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„Hallo, Herr Kaiser“ im digitalen Zeitalter

Die smarte Fabrik richtig absichern
„Hallo, Herr Kaiser“ im digitalen Zeitalter

„Hallo, Herr Kaiser“ im digitalen Zeitalter
Dr. Verena Brenner, Geschäftsführerin der HDI TH!NX GmbH, einer Tochtergesellschaft der HDI-Versicherungsgruppe. Bild: HDI
Die Industrie wird immer digitaler und vernetzter, doch die Versicherungspolicen stammen zum Teil noch aus dem letzten Jahrhundert. Ein zeitgemäßer Versicherungsschutz setzt verstärkt auf Beratung und Prävention und nutzt dabei modernste Technik.

Einst sorgte der freundliche Herr Kaiser für das gute Gefühl, richtig versichert zu sein. Der vertrauenserweckende Versicherungsfachmann, mit dem die Hamburg-Mannheimer seit 1972 jahrzehntelang im Fernsehen warb, war überall präsent, allzeit ansprechbar und der Garant für ein sorgenfreies Leben.

50 Jahre später könnte sich die Rolle des Versicherers wieder Herrn Kaiser annähern: hin zum Partner der Versicherten, zum Präventionsberater und zum Risikomanager. Denn die Schäden, die in der vernetzten 4.0-Welt drohen, können so massiv sein, dass man sie besser vermeidet als reguliert. Wenn die smarte Fabrik oder das intelligente Logistikzentrum stillsteht – etwa durch einen Cyber-Angriff –, können durch digitale Kettenreaktionen Großschäden entstehen, weil alles vernetzt ist und sich die Schäden entlang der Liefer- und Wertschöpfungsketten weiterfressen.

Prävention wichtiger
denn je

„Der störungsfreie Betriebsablauf ist von größter Bedeutung zur Sicherstellung effizienter Prozesse“, sagt Dr. Verena Brenner, Geschäftsführerin der HDI TH!NX GmbH, einer Tochtergesellschaft der HDI-Versicherungsgruppe. „Viel stärker steht dadurch die Schadensprävention im Vordergrund.“ In der smarten Fabrik kommunizieren die Maschinen und Geräte miteinander und steuern sich selbst. Produktion, Lagerhaltung und Materialfluss sind hoch automatisiert. Zwar sorgt ein immer besseres Qualitäts- und Risikomanagement im Industrie-4.0-Zeitalter für weniger Bedienungsfehler und Bagatellschäden, und die Maschinen machen ihre Arbeit zuverlässiger als der Unsicherheitsfaktor Mensch. Expertin Brenner aber warnt: „Durch die Digitalisierung der Fabrik, aber auch der Produkte wachsen Hardware und Software immer stärker zusammen, sodass sich ganz neue Schadensszenarien und -ursachen ergeben und die Risikobeurteilung schwerer fällt.“

Versicherer setzen auf modernste Technik

Smarte Versicherungslösungen setzen heute Tools, Apps und Sensoren ein, um den Versicherungsfall gar nicht erst eintreten zu lassen. „Durch die Einbindung von Sensorik in digitale Risikomanagement-Tools ist es zum Beispiel möglich, potenzielle Störungen frühzeitig zu erkennen und zu beheben“, erläutert Verena Brenner. „Versicherer können mit ihrer Expertise solche Tools entwickeln und dem Kunden damit ganz neue Services anbieten.“ Konkret können etwa Brandschutzsysteme, Einbruchmeldetechnik, Stromversorgungsdetektoren und Temperaturmesser digital in ein umfassendes Schutzkonzept eingebunden werden. „Kombiniert mit automatisierten Meldeketten sowie mit datenbasierten Analysen wird das Risikomanagement damit optimiert“, so Brenner. Versicherer und Industrie könnten aus den angefallenen Daten wichtige Erkenntnisse ziehen, müssten dazu aber die Daten teilen und dazu neue Formen der Zusammenarbeit finden.

