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Zertifikate – der Sand im Getriebe

Globale Teilelogistik in der Automobilindustrie
Zertifikate – der Sand im Getriebe

Auch wenn die globale Supply Chain der OEMs und Zulieferer kontinuierlich verbessert und optimiert wird, entstehen durch die globalen Produktionsverbünde neue Herausforderungen. Ein Beispiel hierfür sind die Produktzertifizierungspflichten von China. Das Problem sollte nicht unterschätzt werden, da bei dessen Nicht-einhaltung Produktionsstillstände drohen können. Wir stellen Ihnen praktische, operative Lösungsmöglichkeiten, aber auch IT-basierte Ansätze vor.

Aufgrund einer immer größer werdenden Variantenvielfalt und eines stetig steigenden Kostendrucks werden die Supply Chain (SC) der deutschen Automobilhersteller (OEMs) und deren Zulieferer immer „länger“ und komplexer. Darüber hinaus baut jeder deutsche OEM globale Fertigungs- und Distributionsnetzwerke auf und folgt damit den Absatzmärkten. Somit ist die deutsche Automobilindustrie ein Paradebeispiel für den länder- und kontinentübergreifenden Handel geworden. So exportierten laut dem Jahresbericht des VDA die deutschen OEMs rund 77 Prozent der Pkw-Inlandsproduktion ins Ausland.

