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Lieferantenmanagement professionalisieren statt lamentieren

Wie Orafol die ESG-Thematik als Chance nutzt
Lieferantenmanagement professionalisieren statt lamentieren

Orafol veredelt Kunststoffe mit komplexen technologischen Verfahren. Um den Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes gerecht zu werden, hat das Unternehmen frühzeitig die Weichen gestellt: Durch die Implementierung eines umfassenden digitalen Systems und die Zusammenarbeit mit Experten gelang es, nicht nur gesetzliche Vorgaben zu erfüllen, sondern auch die Effizienz und Transparenz in der Lieferkette zu steigern. Dies ist ein Beispiel für vorausschauendes Handeln, das einen klaren Wettbewerbsvorteil verschafft.

 

Sabine Ursel, Fachjournalistin, Wiesbaden

Weil Orafol seit Januar 2024 unter das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) fällt, hat sich das Unternehmen bereits zwei Jahre zuvor systematisch eingearbeitet – auch um Geschäftspartnern frühzeitig Mehrwerte anbieten zu können. Und das hat sich ausgezahlt. Internationale Anforderungen in Sachen CBAM, CSDDD und EUDR sind mittlerweile ebenfalls eingeflossen. „Wir haben einen ganzheitlichen Ansatz gewählt und damit integre und resiliente Wertschöpfungsketten geschaffen“, sagt Daniel Gulotta, bei Orafol verantwortlich für Lieferantenmanagement, strategischen Einkauf und die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben. „Es ging nicht nur um die bloße Einhaltung von Vorschriften und Compliance-Anforderungen. Wichtig war uns von Beginn an die parallele Digitalisierung unseres strategischen Einkaufs und die exzellente Zusammenarbeit der zahlreichen Schnittstellen und Verantwortlichen intern und extern.“

Daniel Gulotta blickt auf ein erfolgreiches Projekt zurück, bei dem die gesteckten Ziele erreicht wurden: zum Beispiel der Aufbau einer Datenbank für Roh- und Inhaltsstoffe als Grundlage für die Digitalisierung von Einkaufsprozessen, ein digital gestütztes Lieferantenmanagement auf nationaler und internationaler Ebene sowie das ganzheitliche Risikomanagement in der Lieferkette. Und wie wurde das Ganze gemanagt?

Der Weg zur SaaS-Systemlandschaft

Das Ziel: Aufbau einer SaaS-Systemlandschaft, mit Excel als schneller und effektiver Datengrundlage. Externe strategische Unterstützung kam von der Firma targetP. Die Struktur zur Integration internationaler Nachhaltigkeitsanforderungen und -standards in die Orafol-Lieferkette basiert auf der Plattform IntegrityNext. Zudem wird eine Lösung für das kontinuierliche 24/7 Risiko-Monitoring genutzt. Die Besonderheit: Als zentraler Integrator, quasi in der SRM-Mitte, dient die Suite Procurence Meercat. Dieses Tool bündelt die Informationen über einzelne Lieferanten. Die User brauchen nicht abzuspringen.

Gestartet wurde mit einer Reifegradanalyse, die neun Dimensionen umfasste, darunter Tools und Methoden, Lieferantenmanagement, Prozesse, Risikomanagement, Organisation. Orafol und die beiden targetP-Experten Jan-Henner Theißen und Stefan Wiemers formten zunächst ein cross-funktionales Team. Nach Interviews und der Analyse existierender Dokumente und Prozesse stand die Stammdatenbetrachtung (Einkauf, IT, ERP) im Fokus – „als Grundlage für die Risikoanalyse sowie die spätere Integration adäquater zukunftssicherer digitaler Systeme in Sachen ESG und SRM auf SaaS-Basis“, so Theißen.

Gemeinsam definierte man einen normierten und standardisierten Ansatz zur abstrakten Risikoanalyse in Excel, was nun eine fundierte Einschätzung der Risiken gemäß LkSG (Menschenrechte und Umweltverletzungen; zweistelliger NACE-Code; individuelle Gewichtung) ermöglicht. „Bei der SaaS-Lösung kam es auf den praktikablen Umgang mit der ESG-Applikation, Lieferantenmanagement und stetige Erweiterung mit anderen Standortdaten an“, erklärt Stefan Wiemers.

Gulotta: „Das Zusammenspiel mit den Software-Lösungen hat neue Handlungsoptionen und Perspektiven geschaffen und erhebliche Effizienzvorteile gebracht, etwa durch Automatisierung bei der Umsetzung von Lieferantenprozessen in Sachen Datenkonsolidierung und -pflege, Lieferantenselbstauskunft, Onboarding etc. Hinzu kommen die frühzeitigere Identifikation von Risiken, Maßnahmen zur Risikominimierung entlang der Lieferkette und besonders die Erfüllung der LkSG-Dokumentationspflichten.“ Ein Vorteil des hohen Automatisierungs- und Integrationsgrades sei die Reduzierung aufwändiger Datenpflege in voneinander isolierten Datenbeständen.

