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Wirkung der Marke im B2B-Einkaufsprozess

Studienprojekt zur Messung des konkreten Beitrags der Marke zum Erfolg von B2B-Unternehmen
Wirkung der Marke im B2B-Einkaufsprozess

Wirkung der Marke im B2B-Einkaufsprozess
Taste the feeling. Emotionen pur. Werbekampagne von Coca Cola. (Bild: Coca Cola)
Werbespots im TV, die sich ans breite Publikum richten, zeichnen sich durch etwas aus, das sie nicht oder nur wenig haben: Information. In der Kürze der teuren Zeit setzen die Werber auf Gefühlsexplosion. Die Neurowissenschaft ist sich sicher: Über 90 Prozent aller Entscheidungen fallen im Herzen und nicht im Gehirn. Im Bereich B2B herrscht allerdings noch Unklarheit hinsichtlich des Markeneinflusses. Eine Studie will diese Lücke schließen.

McDonald‘s setzt auf das größte aller Gefühle: „Ich liebe es“. Andere packen es branchenspezifisch an – immer mit der Formel „Emotion x Zeitgeist“. Die Commerzbank ist „die Bank an Ihrer Seite“, Marlboro pries den „Geschmack von Freiheit und Abenteuer“. Diese Slogans appellieren an die Gefühlswelt der Käufer.

