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Risikominimierung – aber wie?

Outsourcing von C-Teilen
Risikominimierung – aber wie?

Die Anforderungen an den Einkauf haben sich unter dem stetig wachsenden Wettbewerbsdruck dramatisch verändert. Die Notwendigkeit zur stetigen Verkürzung der Time-to-market und die Suche nach neuen Einkaufsquellen fordert von den Mitarbeitern im Einkauf alle verfügbare Kapazität an Zeit, Kompetenz und Leistung.

Die Beschaffung von C-Teilen wird diesem Anspruch in keiner Weise gerecht. Die Beschaffungskosten stehen in einem diskrepanten Verhältnis zum Artikelpreis oder Auftragswert. Die zeitliche Inanspruchnahme durch routinemäßige Tätigkeiten durch die Wahrnehmung von Randkompetenzen wie Bestellen, Termine überwachen, Reklamationen bearbeiten ist in keiner Weise gerechtfertigt. Verhandlungsspielräume sind durch zu kleine Volumina stark eingeschränkt. Hier setzen die Überlegungen zur Verlagerung von Teilleistungen des Einkaufs, aber auch anderer materialwirtschaftlicher Bereiche an einen externen Dienstleister ein.
 

Outsourcing und die damit verbundenen Risiken

Auch in der Frage des Outsourcing von C-Teilen muss das operative Handeln von strategischen Ansätzen geprägt sein. Denn ein Unternehmen, das Outsourcing betreibt, begibt sich aufgrund der zumeist langfristigen vertraglichen Bindung an den Dienstleister in ein Abhängigkeitsverhältnis. Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist daher in erster Linie ein für beide Partner berechenbares Verhalten sowie Offenheit und gegenseitiges Vertrauen.
Auch wenn Einkaufsdienstleister damit werben, dass für sie der Einkauf von C-Teilen zum Kerngeschäft gehört und somit ihre A-Teile sind, so ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass die Marktposition des outsourcenden Unternehmens entscheidend die Bereitschaft zum Miteinander, die Fähigkeit zum partnerschaftlichen Denken und Handeln mitbestimmt.
In jedem Fall sollte eine Lösung nicht zum Dogma erhoben werden, zumal der Grad der Abhängigkeit durch eine Reihe von Einflussfaktoren mitbestimmt wird, die ihrerseits wiederum in ihrer Auswirkung berechenbar sind.
Werden im Outsourcing-Prozess bei der Auswahl der Outsourcing-Teile, der Auswahl des Dienstleisters, der Vertragsgestaltung Fehler begangen, kann dies für das Unternehmen – und nicht nur für den Einkauf – von erheblichem Nachteil sein.
  • Die nachhaltig wirkenden Outsourcing-Entscheidungen verlangen ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein der Entscheidungsträger dafür, dass ihre Richtungsgebung die Zukunftsaussichten nicht schmälern.
  • Der Einkauf erhält eine vertragsgestaltende Verantwortung, die weit über die eingespielte, zur Routine gewordene Verhandlungspraxis hinausgeht.

Der Outsourcing-Prozess

Um Fehler im Outsourcing-Prozess zu verhindern, sollte dieser im wesentlichen bestimmten Prozessschritten folgen. Nach einer unternehmensspezifischen Problemdefinition im ersten und einer Grundsatzentscheidung pro Outsourcing im zweiten Prozessschritt muss im dritten Prozessschritt ein interfunktionelles Team aus qualifizierten Mitarbeitern des Einkaufs, der Disposition, der Lagerwirtschaft oder innerbetrieblichen Logistik, der Fertigung und des Vertriebs (Ersatzteile!) gebildet werden.
Für die neutrale Darstellung und Interpretation der Ergebnisse ist sinnvollerweise ein Mitarbeiter des Controlling in das Team einzubeziehen. Da in einem Industrieunternehmen C-Material eine unter zahlreichen Aspekten heterogene Vielfalt ganz unterschiedlicher Teile darstellt, ist es so gut wie ausgeschlossen, dass das gesamte C-Teile-Spektrum an einen Outsourcing-Partner übertragen werden kann. Die Aufgabe des Teams sollte daher lauten:
  • Analyse des C-Teile-Spektrums nach möglicher Eignung spezifischer Materialarten/-gruppen zum risikolosen Outsourcing der Beschaffung, möglichst einschließlich einer bestandslosen oder bestandsarmen Versorgungslogistik. Die Analyse des C-Teile-Spektrums muss Klarheit darüber schaffen, welche Materialgruppen für ein Outsourcing in Frage kommen. Für die Entscheidungsfindung eignet sich u. a. die Portfoliotechnik mit den Achsen „technische Komplexität“ und „Versorgungssicherheit“. Auf dieser Basis kann die Zuordnung spezifischer Materialgruppen wie in der Portfolio-Grafik erfolgen.
  • Speziell in diesem Prozessschritt ist es wichtig, eine sorgfältige Auswahl der Outsourcing-Objekte und Randkompetenzen zu treffen sowie die Handlungsoptionen – z.B. bestandslose oder bestandsarme Versorgung – umfassend und kritisch zu beurteilen.
  • In jedem Fall ist zu vermeiden, dass die Entscheidung pro oder contra Outsourcing der einen oder anderen Materialgruppe unter dem Druck, kurzfristig Kosteneinsparungen zu erzielen, voreilig und oberflächlich begründet getroffen wird.

