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CBAM: Dr. Volker Lederer im Interview

Dr. Volker Lederer, geschäftsführender Gesellschafter, Lederer GmbH
„Enormer administrativer Aufwand bei uns und den Lieferanten“

Die Europäische Union hat im vergangenen Oktober mit der Einführung des CO2-Grenzausgleichssystems, CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism), begonnen. Die erste Meldung musste bis Ende Februar abgegeben werden. Wie sich das EU-System auf den Import – zum Beispiel im Bereich der Verbindungstechnik – auswirkt, erklärt Dr. Volker Lederer, geschäftsführender Gesellschafter bei Lederer.

Das Interview führte Yannick Schwab, Beschaffung aktuell

Beschaffung aktuell: Herr Dr. Lederer, wie lautet Ihre Einschätzung zum CO2-Grenzausgleichssystem, CBAM?

Dr. Volker Lederer: Als einer der führenden mittelständischen Großhändler und Anbieter von Verbindungselementen und Sonderteilen importieren wir auch viel aus Asien, meist direkt von den Herstellern der Schrauben, Muttern und Scheiben oder dort ansässigen Zwischenhändlern. Die Vielzahl unserer asiatischen Partner und die enorme Bandbreite der von uns gehandelten Produkte stellen uns und unsere Lieferanten bei CBAM vor kaum zu bewältigende Herausforderungen. Dazu kamen Mängel in der Einführungsphase: Die Vorbereitungszeit nach Veröffentlichung der Durchführungsverordnung im August 2023 war viel zu kurz und fernab jeder Praxis angesetzt. Wir mussten uns zunächst durch insgesamt mehrere hundert Seiten an Durchführungsverordnung und Guidance-Dokumente arbeiten, um den vollen Umfang von CBAM zu erfassen. Eine noch viel größere Herausforderung besteht darin, unseren asiatischen Partnern die sehr komplexen Inhalte des Systems zu vermitteln. Viele haben externe Dienstleister hinzugenommen, weil sie allein mit den Anforderungen von CBAM völlig überfordert waren und weiterhin sind. Es war deshalb nicht möglich, den ersten CBAM-Bericht für das vierte Quartal 2023 mit den tatsächlichen Emissionsdaten der Hersteller einzureichen. Die Abgabefrist konnte nur durch die Verwendung der von der EU-Kommission zur Verfügung gestellten Standardwerte eingehalten werden. Für uns kam erschwerend hinzu, dass die in Deutschland zuständige CBAM-Behörde (Deutsche Emissionshandelsstelle, DEHSt) sehr verspätet bekanntgegeben wurde. Dadurch erhielten wir erst Mitte Januar Zugriff auf das CBAM-Übergangsregister, in dem der Bericht erfasst und übermittelt werden musste.

Wie wirkt sich CBAM auf Ihr Unternehmen und insbesondere den Einkauf aus?

CBAM wird zweifellos in den nächsten Jahren ein zentrales Thema in unserem Unternehmen bleiben. Momentan befinden wir uns in der Einführungsphase und unser Fokus liegt darauf, CBAM gemeinsam mit den Lieferanten umzusetzen, Daten zu sammeln und auszuwerten. Wichtige strategische Entscheidungen des Einkaufs werden zukünftig von CBAM beeinflusst. Die Wettbewerbsfähigkeit von Schraubenherstellern wird in Zukunft wesentlich von der Höhe ihrer CO2-Emmissionen und der ihrer Materiallieferanten abhängen. Mit der vollständigen Implementierung ab 2026 wird CBAM noch deutlich an Bedeutung für uns Importeure und unsere asiatischen Lieferanten gewinnen.

In einem Beitrag zur Entwicklung Ihrer Branche haben Sie betont, wie kompliziert die Umsetzung ist. Was genau müsste Ihrer Meinung nach geändert werden, um die Praxis zu erleichtern?

