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Ungewisse Zukunft für ADSp und neue Verladerbedingungen

ADSp-Verhandlungen gescheitert
Ungewisse Zukunft für ADSp und neue Verladerbedingungen

Jahrzehntelang waren die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) das Maß aller Dinge, wenn es um einen Transport- oder Lagervertrag ging. Doch überraschend kam jetzt bei der Neufassung der Bedingungen zwischen den beteiligten Verbänden keine Einigung zustande. Damit beginnt eine Zeit der Unsicherheit.

Wenn es etwas gab, auf das man sich verlassen konnte, dann waren es die ADSp. Die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen waren im Gewerbe allgemein anerkannt, nicht zuletzt deshalb, weil sie gemeinsam vom Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV), dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) sowie dem Handelsverband Deutschland (HDE) erarbeitet und zur Anwendung empfohlen wurden. Ursprünglich wurden die Bedingungen bereits 1927 erstmalig eingesetzt, die aktuelle Fassung stammt aus dem Jahr 2003. Sowohl die Verlader als auch die Transportdienstleister vertrauten darauf, dass ihre jeweiligen Verbände ein interessengerechtes und kompromissfähiges Werk ausgehandelt hatten. „90 Jahre haben die ADSp für einen Ausgleich der Interessen zwischen den Marktbeteiligten gestanden“, bestätigt DSLV-Verhandlungsführer Uwe Lukas von der Spedition Dachser.

Umso größer war die Überraschung in der Branche, als Anfang September verlautbart wurde, dass man sich in den aktuellen Verhandlungen nicht auf eine Neufassung der ADSp einigen konnte. „Den Beteiligten gelang es trotz aller Anstrengungen nicht, einen gemeinsamen Nenner zu finden“, meldete der DSLV am 9. September 2015. Mehr als zwei Jahre lang hatte man unter Moderation des Deutschen Industrie- und Handelskammertages versucht, die in die Jahre gekommene 2003er-Fassung zu modernisieren und an die aktuelle Rechts- und Gesetzeslage anzupassen. Nach Überzeugung der verladenden Wirtschaft entsprachen die bisherigen ADSp nicht mehr den Realitäten und Anforderungen internationaler und zunehmend digitalisierter Logistik- und Supply-Chain-Ketten. „Die Einschätzung zur Zukunftsfähigkeit der ADSp sowie zu Haftungsregelungen, die sich aus Änderungen des Handelsgesetzbuchs ergeben, sind letztendlich der Grund für das Scheitern der Verhandlungen“, teilte der BGA mit.
Es folgte Pressemitteilung auf Pressemitteilung. Die ADSp seien zunächst weiterhin anwendbar, verbreitete der DSLV als Vertreter der Transportunternehmen, man werde aber bald eine eigene Neufassung präsentieren. Die ADSp seien mit sofortiger Wirkung nicht mehr gültig und auch der Name dürfe nicht mehr verwendet werden, konterten die Verbände auf Verladerseite und legten bereits am 21. September 2015 ein von ihnen entworfenes, neues Regelwerk vor, die „Deutschen Transport- und Lagerbedingungen (DTLB)“. Auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) ergriff die Gelegenheit und wies auf seine bereits 2003 entworfenen und 2015 überarbeiteten „Vertragsbedingungen für den Güterkraftverkehrs-, Speditions- und Logistikunternehmer (VBGL)“ hin.
Die Hamburger Rechtsanwältin Susanne Müller-Kraft, Expertin für Transport- und Speditionsrecht, erklärt dazu gegenüber Beschaffung aktuell: „Die ADSp können nach wie vor vereinbart werden – die bloße Tatsache, dass von Verladerseite andere Geschäftsbedingungen, die DTLB, in den Umlauf gebracht worden sind, hat für Transportunternehmen zunächst einmal keine Konsequenz.“ Sie weist darauf hin, dass beide Klauselwerke Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellten, die nur dann Geltung erlangten, wenn sie zwischen den Vertragsparteien vereinbart seien.
Unter Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) versteht man für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsklauseln, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt – landläufig „das Kleingedruckte“ genannt. Bisher waren dies zwischen Spediteuren und ihren Auftraggebern fast immer die ADSp mit ihren Regelungen über Verpackung, Lagerung, Ablieferung, Haftung und weitere wichtige Bereiche. Nun könnte es aber in Zukunft zu einem Kräftemessen zwischen beiden Vertragsparteien dahingehend kommen, wer „seine“ AGB – ADSp oder DTLB – im konkreten Fall durchsetzen kann. Handelsbrauch wie bisher sind die ADSp nach den gescheiterten Verhandlungen jedenfalls nicht mehr.
ADSp und DTLB im Vergleich. Die neuen Verladerklauseln sind verladerfreundlicher ausgestaltet als die Spediteursbedingungen. „Aus den DTLB resultiert eine erhebliche Haftungserweiterung für die Transportunternehmen im Vergleich zu den ADSp“, erklärt Anwältin Müller-Kraft. „Anders als in den ADSp gibt es für Schäden im speditionellen Umschlag keine Haftungsbegrenzung mehr auf 5 Euro pro Kilogramm, sondern es gelten die gesetzlichen Haftungsgrenzen, also regelmäßig 8,33 Sonderziehungsrechte pro Kilogramm des beschädigten oder in Verlust geratenen Gutes.“ Auch im Bereich der verfügten Lagerung ist keine Haftungsgrenze auf 5000 Euro je Schadensfall mehr vorgesehen, sondern eine Haftung des Lagerhalters, die bis zum Dreifachen des Betrages reichen kann, der bei Verlust des Gutes zu zahlen wäre. „Das kann eine ganz erhebliche Summe sein und wird Prämienerhöhungen der Versicherer nach sich ziehen.“
Versicherungsschutz. Auch den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bewegt die aktuelle Situation. Der Verband weist darauf hin, dass die vertragliche Haftung aus AGB nur dann versichert ist, wenn der Versicherer dem Einschluss dieser Bedingungen in den Versicherungsschutz zugestimmt hat. „Spediteure sollten sich daher vor jeder Änderung der AGB mit ihrem Versicherer in Verbindung setzen“, rät eine Sprecherin des Verbandes. Auch sollte die Situation vermieden werden, dass die Vertragsparteien sich widersprechende AGB verwenden, also der auftraggebende Verlader die DTLB und der Frachtführer die ADSp zur Vertragsbedingung macht. Dann wäre nämlich keines der beiden Regelwerke anwendbar und es würden stattdessen die Normen des Handelsgesetzbuches (HGB) gelten – was man eigentlich vermeiden wollte. Dass man auf Verladerseite die Gelegenheit genutzt hat, die Haftungsverteilung in den neuen Bedingungen nach eigenen Vorstellungen vorzunehmen, ist nachvollziehbar. Allerdings gibt die Rechtsordnung für diese Gestaltungsfreiheit auch Grenzen vor. Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dürfen nicht so andersartig ausgestaltet sein, dass sie den „wesentlichen Grundgedanken“ des Gesetzes komplett umkehren. Insofern müssen sich die DTLB an den Anforderungen, die Paragraf 307 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) stellt, messen lassen. Ob alle Klauseln dieser Überprüfung standhalten, können am Ende nur die Gerichte entscheiden.

§ 307 BGB Inhaltskontrolle

Anforderungen an Allgemeine Geschäftsbedingungen

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
  • 1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
  • 2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
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