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Logistik 4.0: Lücken zwischen Industrie und Logistik werden digital geschlossen

Logistik 4.0
Lücken zwischen Industrie und Logistik werden digital geschlossen

Unter dem Stichwort Industrie 4.0 ist die Digitalisierung in vollem Gang. Immer häufiger sind in der Wertschöpfungskette die externen Spediteure der Schwachpunkt, die im Telefon- und Mailzeitalter stecken geblieben zu sein scheinen. Das bremst Prozesse aus. Doch vereinzelt schließen Logistiker auf.

Die Industrie gibt das Tempo bei der Digitalisierung der Unternehmen vor. Prozesse sind aufeinander abgestimmt, um Lagerhaltung und Kapitalbindung in Waren zu vermeiden. Es geht um Transparenz und Optimierung der Güter-, Informations- und Geldflüsse.

Aktuelle Herausforderungen liegen darin, die B2B-Transporte von Zulieferern oder in Kundenlagern, die oft just-in-sequence getaktet sind, in die eigenen Prozesse zu implementieren. „Hier muss die Logistik mithalten können, damit Industrie 4.0 nicht wirkungslos bleibt“, betont Professor Tobias Bernecker, Studiendekan an der Hochschule Heilbronn für Verkehrsbetriebswirtschaft und Logistik.

Infos zu Versandgut jederzeit wichtig

Überall lauern Fehlerquellen vom falschen Lagerplatz über eine Beschädigung bis zur Fehlsendung, die selbst unter kooperierenden Logistikunternehmen unvermeidbar sind. „Ohne Echtzeitdaten taucht die Ware in schwarze Löcher ab und wird bestenfalls noch punktuell sichtbar“, gibt der Professor ein Beispiel. Kontinental übergreifende Transporte bergen noch höhere Risiken, weil sich die Zeitachse erheblich verlängert – ehe Fehler überprüft oder erkannt werden können. So bekommen Auftraggeber erst nach Ankunft des Schiffes im Hafen einen aktuellen Lieferstand. Ist Ware unvollständig oder beschädigt, geht das schnell ins Geld samt Regressforderungen, die im Einzelfall Millionen sein können. Deshalb bilden umfassende Informationen über Versandgut zu jedem Zeitpunkt einen wichtigen Service für Absender und Empfänger.

Im baden-württembergischen Krautheim hat eine Spedition diese Servicewüste als Marktlücke entdeckt und geschlossen. In den vergangenen zwei Jahren hat Geschäftsführer Roland Rüdinger seine 150 Lkw und 13 Lager umfassende Spedition Logistik-4.0-tauglich gemacht. „Der klassische Transport reicht heutzutage nicht mehr aus, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, so der 54-jährige Inhaber.

Unternehmen brauchen Transparenz und wollen Komplettlösungen – idealerweise um den gesamten Globus. Rüdingers Versandspektrum umfasst Güter aller Branchen, wobei sein Spezialgebiet auf Überbreiten und -längen sowie schweren Tonnagen liegt. Um Flugzeugturbinen oder Baumaschinen zu transportieren, hat er spezielle Verladegeräte und -techniken, Hallen und ein digitales Vermessungssystem, welches Transportgut mit Dutzenden Parametern samt Fotos erfasst.

Transparenz und Komplettlösungen

Ebenso hat Rüdinger sein Portfolio um See- und Luftfracht erweitert. Mit diesem Komplettservice schließt er die Kluft zwischen international agierenden Reedereien, Luftfahrtgesellschaften und nationalen Spediteuren. So kann Rüdinger auch seine digitale Prozesskette global ausrollen. Denn die meisten Fehler passieren bei Übergaben zwischen Transporteuren. Deshalb hat Rüdinger eigene Mitarbeiter am Stuttgarter Flughafen und am Hamburger Seehafen, die direkt Frachtkapazitäten bei Lufthansa und Co. sowie Reedereien buchen. Langatmige Ausfuhrprozesse oder die Abhängigkeit von externen Warenprüfungen hat der Stratege dadurch umgangen, dass er auch die schulungsintensive Legitimation durch das Luftfahrt-Bundesamt ins eigene Haus geholt hat. Als reglementierter Beauftragter kann er diesen Service nun auch extern anbieten.

Für seine Lösung der Zollübernahme hat der Unternehmer weitere Vertriebsideen, um Kompetenzen zu bündeln: Firmen im Exportgeschäft haben häufig einen eigenen Zoll-Beauftragten. Wegen der hohen Kosten für solche Ausfuhrspezialisten hat er in der Regel aber keine Vertretung. In diese Lücke will Rüdinger treten und stellt je nach Wunsch Vertretung oder Entlastung.

Weil Rüdinger mit See- und Luftfrachtkompetenz in der Wertschöpfungs- und Logistikkette um eine Position nach vorne gerückt ist, kann er nun die schnittstellenfreie Digitalisierung aller Geschäftsprozesse zu 100 Prozent abbilden. „Damit dürften wir aktuell bundesweit ein Alleinstellungsmerkmal haben“, vermutet Rüdinger. Zwar hätten viele Mitbewerber digitale Bausteine, doch fehle dort überall noch die Durchgängigkeit.

Auch einen „Apache“, einen dreidimensionalen Scanner samt Wiegefunktion und Kamera, haben die wenigsten. Hier wird das Frachtgut automatisch auf Höhe, Länge, Breite oder Gewicht vermessen, fotografiert und digital in die papierlosen Frachtpapiere eingepflegt. Die Daten werden anschließend auf einem Barcode festgehalten, der bei jeder Übergabe nur gescannt werden muss. Denn schon bei der Auftragsannahme fehlen oft Angaben oder werden vom Kunden heruntergespielt, um Frachtkosten zu drücken. Letzteres sorgt bei Auftraggebern und Spediteuren meist für nervenaufreibende Zeitverzögerungen, weil Platz oder Gewicht auf der Ladefläche nicht mehr passen. Diese Fehlerursachen werden somit an der Wurzel eliminiert.

Eine weitere Maßnahme zur lückenlosen Dokumentation bietet die Videoüberwachung, mit der Lagerhallen flächendeckend bis zur Rampe überwacht werden. So werden etwaige Transportschäden erfasst oder belegt. Das schafft Klarheit und schützt Mitarbeiter vor falschen Verdächtigungen. Mehr noch: Empfänger können bei einer Bestellung ihre Ware live in Zwischenhallen einsehen oder per Onlinebestellung in Auftrag geben. Aufgrund des Widerstands vieler Betriebsräte, die mit Datenschutz argumentieren, werden einige Logistikunternehmen diesen Teil der Logistik-4.0-Umstrukturierungen wohl vorerst auslassen.

Ein wichtiger Schritt bei der Einrichtung von Logistik 4.0 war auch die genaue Erfassung und Übermittlung der Ankunftszeit der Ware. Ein Vorteil für alle Just-in-time-Planungen. „Die Logistik muss der Geschwindigkeit der Industrie angeglichen werden – oder zukünftig sogar noch schneller sein“, sagt Prof. Tobias Bernecker. Denn nur dann gebe es keine Systembrüche an der schwächsten Stelle einer Wertschöpfungskette.


Hendrik Stüwe, freier Journalist in Göppingen

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