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Einkauf in Asien und Klimaschutz

CO2-Ausstoß eines Containertransportes von Shanghai
3 Cent/kg für den Klimaschutz – Asienimporte auf dem Prüfstand

Auch der Einkauf kommt an der gegenwärtigen Klimaschutzdebatte nicht vorbei. Sind lange Transportketten noch gerechtfertigt? Was kostet uns der lange Transportweg aus Asien in Sachen Klimaschutz? Können wir noch mit ruhigem Gewissen Global Sourcing betreiben?

Dem Hype in der Diskussion über den Klimaschutz mit sachlichen Zahlen zu entgegnen tut Not. Doch wie lässt sich eine neutrale Rechnung anstellen? Wie viel Klimaschutz muss in Rechnung gestellt werden, um einen Containertransport von Shanghai nach Hamburg zu kompensieren. In kaum einer Total Cost Kalkulation wird heute dieser Gedanke berücksichtigt. Wagen wir einen Versuch der kostenmäßigen Betrachtungsweise.

Was kostet uns der CO2-Ausstoß eines Containertransportes von Shanghai nach Hamburg?

Lassen wir einmal die Produktionsbedingungen außer Acht. Bei Industriegütern die nach CE oder ISO 9001:2015 oder anderen Industrienormen gefertigt werden, ist bezüglich der Produktionstechniken und -verfahren kein allzu großer Unterschied zwischen europäischen und asiatischen Firmen sichtbar. Lassen wir asiatische Firmen, die außerhalb dieser Norm liegen und für einen industriellen Einkäufer in Europa nicht in Betracht kommen einmal beiseite. Konzentrieren wir uns zunächst ausschließlich auf den Transport, denn dies ist ein zusätzlicher Aufwand und Belastung, der bei einem Bezug aus Deutschland oder Europa nur bedingt anfallen würde. In einer späteren zweiten Stufe können auch diese Unterschiede betrachtet und bewertet werden. Nach dem Pareto-Prinzip (80/20 Regel) vernachlässigen wir diesen Punkt in unserer Untersuchung und konzentrieren uns ausschließlich auf den Transport. Bei asiatischen Lieferungen gehen wir in der Regel von einem Seetransport mittels eines Containerschiffes aus. Der durchschnittliche Seeweg (einfache Strecke Hamburg–Shanghai) wird mit rund 20.000 km (Route durch den Suez Kanal) angenommen. Laut Wikipedia verursacht die gesamte Weltschifffahrt rund 1 Mio. to CO2-Ausstoß. Nach Berechnungen des Bundesamtes für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) kann bei Containerschiffen mit folgenden CO2-Belastungen gerechnet werden:

„Seetransporte emittieren demnach zwischen ca. 5 bis 60 Gramm CO2 pro Tonnenkilometer,
Schienentransporte emittieren etwa 10 bis 120 Gramm CO2 pro Tonnenkilometer,
Straßentransporte emittieren etwa 75 bis 160Gramm CO2 pro Tonnenkilometer.“ (Quelle: Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn; Stand des Wissens: 08.05.2019)

Ferner nehmen wir an, dass ein 20“-Container im Durchschnitt mit 6 Tonnen beladen wird und wir einen Mittelwert von rund 30 Gramm CO2 pro Tonnenkilometer zugrunde legen können.

Der Preis für CO2-Zertifikate kann ebenfalls ermittelt werden. Zurzeit liegt der Preis bei rund 20–30 Euro je Tonne. „Die Bank Berenberg hält bis 2030 CO2-Zertifikate von bis zu 100 Euro für möglich. Carbon Tracker hingegen, ein auf Klimawandel und Finanzmärkte spezialisierter Thinktank aus London, rechnet mit 35 bis 40 Euro zwischen den Jahren 2019 und 2023. Langfristig bräuchte es jedoch Preise in der Höhe von etwa 45 bis 55 Euro, um die Klimaschutzziele zu erreichen, so ihre Analyse.“ (Quelle: edison Handelsblatt 24.09.2018).

Gehen wir in unserer Kalkulation von einem Wert von 50 Euro je Tonne aus, um damit auf der sicheren Seite zu liegen.

Basierend auf diesen Annahmen ergibt sich folgende Kalkulation:

0,03 kg CO2 x 20.000 km (Durchschnittliche Seeentfernung Asien – Europa) =

600 kg CO2 pro Tonne Transport

=600 kg CO2 pro Tonne x 50 € pro Tonne CO2

~ 30,00 €/Tonne bzw. 0,03 €/kg

oder

rund 180 € pro Container bzw. 3 Cent pro kg bewegter Ware (bei ~ 6 to pro Container)

Damit hätten wir einen ersten belastbaren Wert des Transportes von importierten Gütern aus Asien nach Europa.

Legen wir diese Werte zugrunde, dann heißt das: Ein industrielles Kunststoffteil von 10 Gramm Gewicht (z. B. ein Gehäuseoberteil einer Fernbedienung) würde aus Klimaschutzgründen rund 1 bis 3 Euro-Cent teurer. Ein elektrischer Antrieb von 3 kg Gewicht würde rund 9 Euro-Cent teurer.

Somit kann jedes Unternehmen und jeder Einkaufsbereich selbst ausrechnen, was der Bezug aus Asien unter Klimaschutzaspekten kostet.

Die Aufnahme der Klimaschutzkosten in eine Total Cost Kalkulation

Damit der Nachhaltigkeit einer Global-Sourcing-Entscheidung Rechnung getragen werden kann, ist zu empfehlen, diesen Kostenfaktor (0,03 €/kg) in einer Total Cost Kalkulation zu berücksichtigen. Somit kann der Einkäufer der gegenwärtigen Diskussion Rechnung tragen und für das Unternehmen entscheiden, ob aufgrund der aktuellen CO2-Diskussion ein Bezug aus Asien auch weiterhin sinnvoll ist, zumindest aus wirtschaftlicher Sichtweise.

Inwieweit ein Einkaufsbereich zukünftig diese CO2-Klimakosten mit in seiner Total-Cost-Betrachtung einbezieht, sei jedem Unternehmen freigestellt. Wichtig ist, dass dieser Faktor quantitativ erfasst werden kann und somit ein Global-Sourcing-Bezug und die Kosten für einen CO2-Klimaschutz gegeneinander aufgerechnet werden können.

Ob eine CO2-Abgabe und Zertifikat wirklich sinnvoll ist und ob damit der Umwelt geholfen wird, ist ein anderes Thema. Diese Frage sollte sich die Wirtschaft aber stellen, da Deutschland gerade einmal mit einem Anteil von weniger als 3 % zu dem gesamten globalen CO2-Verbrauch beiträgt. Andere Länder wie Amerika oder China sind hier wesentlich stärker herausgefordert als wir.


Der Autor

Dipl.-Ing. Wilfried Krokowski

… ist Lehrbeauftragter Internationaler Einkauf und Supply Chain Management der Fachhochschule Kiel, Fachbereich Wirtschaft, Institut für Supply Chain und Operations Management und Executive Director der Global Procurement Services mit über 40 Jahren Berufserfahrung im internationalen Einkauf.
Buchautor verschiedener Fachbücher zum Thema Globalisierung und Einkauf.


Der Autor

Dipl.-Ing. Wilfried Krokowski

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