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Potenziale in der Beschaffung von Werkzeugkomponenten

„Best-of-Benchmark Einkauf“ im Werkzeugbau
Potenziale in der Beschaffung von Werkzeugkomponenten

Aktuell stehen deutsche Werkzeugbaubetriebe vor drei zentralen, die Geschäftslage bestimmenden Herausforderungen. Potenziale zur Bewältigung dieser bieten Einkauf und Lieferantenmanagement.

Eine dieser aktuellen Herausforderungen ist die steigende Internationalisierung der Werkzeugbaubranche. Neue Anbieter besetzen den Markt mit günstigen Werkzeugen und sorgen für steigenden Wettbewerbsdruck. Die Produktderivatisierung – beispielsweise im Zuge des Wandels zur Elektromobilität – betrifft ebenfalls den Werkzeugbau, da die Anzahl der zu fertigenden Werkzeuge aufgrund von Mehrfachwerkzeugen, bezogen auf die Zunahme der Derivate, überproportional ansteigt. Gleichzeitig sinkt das verfügbare Budget für die Werkzeuge, da die Stückzahlen pro Derivat abnehmen. Die dritte Herausforderung stellen die verkürzten Produktlebenszyklen dar. In der Automobilbranche werden z. B. neue Modelle in immer schnellerer Abfolge in den Markt gebracht. Dies führt ebenfalls zu einem Anstieg der benötigten Werkzeuge.

Das Ergebnis dieser Herausforderungen ist, dass ein erhöhter Werkzeugbedarf vorliegt, während das Budget für Werkzeuge gleichzeitig sinkt. Großes Potenzial zur Bewältigung dieser Herausforderungen bieten Einkauf und Lieferantenmanagement, da diese die Kosten zur Werkzeugherstellung signifikant beeinflussen und durch die Integration externer Wertschöpfungspartner eine effiziente Werkzeugherstellung realisieren können.

Im Zuge des WBA-Projekts „Best-of-Benchmark Einkauf“ konnte Transparenz für die Marktpreise für Werkzeugkomponenten geschaffen sowie Einsparpotenziale im Einkauf ermittelt werden. Grundlage für die Übersicht waren ausgewählte Werkzeugkomponenten der teilnehmenden Unternehmen sowie Anfragen an die Lieferanten des Konsortiums.

Das Vorgehen gliedert sich in vier Phasen (s. Abb. 1). Zu Beginn werden die Kategorien des Benchmarks definiert. Anschließend werden die Einkaufsumfänge festgelegt sowie die entsprechenden Lieferanten der Partnerunternehmen ausgewählt. Im nächsten Schritt werden zur Ermittlung der Marktpreise Lieferantenanfragen für die Einkaufsumfänge durchgeführt. In der vierten Phase werden die eingeholten Angebote ausgewertet und das Best-of-Benchmark im Einkauf hergeleitet. Mittels des Vorgehens aus Abbildung 1 wurden die Ergebnisse vom Konsortium erarbeitet:

a) Definition übergeordneter Kategorien

Es wurden sechs übergeordnete Kategorien zur Festlegung der Einkaufsumfänge festgelegt: 3D-Formteile, rotationssymmetrische Teile, Platten, Gussbauteile, Normteile und Rohmaterial. Durch gemeinsam erstellte Anforderungsprofile wurde sichergestellt, dass alle Angebote unter den gleichen Rahmenbedingungen eingeholt werden. Beispielsweise wurden bei den Normteilen Dimensionsvorgaben, Stückzahl und Verfügbarkeit als Anforderungen festgelegt.

b) Festlegung der Einkaufsumfänge

Im nächsten Schritt wurden die Einkaufsumfänge in den zuvor definierten Kategorien festgelegt. Aus 86 eingereichten Einkaufsumfängen wurden 24 durch das Konsortium für das Benchmark ausgewählt. Aufgrund von Preisschwankungen wurde die übergeordnete Kategorie Rohmaterial nicht betrachtet. Im letzten Schritt dieser Phase wurden die vorher festgelegten Anforderungen für die jeweiligen Einkaufsumfänge spezifiziert. Grundsätzlich wurden beispielsweise sämtliche Normteile in Stückzahl zehn angefragt und für die 3D-Formteile die Lieferzeit auf sieben Wochen festgelegt.

