Die strategische Beschaffung stellt eine anspruchsvolle Aufgabe dar, die ein neues Verständnis erfordert. Jedoch fehlt diese strategische Perspektive im Einkauf häufig. Doch was bedeutet dieser Begriff genau? Im „Extended Purchasing Process Model“ (van Weele, Purchasing and Supply Chain Management, 2018) steht die strategische Beschaffungsfunktion im Vordergrund, die vier grundlegende Schritte umfasst: Festlegung der Spezifikationen, Beschaffungsmarktanalyse, Sourcing-Strategie, Auswahl der Lieferanten & Verhandlungen. Die P2P-Prozesse bilden den operativen Teil des Modells und sollten im digitalen Zeitalter weitestgehend durch E-Procurement-Lösungen ersetzt worden sein. Leider fokussieren die meisten Unternehmen ihre Ressourcen immer noch auf den operativen Einkauf. Das strategische Lieferantenmanagement bildet jedoch die Brücke zwischen strategischen und operativen Prozessen und ist der wesentliche Hebel, nicht nur für Ihren Beschaffungserfolg, sondern auch für die Umsetzung nachhaltiger Lieferketten.
Gemeinsam gestalten
Unternehmen vernachlässigen zwei wesentliche Aspekte des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) – Impact und Bemühenspflicht – oft aufgrund des fehlenden Verständnisses einer strategischen Beschaffung. Abschnitt 2 § 3 des LkSG fordert: „Unternehmen sind dazu verpflichtet, … Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten, mit dem Ziel, menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken vorzubeugen oder sie zu minimieren …“
(www.gesetze-im-internet.de/lksg/LkSG.pdf). „Angemessen“ sollte mit Impact gleichgesetzt werden – wo in der Lieferkette kann Ihr Unternehmen positive Veränderungen herbeiführen und damit seine Zukunftsfähigkeit sichern? „Minimieren“ spiegelt die Bemühenspflicht wider: Der Gesetzgeber erwartet keine perfekten Lösungen, sondern kontinuierliche Anstrengungen zur Risikominderung. Dies bedarf einer klaren Warengruppenstrategie und eines partnerschaftlichen Lieferantenmanagements. Nur durch eine enge Zusammenarbeit mit „Impact“-Lieferanten kann die Resilienz der Lieferketten gestärkt werden. Gemeinsam können Unternehmen und ihre Stakeholder menschenrechtliche und umweltbezogene Standards heben und so eine nachhaltige Zukunft gestalten.
In Abschnitt 2 § 7 (Abhilfemaßnahmen) des LkSG werden zwei weitere, entscheidende Punkte hervorgehoben: die gemeinsame Erarbeitung und Umsetzung eines Plans mit Lieferanten sowie der Zusammenschluss mit anderen Unternehmen. Was bedeutet das für den strategischen Einkauf? Zum einen können Sie den persönlichen Kontakt mit Ihren „Impact“-Lieferanten nicht ignorieren und darauf hoffen, dass IT-Tool-Anbieter diese Aufgabe für Sie übernehmen. Zum anderen bedarf es eines neuen Verständnisses von Wettbewerbsvorteilen. Die Erfüllung ökologischer oder sozialer Anforderungen festigt nicht einfach Ihre Wettbewerbsposition – sie sichert die Zukunft Ihres Unternehmens in Zusammenarbeit mit Ihren Lieferanten und sogar Ihren Konkurrenten. In Zukunft werden globale Lieferketten unter der Führung eines nachhaltigen Einkaufs konkurrieren. Do it yourself: Investitionen in Training, Wissensaufbau, personelle Kapazitäten in der strategischen Beschaffung und unterstützende IT-Tools sind die einzigen profitablen Wege.
Friedrich Nietzsche hat einst gesagt: „Die Tanzenden werden für verrückt gehalten von denen, die die Musik nicht hören können.“ Sie werden nicht nur die Musik hören – sie werden sie so laut machen, dass das gesamte Unternehmen mittanzt! Lassen Sie uns gemeinsam die Melodie der strategischen Beschaffung spielen und die Zukunft gestalten!
Prof. Dr. habil. Lisa Fröhlich
Einkauf und sein wirtschaftliches sowie politisches Umfeld kritisch betrachtet Prof. Dr. Lisa Fröhlich (www.ispira-thinktank.com) in unserer neuen Reihe.