Anforderungsprofil an den Dienstleister

Parallel zur Entwicklung des Anforderungsprofils oder im Anschluss daran kann die Markt- und Lieferantenanalyse zur Selektion geeigneter Outsourcing-Partner beginnen. In der Regel werden sich bei der Angebotsauswertung zwischen dem Anforderungsprofil und den Leistungsfähigkeiten potentieller Outsourcing-Partner Unterschiede ergeben. Typische Beispiele dafür sind:
  • fehlende Materialgruppen im Angebot,
  • andere Verpackungsgrößen,
  • fester Lieferrhythmus statt z.B. Kanban,
  • abweichende Kommunikationswege,
  • zu hohe Preise, indiskutables Preis-Leistungs-Verhältnis.
Hinsichtlich der Qualität der zu liefernden Teile und des logistischen Arbeitsablaufs beim Outsourcing-Partner ist der Nachweis einer Zertifizierung nach DIN/ISO/EN 9000 unerlässlich. Je nach Größenordnung und Bedeutung eines Partners sind mehrere Cross-Checks durch Auskünfte, Referenzen und evtl. auch Audits angezeigt, um eine realistische Beurteilung der Leistungsfähigkeit des potentiellen Outsourcing-Partners zu erreichen. Für die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit sind zweckmäßigerweise die (entfallenden) Prozesskosten aus dem Einkauf, dem Materiallager und der innerbetrieblichen Logistik zugrunde zu legen.
Allerdings ist dieser prozessorientierte Kostenvergleichsansatz problematisch, da in den meisten Unternehmen entsprechende kostenrechnerische Daten nicht vorliegen. Die Gefahr, dass mit nicht-relevanten und/oder nicht-abbaufähigen Personalkosten – Mitarbeiter sind nicht beliebig teilbar – „gerechnet“ wird, ist daher nicht von der Hand zu weisen. Um einen einigermaßen realistischen Kostensatz zu erhalten, sollte der Beschaffungsvorgang für C-Teile soweit wie möglich eingegrenzt werden, das heißt, die für C-Teile atypischen Aufgaben der Beschaffungsanbahnung sind auszuklammern.
  • Bedingung muss sein, dass die Summe der Leistungsvergütungen an den Outsourcing-Partner deutlich unter den eigenen Kosten bleibt, selbstverständlich unter Berücksichtigung der Transaktions- und Pflegekosten für den Vertrag mit dem Outsourcing-Nehmer.
In diesem Zusammenhang ist deutlich zu machen, dass hier nicht zwangsläufig der Personalabbau im Vordergrund stehen muss, sondern dass insbesondere die Mitarbeiter des Einkaufs von Routineaufgaben – den Randkompetenzen – entlastet werden sollen, um sich somit mehr auf die Aufgaben des strategischen Einkaufsmarketings konzentrieren zu können. Das gilt in besonderem Maße für kleinere Einkaufsabteilungen in der mittelständischen Industrie.
Vertragsgestaltung und -abschluss
Des weiteren ist die Vertragsgestaltung meist mit einigen Schwierigkeiten behaftet. Auch hier ist sorgfältiges Vorgehen äußerst wichtig, um das Risiko der Abhängigkeit zu verringern. Technische und rechtliche Komponenten, aber auch die jeweiligen Zuständigkeiten müssen detailliert festgelegt sowie ein Verfahren für künftige Veränderungen oder Anpassungen bestimmt werden. Kernpunkte des Vertrages sind:
  • Eine Vertragsdauer von mindestens drei Jahren mit automatischer Verlängerung, wenn vorher keine Kündigung erfolgt.
  • Kündigungsfristen bei besonderem Grund: Änderung der wirtschaftlichen Grundlagen, keine Einigung über Preisänderungen oder schlechte Leistungen.
  • Festpreise und Preisstellung frei Haus, mindestens für drei Monate verbindlich. Fristsetzung für Änderungsankündigungen, evtl. Preisgleitklausel. Pflicht zur Preisverhandlung mit Kündigungsklausel, falls keine Einigung zustande kommt.
  • Informationen zur Bedarfsplanung: Geschätzter, unverbindlicher Jahresbedarf, konkreter Monats- oder Quartalsbedarf, Termine für Einzelabrufe.
  • Lieferzeiten ab Erhalt der Bestellabrufe, um eine rechtzeitige Versorgung ohne Risiko sicherzustellen.
  • Klauseln über Vorratshaltung beim Outsourcing-Nehmer, evtl. Festlegung von Mindest- oder Höchstbeständen, spezielle Versorgungslogistik, z.B. JIT oder Kanban.
  • Kommunikationswege für das Bestell-, Liefer- und Abrechnungswesen, z.B. Telefax, EDI, Online-Verbindung, Behandlung der Installationskosten.
  • Anforderungen an eine Monatssammelrechnung, evtl. Gliederung nach Kostenstellen und Kostenarten aus Abrufen.
  • Abrechnung der Leistungsvergütung in Prozent des Warenwertes oder nach gelieferten Mengeneinheiten, evtl. gegliedert in Einkaufs- und Logistikkosten, nach „Schnelldrehern im JIT- oder KANBAN-Verfahren“ und Einzelbestellungen.