Um die Logistikausgaben nicht übergebühr ansteigen zu lassen, wurden und werden immer ausgefeiltere Konzepte entwickelt. Durch die Expansion in neue Märkte entstehen aber neue Herausforderungen. Das Thema Zoll wird immer gravierender. Schutzzölle können natürlich durch eine Produktion in dem jeweiligen Land begegnet werden. Durch den globalen Produktionsverbund ist es aber unvermeidlich, dass Teile sowohl für die Produktion als auch als Ersatzteil für das Aftersales in das jeweilige Land importiert werden. Darüber hinaus bestehen in den jeweiligen Ländern zollseitig verschiedenste Produktzertifizierungspflichten. In China etwa ist es das China Compulsory Certificate (CCC). Diese Zertifizierungspflicht gilt hier nicht nur für ausländische Hersteller, sondern auch für Hersteller in China die Waren für den chinesischen Markt produzieren. Somit erfolgt sowohl an den Grenzen eine entsprechende Kontrolle als auch binnenländisch. Der Zertifizierungsprozess ist mit ca. drei Monaten zeitlich sehr intensiv. Auf darüber hinaus gehende Bestimmung für Zollpapiere wird aus Platzgründen nicht eingegangen. Aus gleichen Gründen erfolgt auch eine bewusste Fokussierung auf den chinesischen Markt, da dieser für die deutsche Automobilindustrie aktuell der mit Abstand wichtigste Auslandsmarkt ist. Nach China wurden seitens der Automobilindustrie im Jahr 2012 Waren im Wert von rund 20 Mrd. Euro exportiert.
Die Auslandsmärkte unterscheiden sich somit regulatorisch vom europäischen Binnenmarkt. Ein Beispiel ist der Umgang mit der Produktzertifizierungspflicht. Diese Vorgaben können sich zeitlich stark ändern. In China kann eine Produktzertifizierungspflicht je Bauteil, Bauteilgruppe in einem Jahr gelten und im nächsten Jahr auch nicht. Speziell diese Änderungen bringen „Sand in das Getriebe“ der global optimierten Supply Chain. Als Konsequenz der fehlerhaften oder nicht vorhandenen CCC’s kann es passieren, dass Teile nicht nach China importiert werden dürfen, mit den hieraus sich ergebenden Auswirkungen auf die Produktion bis hin zu Bandstoppen oder ein gestörtes Aftersales.
Wie sieht nun das fachliche Vorgehen für eine entsprechende notwendige Zertifizierung aus? Ausgangsbasis ist zuerst die Überprüfung der CCC-Relevanz eines Teiles. Dies kann auf Basis des deutschen HS-Codes (Harmonisiertes System) erfolgen. In allen WTO-Ländern stimmen die ersten sechs Stellen der Zolltarifnummer überein. Ist keine Übereinstimmung in diesen ersten sechs Stellen festzustellen, so kann von einer Unbedenklichkeit des Teiles ausgegangen werden (also keine CCC-Relevanz), ansonsten ist das entsprechende Teil als kritisch einzustufen. Bei kritischen Teilen ist nun der Produktzertifizierungsprozess anzustoßen. Hierbei handelt es sich um einen mehrstufigen Prozess. Er beginnt mit einer entsprechenden Anmeldung bei den zuständigen chinesischen Stellen. Im Anschluss daran erfolgt in einer chinesischen Einrichtung der Test der Ware, gefolgt von einem Produktionsaudit.
Anstieg der Komplexität. Die hier für das Land China exemplarisch dargestellten Vorgaben finden sich analog in anderen für die deutsche Automobilindustrie relevanten Exportländern wieder. Diese Zoll-Vorgaben sind naturgemäß leider sehr länderspezifisch, beeinflussen aber das deutsche Exportgeschäft erheblich. Sie führen in Summe zu einem Anstieg der Komplexität für die Logistik und die Beschaffung inklusive der Kosten, also weiterer „Sand im Getriebe“ der Supply Chain. Bei dem Thema Zertifizierung handelt es sich primär um einen fachlichen Prozess der nur teilweise durch IT unterstützt werden kann, was leider die ganze Sache nicht einfacher macht. Als ersten Ansatz versuchen die OEMs hier die lokalen gesetzlichen Vorgaben an die Zulieferer weiter zu geben. Dieses Vorgehen reicht aber als Lösungsstrategie bei weitem nicht aus.
Aus dem bisher gesagten können nun mehrere Handlungs- und Lösungsansätze abgeleitet werden. Ein Baustein ist die praktische, operative Unterstützung durch spezialisierte Firmen. Diese leisten Unterstützung bei der Ermittlung der Einfuhrzollsätze, der Umsatzsteuer an (HS-Code) und der Produktzertifizierungspflicht. Letzteres stellt einen kontinuierlichen Prozess dar, da sich ja Zollvorgaben speziell in diesem Punkt ändern können. Darüber hinaus ist der Prozess bei jedem neuen Zielmarkt neu zu starten und differiert inhaltlich.
Genau hier setzen weitere Dienstleistungsangebote ein. Hier geht es um eine mehr operative Unterstützung. Diese Unternehmen monitoren, in wie weit sich Produktzertifizierungspflichten in den einzelnen Ländern verändern, stimmen sich mit den jeweiligen Zulieferern, aber auch mit den eigenen Länderorganisationen ab und sorgen dafür, dass immer die „richtigen“ Zertifikate vorhanden sind. Hierunter fallen auch Sondergenehmigungen für kleinere CCC-pflichtiger Produkte respektive die Durchführung des Genehmigungsprozesses. In Summe handelt es sich um einen nicht zu unterschätzenden Aufwand. Hierfür werden mehrere Mitarbeiter in Vollzeit beschäftigt und der Aufwand wächst mit weiteren Märkten da, wie schon erwähnt, viele manuelle Tätigkeiten zu erledigen sind. Dieser hohe personelle Aufwand auf der Einen Seite und das fehlen einer operativen logistischen Unterstützung durch den obigen Ansatz führt dazu, dass immer stärker versucht wird das Problem mit IT-Systemen, wie SAP GPS (Global Trade Services) zumindest teilweise in den Griff zu bekommen.
Zu den offenen Fragen im ersten Lösungsansatz gehört „was passiert mit fehlerhaft zertifizierten Teilen und wie erfolgt das Monitoring der SC?“.
Generell kann die Fragestellung IT-basiert in drei Richtungen beantwortet werden:
  • Hinterlegen der Produktzertifizierungspflichten Informationen und Teile im PDM (Produkt Datenmanagement) und damit der Stückliste
  • Umsetzung mit SAP unter anderem mit GTS
  • Realisierung auf Basis einer Individualentwicklung
Darüber hinaus besteht natürlich auch die Möglichkeit eines gemischten Ansatzes aus der obigen Aufzählung.
Die Verwendung von SAP GTS ist hier der praktikabelste Weg. Entsprechende Anpassungen und das ggf. notwendige Laden der Daten aus dem SAP ECC (Enterprise Central Core) sind zu berücksichtigen. Die Basisdaten, in Form von Stücklisteninformationen, müssen aus dem unternehmenseigenen PDM (Produktdatenmanagement) kommen. Somit wäre vermieden, dass neue „Datentöpfe“ in Form von neuen Systemen entstehen und Daten redundant vorliegen. Hierbei gilt es nicht nur den Implementierungs- sondern auch den Pflegeaufwand für derartige Lösungen zu minimieren. Somit ist eine Individualentwicklung hier die schlechteste Lösung. Die Integration zwischen PDM und SAP-System kann über entsprechende Schnittstellenlösungen (etwa von TIBCO) realisiert werden.
Ferner sollte ein fachlich und IT-technisch zentraler Ansatz gewählt werden. Dies bedeutet, dass alle Aktivitäten im Zusammenhang mit Produktzertifizierungspflichten für alle betroffenen Märkte von einer zentralen Stelle (bevorzugt am Hauptsitz des jeweiligen Unternehmens) gesteuert und koordiniert werden.
Unabhängig vom gewählten Ansatz (operative Unterstützung oder IT-basiert) ist der Genehmigungsprozess für produktzertifizierungspflichte Teile durchzuführen. Hier können entweder die eigenen lokalen Organisationseinheiten oder die schon erwähnten externen Partner unterstützen.
Der (IT-basierte) Umsetzungsgrad bei den deutschen OEMs und deren Zulieferer ist sehr unterschiedlich. Vielfach werden hier die Prozesse sehr stark manuelle abgewickelt, was eine entsprechende Fehlerquelle und natürlich auch zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Produktionssicherheit und -versorgung führt.

