Tochtergesellschaften verantwortlich.
  • Alfred Gratien S.A.S., Frankreich
  • S.C. Angelli Spumante & Aperitive S.R.L., Rumänien
  • Bohemia Sekt s.r.o., Tschechien
  • Fürst von Metternich Sektkellerei GmbH, Johannisberg
  • Gorbatschow Wodka KG, Berlin
  • Henkell & Co. Sektkellerei Ges.m.b.H., Österreich
  • Hubert J. E. s.r.o., Slowakei
  • Kiewer Sektkellerei Stolichniy, Ukraine
  • Mionetto S.p.A., Italien
  • Mumm’sches Weingut Deutschland
  • Sektgut Menger-Krug
  • Törley Sektkellerei Kft., Ungarn
  • Vinpol Sp. z o.o., Polen
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