Implementierung und Zusammenarbeit

Auch bei der Implementierung und der laufenden Zusammenarbeit können unvorhergesehene Probleme auftreten. Diese resultieren erfahrungsgemäß in der Regel daraus, dass Bedenken, Vorurteile und Ängste der Mitarbeiter nicht erkannt und deshalb nicht rechtzeitig ausgeräumt werden.
  • Wirksame Problemlösungsmaßnahmen sind die frühzeitige Einbeziehung aller Prozessbeteiligten in das Prozessgeschehen sowie die überzeugende Verdeutlichung der Nutzenpotentiale.
Darüber hinaus sind im wesentlichen folgende Umstellungsmaßnahmen vorzunehmen:
  • Klärung der Zuständigkeit für das Schnittstellen-Management,
  • Erarbeitung eines neuen Stellenplanes für den Einkauf,
  • Entscheidung über das noch im Lager vorhandene Material,
  • Änderung der Beschaffungsart in den Materialstammdaten.
Nach Abschluss eines Outsourcing-Vertrages und seiner Implementierung ist das Preisverhalten des Outsourcing-Nehmers sorgfältig zu beobachten und im Hinblick auf die Realitäten im Markt zu überprüfen. Leistungsdefizite hinsichtlich Qualität-, Mengen- oder/und Terminzuverlässigkeit müssen sofort zu Reaktionen führen.
Patentlösungen gibt es nicht
Gestern Lean, heute muss es Reengineering, Benchmarking oder Outsourcing sein und was kommt morgen? Das offensichtlich zur Mode gewordene Aufgreifen von Schlagwörtern führt nicht unbedingt zum gewünschten Erfolg. Man muss jede Mode auf ihren eigentlichen Kern reduzieren und sich daraus Lösungen und Konzepte nach Maß schneidern. Patentlösungen gibt es nicht.
  • Ein Königsweg, der zur wünschenswerten Entschlackung des Beschaffungsprozesses und der Vermeidung von Verschwendung knapper Ressourcen bei gleichzeitiger Minimierung der sich aus der Abhängigkeit möglicherweise ergebenden Risiken führen könnte, kann aufgrund vielfältiger unternehmensspezifischer Unterschiede nicht aufgezeigt werden.
In jedem Einzelfall wird man anders entscheiden und eine spezifische Arbeitsteilung mit externen Partnern aufbauen müssen. Dabei ist darauf zu achten, dass der externe Dienstleister sich nicht nur die „Rosinen“ heraussucht und das eigene Unternehmen auf den „Exoten“ sitzen bleibt.
  • Der Druck, schnellstmöglich nach Lösungen zur Verbesserung der traditionell verwaltungslastigen Situation zu suchen, birgt das Risiko in sich, unkritisch nach einem Lösungskonzept eines unseriösen Dienstleistungsanbieters zu greifen.
Abhängigkeit Der Grad der Abhängigkeit wird bestimmt durch:
  • Teileart,
  • Marktmacht des eigenen Unternehmens/des Dienstleisters,
  • Wettbewerbssituation,
  • Position des Outsourcing-Gebers,
  • Unternehmenskultur beider Partner,
  • Vertragsgestaltung,
  • Leistungsvergütung.
Abhängigkeit kann sich widerspiegeln in:
  • Verzögerung bei der Abwicklung,
  • Unsicherheit in der Versorgungskette,
  • Erhöhung der Reklamationskosten,
  • Defizite in Kommunikation/Information,
  • unseriöser Preispolitik,
  • unklarer Leistungsabrechnung,
  • verzögerter Lieferantenzahlung.
Anforderungsprofil an den Dienstleister
  • Überzeugendes Preis-/Leistungsverhältnis,
  • Fachkompetenz, Marktkenntnis,
  • geschultes Personal,
  • hoher Service-Level,
  • integrierte Systemunterstützung,
  • Controlling-System,
  • überzeugende Beschaffungskonzepte,
  • leistungsfähige Logistik.

 

Prof. Dr. H. Hartmann, Überlingen
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