Dienstleister

Das CCC-Zeichen wird ausschließlich in China von der CNCA vergeben. In Deutschland gibt es einige Institute und Firmen, die sich anbieten die Prozedur der Beantragung und der Durchführung des Zertifizierungsverfahrens als Dienstleister für deutsche Exporteure zu übernehmen, weil sie über langjährige Kontakte und Erfahrungen verfügen, zum Teil auch Niederlassungen in China besitzen. Folgend finden Sie einige Anlaufstellen in alphabetischer Reihenfolge:

Weitere Informationen

Informationen in Bezug auf deutsche und chinesische Normen können unter www.standards-portal.de eingesehen werden.
Da es aufgrund verschiedener Standards und Normen immer wieder zu Problemen im Handel zwischen der EU und China kommt, haben die Europäischen Union, die European Free Trade Association (EFTA) sowie die Standardization Administration of the People’s Republic of China (SAC) eine gemeinsame Plattform errichtet, die zahlreiche Informationen zu den jeweiligen Standards und technischen Normen gibt. Die China-Europe Standardization Information Platform (CESIP) finden Sie unter: www.eu-china-standards.eu

CCC-Zertifikat
Das CCC-Zertifikat (China Compulsory Certificate) ist das chinesische Pflichtzertifikat für verschiedene Produktgruppen, insbesondere für elektrotechnische Produkte. Die zertifizierungspflichtigen Produkte dürfen erst nach China importiert und dort verkauft werden, nachdem eine CCC-Zertifizierung des Produktes durchlaufen wurde. Das CQC (China Quality Certification Centre) ist für die Durchführung der Zertifizierung verantwortlich und legt die Produktgruppen fest, die zertifizierungspflichtig sind. Eine CCC-Zertifizierung muss daher für alle Produkte durchgeführt werden, die zu den von der CQC festgelegten Produktgruppen gehören.
Ob ein Produkt CCC-pflichtig ist, kann anhand der Zolltarifnummer überprüft werden. Hinweise auf die CCC-Pflicht liefert auch der First Catalogue of Products Subject to China Compulsory Certification
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