c) Vorbereitung von Lieferanfragen

Auf der Grundlage der festgelegten Anforderungen fragten die Unternehmen je Einkaufsumfang anschließend jeweils bis zu drei Angebote als Referenz für das Benchmark bei ihren Lieferanten an. In den Kategorien rotationssymmetrische Teile und Normteile wurden am meisten Angebote eingeholt. In den Kategorien 3D-Formteile und Platten, war die Anzahl der eingeholten Angebote ähnlich. Da nur wenige Unternehmen des Konsortiums Gussteile nutzen, war die Anzahl der Anfragen bei diesen Teilen am niedrigsten.

d) Auswertung der Ergebnisse

In der letzten Phase erfolgte die Diskussion der Benchmark-Ergebnisse, die sich aus den Referenzanfragen zusammensetzen. Grundsätzlich wurde bei der Auswertung darauf geachtet, dass eine ausreichend große Datengrundlage zur Verfügung stand, um eine valide Einschätzung über reale Marktpreise liefern zu können.

Preise regelmäßig vergleichen

Abbildung 2 zeigt die Verteilung der Angebotspreise für ein beispielhaftes Normteil. Hervorgehoben sind der niedrigste Preis, der höchste Preis, sowie der Durchschnitt und der Median. Alle weiteren Angebote sind in Form von schwarzen Punkten kenntlich gemacht. Die Streuung der Werte um den Median verdeutlicht die Relevanz von regelmäßigen Preisvergleichen, insbesondere bei Normteilen. Als möglichen Grund konnten schlechte Konditionen beim Einkauf identifiziert werden, was auf das Fehlen von Rahmenverträgen zurückgeht.

Nicht nur in der Kategorie Normteile streuen die Ergebnisse stark, in einigen anderen Fällen konnten Preisschwankungen von bis zu 300 Prozent festgestellt werden. Grund hierfür könnte die unterschiedliche Herkunft der Lieferanten sein, welche teilweise im Ausland sitzen.

Auf Grundlage der Daten, der von den Unternehmen zugesandten Listen ihrer Lieferanten, erhielt das Konsortium ebenfalls eine anonymisierte Auswertung des gesamten Lieferantenportfolios (s. Abb. 3). Die Darstellung enthält anonymisiert die Anzahl der gemeldeten Lieferanten und zeigt Schnittmengen unter ihnen auf. Für jede übergeordnete Kategorie wurde außerdem eine Analyse des Preisgefälles der Lieferanten je nach örtlicher Nähe bzw. Lokalisierung innerhalb Deutschlands angefertigt. Diese geografische Auswertung zeigt z. B., dass in der übergeordneten Kategorie der 3D-Formteile 82 Prozent der Lieferanten im Umkreis von 300 km um das jeweilige Unternehmen sitzen. In der übergeordneten Kategorie der rotationssymmetrischen Teile liegen 44 Prozent der Lieferanten in einer Entfernung von 300 km und weitere 17 Prozent in einer Entfernung von 600 km zu ihren jeweiligen Auftraggebern. Diese Ergebnisse wurden mit derartigen Ausprägungen erwartet, da kurze Lieferwege und Flexibilität ein häufiges Kriterium für komplexe Einkaufsumfänge sind.

Mit einer Wertschöpfungstiefe von ca. 70 Prozent im deutschen Werkzeugbau verfügt der Einkauf über einen signifikanten Stellhebel für die Kosten und den Unternehmenserfolg. Bei einem Jahresumsatz von 5,6 Mrd. Euro im deutschen Werkzeugbau werden 1,7 Mrd. Euro (30 %) über Lieferanten abgewickelt. Im Rahmen des WBA Projekts „Best-of-Benchmark im Einkauf“ wurden die Marktpreise dieser Einkaufsumfänge erhoben, verglichen und bewertet. Den teilnehmenden Unternehmen konnte ein Einblick gewährt werden, wie ihre Lieferanten innerhalb des Konsortiums einzuordnen sind.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass im Einkauf ein signifikantes Potenzial zur Reduktion von Kosten vorliegt und regelmäßige Preisvergleiche auch bei Vorhandensein etablierter Lieferanten sinnvoll sind.


Die Autoren:

Prof. Dr.-Ing.
Wolfang Boos,
Gerret Lukas, M.Sc., Lea Niwar, M.Sc., und Kai Yu, M.Sc.

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