Zeitgemäße Absicherung auch für die IT

Wer für den Versicherungsschutz im Betrieb verantwortlich ist, sollte überprüfen, ob die Versicherungspolicen noch mit dem Grad der Automatisierung mithalten können. So alt wie Herr Kaiser ist nämlich zum Teil noch der Versicherungsschutz mancher Unternehmen. Ob Stillhalten hier der richtige Weg ist, darf bezweifelt werden. „Ältere Versicherungsverträge könnten auf der einen Seite vorteilhaft sein, weil sie bestimmte Szenarien vielleicht noch nicht ausschließen“, sagt Expertin Brenner mit Blick auf diejenigen Haftungsausschlüsse, die aktuell üblich sind. „Sie können aber auch nachteilig sein, weil sie bestimmte Szenarien nicht einschließen.“

Etwa das Horrorszenario Cyber-Angriff. Die „klassische“ Sachversicherung deckt das Risiko von Cyber-Schäden nur unzureichend ab. Denn Sie ersetzt nur Sachschäden mit materiellen Substanzverletzungen, wenn etwa eine Sache beschädigt oder zerstört wird – was bei Phishing-Mails, Viren und Ransomware meist nicht der Fall ist oder zumindest nicht den Großschaden ausmacht. Die immateriellen Schäden, etwa ein Produktionsausfall oder ein hohes Bußgeld wegen einer Datenpanne, fallen nicht unter die Sachversicherungs-Police. Und selbst wenn eine Anlage durch virtuelle Sabotage beschädigt und außer Funktion gesetzt wird: Digitale Schadensursachen lässt die Sachversicherung meist nicht gelten.

Andere Risiken sind so neu, dass sie von älteren Verträgen schlichtweg deshalb nicht erfasst sind, weil es sie noch nicht gab. Etwa digitale Erpressungen mit hohen Lösegeldforderungen nach Schadsoftware-Attacken.

Andererseits ist es mittlerweile üblich, dass nur die unternehmenseigenen Computersysteme vom Cyber-Versicherungsschutz umfasst sind. Alle externen IT-Dienstleister, die ein Unternehmen in Anspruch nimmt – auch die von Cloud-Anbietern –, sind nicht in den Versicherungsschutz einer Cyber-Versicherung einbezogen. Wer jedoch schon früh eine solche Police abgeschlossen hat, dessen Vertrag enthält womöglich noch keinen entsprechenden Haftungsausschluss und ist auf den ersten Blick besser gestellt.

Schadensursachen schwer aufklärbar

Klar ist, dass die starre Abgrenzung zwischen Industrie-, Haftpflicht- und Cyberversicherung kein Zukunftsmodell ist. Durch die Vernetzung in der smarten Fabrik – und nicht nur dort, sondern weltweit, etwa bei globalen Lieferketten – verweben und verwirren sich mögliche Schadensursachen und machen die Klärung der Schuldfrage „Was ist genau schiefgegangen und wer ist dafür verantwortlich?“ extrem schwer. In solchen komplexen Fällen wären vor Gericht aufwendige Beweiserhebungsverfahren und teure Sachverständigengutachten die Folge, die weder Versicherungsgesellschaften noch Unternehmen wollen können. Zumal viele digitale Systeme heute noch gar nicht ausgereift und Schäden durch „Kinderkrankheiten“ zwangsläufig noch zu erwarten sind; man denke nur an das Stichwort „künstliche Intelligenz“.

Start-ups beleben den Versicherungsmarkt

Wo große Versicherungsgesellschaften nicht flexibel genug sind, um mit der digitalen Entwicklung Schritt halten zu können, schlägt die Stunde der Start-ups. Sie können außerhalb der trägen Strukturen schnell und passgenau neue Ansätze, Produkte und Konzepte, neudeutsch gerne „Ökosysteme“ genannt, entwickeln, jenseits des bisherigen Spartendenkens und dem Versicherungsfall weit vorgelagert.

Hier ergeben sich Chancen für die Unternehmen, die ihren Versicherungsschutz vorsorglich, ohne Worst-Case-Anlass, auf Vordermann bringen wollen oder bei Neugründungen Ansprechpartner auf Augenhöhe suchen. „Die neuen Start-ups bringen Bewegung in den Versicherungsmarkt. Das hilft allen Marktteilnehmern – und vor allem den Kunden“, lautet die Einschätzung von Hartmuth Kremer-Jensen, Mitglied der Geschäftsführung beim Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen Aon. „Primär getrieben werden die Innovationen von der Digitalisierung. Und an dieser Stelle ist es für viele Versicherer tatsächlich wichtig, gegenüber anderen Branchen in Deutschland aufzuholen.“

Zahlreiche Start-ups, meist Ausgründungen der großen Gesellschaften, sind bereits am Start und bauen digitale Intelligenz auf. Wäre ich in der Versicherungsbranche, ich würde mein Start-up „HalloHerrKaiser“ nennen.


Die Autorin: Anja Falkenstein,

Rechtsanwältin, Karlsruhe


Serie Einkaufsrecht

RA Anja Falkenstein stellt aktuelle und einkaufsrelevante Rechtsthemen vor.

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