Um an CBAM teilnehmen und unsere Berichtspflichten erfüllen zu können, sind wir auf die Kooperation unserer Lieferanten angewiesen. Die von der EU zur Verfügung gestellten Guidance-Dokumente und Kommunikationsvorlagen sind derart kompliziert und umfangreich, dass sie vielmehr verwirren als hilfreich zu sein. Hier wünschen wir uns mehr Praxisnähe und eine Reduktion auf das Notwendige. Auch wäre es wünschenswert, solche Dokumente nicht nur in Englisch, sondern ebenfalls in den Muttersprachen unserer Lieferanten, zum Beispiel Hindi oder Mandarin, zu erhalten. Dies wurde von der EU-Kommission für Mai 2024 in Aussicht gestellt.

Welche konkreten Anpassungen mussten Sie im Hinblick auf die Beschaffungsprozesse vornehmen, um die CBAM-Anforderungen zu erfüllen?

Wir können den vollen Umfang der notwendigen Anpassungen noch nicht absehen, er wird sich erst im Laufe der nächsten Monate und Jahre herausstellen. Es zeichnet sich aber ab, dass der Import von asiatischen Zwischenhändlern problematisch werden könnte. Diese müssten zukünftig ihre Quellen, also Hersteller, offenlegen, um uns die notwendigen Daten für die CBAM-Berichte zu liefern. Außerdem erwarten wir mit Spannung den Sommer, denn ab August müssen aktuell die von den Herstellern ermittelten tatsächlichen Emissionsdaten im Bericht verwendet werden. Lieferanten, die dazu nicht in der Lage sind, dürfen dann von uns nicht weiter berücksichtigt werden.

Welche Mehrkosten entstehen für Sie und schlussendlich auch für Ihre Kunden durch CBAM? Wird es zu Veränderungen im Produktportfolio kommen?

CBAM verursacht einen enormen administrativen Aufwand bei uns und bei den Lieferanten. Durch die Beauftragung externer Dienstleister entstehen unseren Lieferanten weitere Kosten. Mit der vollständigen Implementierung von CBAM zum Jahresbeginn 2026 werden schrittweise Kosten für CO2-Zertifikate hinzukommen. Die Kosten für die Zertifikate können weder unsere Lieferanten noch wir tragen, wir werden sie an unsere Kunden weitergeben müssen. In letzter Konsequenz werden die Preise vieler Produkte, ob Konsum- oder auch Produktionsgüter, in Folge des CO2-Grenzausgleichssystems steigen.

Wie groß ist der zusätzliche Personalaufwand und wo fällt er an?

Der Personalaufwand ist erheblich. Wir haben ein eigenes Projektteam für die Umsetzung von CBAM gebildet. Darüber hinaus gibt es Schnittstellen zu zentralen Unternehmensbereichen: Zum Einkauf, zum Verkauf, zur IT. Auch dort werden bereits vorbereitende Arbeiten geleistet.

Gibt es Überlegungen mittels Digitalisierung und Automatisierung Abhilfe zu schaffen, um den Aufwand für die Mitarbeitenden zu reduzieren?

Auf jeden Fall. Nur mittels Digitalisierung und Automatisierung wird es möglich sein, den Aufwand für unsere Mitarbeitenden langfristig in einem halbwegs vertretbaren Rahmen zu halten. Der Datenaustausch mit unseren Lieferanten wird mittel- bis langfristig ebenfalls nur über einen automatisierten Datenaustausch möglich sein. Nur so können wir den Personalaufwand auf beiden Seiten reduzieren.

Kann das CBAM aus Ihrer Sicht auch positive Impulse setzen?

CBAM kann – wenn das Konzept funktioniert – einen Beitrag zur Dekarbonisierung von Fertigungsprozessen leisten. Im Sinne des Klimaschutzes wäre das zu begrüßen. Möglicherweise kann auch das Bewusstsein für die globalen Zusammenhänge des Klimawandels in den Unternehmen gestärkt werden. Aus unternehmerischer Sicht erwarte ich positive Impulse für die Digitalisierung. Wie bereits erwähnt werden wir Prozesse anpassen müssen, um die enorme Datenflut meistern zu können. Vielleicht führt CBAM auch zu einer noch engeren Zusammenarbeit mit denjenigen asiatischen Partnern, die sich wie wir intensiv mit dem System auseinandersetzen. Schließlich müssen wir viel miteinander kommunizieren, um gemeinsam ans Ziel zu kommen. Bis dahin werden wir aber noch viel Zeit brauchen.

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