Transparenz und Ausbau des SRM

Jan-Henner Theißen: „Wir haben folgende Handlungsfelder definiert: Strategic Procurement & Performance, Risk Management & Compliance, ESG/Sustainability/Regulations, Communication & Collaboration sowie Flexibility & Future Requirements.“ Dieser neue Ansatz verschaffe Transparenz über die Lieferanten, über Warengruppen- und Lieferantenmanagement und die Verwaltung der Rohstoffe, über Risikodaten, Dokumentenablage, Zertifikate sowie über Maßnahmen.

Kollaboration und eine vernetzte Systemlandschaft

Orafol hat sich für den Ansatz „Single-Source-of-Truth“ im SRM entschieden. Das ermöglicht zum Beispiel – via Zugriff auf die neue zentrale Informationsdatenbank für Lieferantenstammdaten, Sanktionen und Risiken (bezogen auf Lieferanten und Kunden) – integrierte und standardisierte Aktivitäten in allen Abteilungen und Regionen. „Die zukunftssicheren vernetzten Systeme haben unseren strategischen Einkauf auf eine neue Stufe gehoben. Das zahlt auf die Perfomance des gesamten Unternehmens ein“, betont Gulotta.

Lessons learned

Klar ist, dass die hier geschilderten systematisierten Prozesse erfordern einen hohen Einsatz und auch Experten, die zusätzlich Verantwortung übernehmen. Konkret bedeutet das, die Bereitschaft für Investitionen in digitale Systeme und gleichzeitig in die Fachkräfte, die diese steuern und damit arbeiten. „Es gilt, Unternehmensprozesse zu synchronisieren und vertrauensvoll mit externen Dienstleistern zu arbeiten“, sagt Gulotta. „Eine gute Grundstruktur in Prozessen, die der Einkauf beeinflussen kann, sowie schnelle Entscheidungswege sind positive Faktoren. Und mit entsprechenden Trainings lassen sich Mitarbeitende sensibilisieren“, fügt Theißen hinzu.

Die beiden TargetP-Experten Theißen und Wiemers meinen übereinstimmend: Gesetz und neue Anforderungen in Sachen ESG sollten auch anderen Unternehmen als Türöffner für zusätzliche Ressourcen bzw. Budgets nutzen. Schließlich ergäben sich daraus viele Chancen: etwa für den Ausbau digitaler Lösungen, für die Einführung eines ganzheitlichen Ansatzes in Sachen modernes Lieferantenmanagement und Supply Chain Risk Management, ebenso für ein optimiertes Partner- und Vertragsmanagement, für Nachhaltigkeitsinitiativen, für mehr Informationssicherheit und eine bessere Absicherung gegen Cyber-Risiken – ein großer und bunter Strauß an Argumenten also, den es geschickt in Entscheidungsvorlagen einzubringen gelte.

Theißen über das Projekt: „Orafol hat einen echten Benchmark geliefert. Die frühzeitige intensive Beschäftigung mit der komplexen Thematik hat einen Zeitvorteil und rasche Erkenntnisgewinne gebracht. Die Verantwortlichen haben zugleich erkannt, dass ein ganzheitlicher Ansatz den Fortschritt im Unternehmen ungemein befeuern wird. Wir kennen aber auf der anderen Seite eine Reihe Unternehmen, die noch immer zögern oder meinen, abwarten zu können. Das ist weder eine Strategie noch eine Option, sondern gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit. Das Orafol-Beispiel sollte als Blaupause für stringentes und professionelles Vorgehen dienen.“


ORAFOL-Gruppe

ist ein weltweit tätiges Unternehmen mit Stammsitz im brandenburgischen Oranienburg. Hauptgeschäftsfelder sind grafische Produkte, selbstklebende reflektierende Folien, Industrieklebebänder und Kunststoffprodukte. Das Familienunternehmen setzte im Geschäftsjahr 2023 rund 868 Mio. Euro um. Mit 16 Tochtergesellschaften ist die inhabergeführte Gruppe in Europa, Nord- und Südamerika, Australien, Neuseeland sowie in Asien und Afrika präsent. Produktionsstandorte befinden sich in Deutschland, Irland, den USA, China und Mexiko. Orafol beschäftigt weltweit mehr als 2900 Mitarbeiter, davon über 1300 am Stammsitz in Oranienburg.

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