Marke im B2B – Das Warum der Studie
Im Gegensatz zum privaten Konsum jedoch lassen sich Unternehmen nicht beirren von emotionaler Antanzerei und der Aura eines großen Namens. So weit die Theorie und der Versuch, dies praktisch zu sichern. Compliance-Regeln verhindern, dass Einkäufer und Anbieter Seilschaften bilden und immer wieder wird der Einkauf gebrieft, wie er sich mental gegen feindliche Überredungskünstler wehrt. Zusätzlich steigt die Zahl der Unternehmen, die ihre Spezialisten fürs Kaufen zu Seminaren für den Vertrieb entsenden, um sie gegen dessen neueste Tricks zu wappnen.
Doch lässt sich diese Immunisierung im B2B gegen den Lockstoff der Gegenseite wirklich erreichen? Denn auch die besten EinkäuferInnen sind doch „nur“ Menschen mit Herzen und Hirnen, die sich danach sehnen, „auf der sicheren Seite zu sein“. Lohnt sich eine Investition in den guten Ruf und die Marke, weil sie einen Vorteil im Rennen um den Abschluss bietet?
Die einschlägige Literatur und viele „Verkaufspäpste“ plädieren für mehr Kundenbetreuung, höhere Innovationspower und effizientere Prozesse, um schneller, verlässlicher und günstiger mehr Qualität zu liefern. Der wohlklingende Name bringt nichts, ist man sich weitgehend einig. Wie aber kann das stimmen, wenn die Menschen so emotional sind, wie die Neuro-Experten behaupten? Diese Frage war Grund für die Vertriebsexperten der Milz & Comp. GmbH und die Markenspezialisten der Lux Kastens Partner GmbH, um ihr gemeinsam mit der Hochschule Koblenz auf den Grund zu gehen.
Basierend auf der Studienintention liefern viele der Ergebnisse Inspirationen für die Anbieterseite. Doch auch für die Abnehmer von Produkten und Leistungen ergeben sich spannende Aspekte.
1. Die stärksten Trigger sind keine Hardfacts
In den telefonischen Interviews wurden Service, gute Erfahrungen, Qualität und Preis in dieser Reihenfolge an erster Stelle genannt. Schon die Erfahrung ist emotional zu bewerten. Doch auch Preis, Qualität und Service sind längst nicht so „hart“ wie gedacht. Die sprachwissenschaftliche Auswertung zeigt, dass Service und Qualität anhand von Definitionen standardisiert werden. Qualität wird mit Begriffen wie „Merkmale, Festlegung und Prüfung“, Service mit „Level, Verständnis und Leistung“ verbunden. Offenbar gehört die Objektivierung hier zu den größten Problemen des Einkaufs. Überraschendes zeigt sich selbst beim Preis. Die vermeintliche Objektivität der Zahl relativiert sich durch den Zusammenhang, in dem sie genannt wird. Denn der Preis wird für etwas bezahlt, und fast die Hälfte der Antworten verweist auf „gefühlten“ Gegenwert: Qualität, Kommunikationsfluss und vieles andere mehr.
2. Auswahlprozess und Unsicherheit
Da der beste Preis sinnlos ist, wenn das Produkt nicht taugt, setzt das Auswahlverfahren stark auf gefühlte Faktoren: „persönliche Kontakte … People Business… zwei Anbieter, die eine Idee hatten … jahrelange Beziehungen… bestanden bereits Rahmenverträge …“ So lauten eine Reihe Antworten, die eine emotional bestimmte Bevorzugung von Stammlieferanten vermuten lassen. Weiterhin belegen die Live-Befragungen, dass bei Auswahlprozessen ohne Ausschreibung nicht nur die eigene Erfahrung, sondern ebenso Bekanntheit und Größe (beides Renommee-Faktoren) noch stärker wirken.
3. Die Entscheidung fällt nicht über den Preis
Die Frage, ob informelle Kriterien die Entscheidung beeinflussen, wurde zwar durchgängig verneint, die Folgefragen lassen aber Zweifel aufkommen. Befragt danach, warum man sich so entschied und wie man den Ausschreibungsgewinner beschreiben würde, fielen folgende Antworten:
  • Größe: „führende Unternehmen, Marktführer, weltweit vertreten, Marktverbreitung …“
  • Finanzieller Background: „sehr solide, Bonität, hohes Scoring, wohlakkreditiert …“
  • Erfahrung: „langer Kontakt, gute Zusammenarbeit, langjährig gute Erfahrungen …“
  • Kommunikation: „viele Beiträge im Web, gute Präsentation, persönlicher Ansprechpartner …“
  • Spezialisierung: „Sondermaschinen, auf das Gesuchte spezialisiert, hoher Ingenieuranteil …“
  • Verfügbarkeit: „Schnelligkeit des Angebots, geringe Ausfallraten, kurze Standzeit“
Wie die Studie und insbesondere die fundierte wissenschaftliche Auswertung der Interviews zeigt, fällt es schwer, im Einkauf eine verbindliche Sprache zu finden und echte Vergleichbarkeit herzustellen. Es scheint ein derzeit unerfüllbarer Wunsch, den Erwerb von Gütern und Services an rein formalen Kriterien festzumachen. Entweder sind die gefühlt formalen Faktoren gar keine oder sie werden stark mit emotionalen Elementen verkoppelt. Es zeigt sich, dass die wahren Entscheidungstreiber stark auch auf informellem Boden gedeihen. Dabei entwickeln die Beteiligten im Beschaffungsprozess Sprachstrategien, um
  • Orientierung zu finden,
  • Unsicherheiten/Risiken zu reduzieren und
  • Vertrauensanker zu identifizieren.
Natürlich sind damit rationale Kriterien nicht vom Tisch. Es zeigt sich aber, dass Markeninvestitionen für B2B-Anbieter lohnen, weil die Härte der Auswahlfaktoren beim Käuferunternehmen längst nicht so hoch ist wie gewünscht und angenommen. Die Herausforderung lautet nicht, den Kaufprozess noch stärker gegen Emotionales abzuschotten, das sich ohnehin kaum ausschließen lässt. Vielmehr kommt es darauf an, die weichen Faktoren zu akzeptieren und konstruktiv einzusetzen. Denn die wahre Gefahr besteht darin, dass ein gefühlt rationaler Einkauf mit in Wahrheit stark emotionalen Einflüssen den Zugang neuer, spannender Lieferanten unterbindet. Und das kann langfristig teurer werden, als einmal ein faules Ei ins Nest zu holen, das beim zweiten Auftragscrash schnell wieder durchs Raster fällt.

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Markus Milz, Mittelstandsexperte, Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung Milz & Comp.
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