Einkäufer sind auf sozialen Medien üblicherweise vor allem eines: still. Man hält den Kopf unten und verhält sich unauffällig, um nicht täglich von dutzenden Vertriebsmitarbeitern kontaktiert zu werden. Diese stehlen einem nämlich sonst vor allem Zeit, indem sie einem das anbieten, was man sowieso nicht braucht, zu einem Zeitpunkt an dem man nicht danach sucht. Es gibt Einkäufer, die deswegen keinen LinkedIn-Account haben und es gibt solche, die ihn deswegen nicht mit der korrekten Funktionsbezeichnung bestücken. Andere wiederum sind immer noch der Meinung LinkedIn sei vor allem eine Plattform zur Jobsuche. Somit halte man sich dort besser nicht auf, da der Chef sonst argwöhnisch denken könnte, man suche nach einer neuen Stelle.
Aber LinkedIn ist längst viel mehr. LinkedIn ist das Facebook für den Business-to-Business-Bereich. Wenn man sich richtig einrichtet, erhält man einen hochrelevanten Feed mit Postings aus seinem Interessenbereich, man folgt interessanten Menschen und verbindet sich mit bestehenden oder möglichen Geschäftskontakten. Die Verkäufer haben dies längst erkannt und vermarkten unter dem Schlagwort «Social Selling» zuerst sich selbst als Experten für Ihren Fachbereich und darauf folgend ihr Produkt oder ihre Lösung. Man könnte fast schon von einem Business-Influenzertum sprechen. Was tun derweil die Einkäufer? Sie bleiben weiter still.
Muss man sich als Einkäufer vor den Vertrieblern verstecken? Natürlich nicht. In einer idealen Welt ruft einen der Verkäufer eines Produktes genau an dem Vormittag an, andem man intern von einem entsprechenden Bedarf Wind bekommen hat. Niemals ist uns der Anruf willkommener als dann. Denn nun wird der Verkäufer vom Störenfried zum Problemlöser. Diesen Zeitpunkt zu treffen, ist aber – das weiß im Vertrieb jeder – nahezu unmöglich. Und bei aller Liebe zum Social Selling, so verlässt doch viele die Geduld auf die ersehnten Aufträge zu warten und man stellt bald mal wieder auf die unbeliebte aber zumindest bekannte Kaltakquise um.
Mittel zur Geschäftsanbahnung
Was also tut man als Einkäufer, wenn man einerseits soziale Medien produktiv nutzen möchte, anderseits nicht in einer Flut von Werbung untergehen will? Gibt es überhaupt eine Möglichkeit dies zu tun? Wie wäre es denn, wenn die Einkäufer der treibende Faktor auf sozialen Medien werden würden? Wenn Einkäufer auf LinkedIn posteten, welche Produkte sie gerade suchen oder Lieferanten sie benötigen, hätte das diverse Vorteile. Die Kontakte des Einkäufers können mithelfen, indem sie den Beitrag liken oder mit Kommentaren versehen. Insbesondere kann man direkt mögliche Lieferfirmen oder Verkaufspersonen unter dem Post referenzieren, oder auch weitere Experten, die vielleicht eine Idee haben, wer der richtige Partner sein könnte. Dies führt nicht nur automatisch zu mehr Reichweite und einer befruchtenden Diskussion. Durch die Netzwerkeffekte versteht nun der Algorithmus auch, wohin er diesen Post leiten muss und zeigt ihn somit idealerweise den Vertriebsmitarbeitern, die tatsächlich im richtigen Geschäftsbereich tätig sind.
Wie es geht
#SocialProcurement ist eigentlich ganz einfach: Man erstellt einen Suchpost und beschreibt was man haben möchte. Idealerweise ist man hierbei etwas offener in der Formulierung. Wenn man etwas extrem spezifisches sucht, ist die Chance vermutlich klein genau den richtigen Lieferanten zu finden. Man reichert den Beitrag mit relevanten Hashtags an, nebst solchen mit Bezug auf das gesuchte Produkt empfehlen wir die Hashtags #IamBuying und #WeAreBuying gezielt zu etablieren, um Postings zur Lieferantensuche eindeutig zu markieren. Idealerweise spricht man sich mit der Marketingabteilung seines Arbeitgebers ab, damit man dessen LinkedIn-Seite direkt referenzieren kann und so auch dem Unternehmen folgende Verkaufsmitarbeiter erreicht. Zusätzlich referenziert man gegebenenfalls einige Kollegen oder Bekannte, deren Netzwerk man gerne für die Verbreitung anzapfen möchte.
Als Einkäufer muss man das alles nicht alleine lernen und machen. Auf LinkedIn bildet sich gerade eine wachsende Community von #SocialProcurement-Anwendern. Von Einkäufern für Einkäufer werden kostenlose Webinare und Beschreibungen angeboten, damit man schnell und einfach in die Welt von #SocialProcurement starten kann. Da wird zum Beispiel eine Benutzergruppe sowie eine Fokusseite angeboten. Stattet man seinen Suchpost mit einer Referenz zu dieser Fokusseite aus, dann wird direkt die Einkaufscommunity getriggert und hilft bei der Verbreitung.
Nebst dem passiven Warten auf etwaige Suchposts gibt es auch für die Vertriebsleute Möglichkeiten, die Vorteile von #SocialProcurement aktiv zu nutzen. Ein Beispiel wäre gezielt nach Postings mit den Hashtags #IamBuying und #WeAreBuying in Verbindung mit Schlagworten zum eigenen Produkt zu suchen. So kann man manuell auch Suchposts auffinden, welche einem der Algorithmus unter Umständen nicht serviert hätte. Bei Benutzung von Robotic Process Automation tools lässt sich dieses Screening sogar teilweise automatisieren. Wünschenswert wäre mittelfristig natürlich eine Integration solcher Funktionen in den LinkedIn Sales Navigator, einem Tool für Vertriebsleute auf LinkedIn.
Die digitale Sichtbarkeit
Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung von #SocialProcurement ist natürlich eine gewisse Grundsichtbarkeit auf Social Media. Bei LinkedIn bedeutet das insbesondere, dass man sein eigenes Profil vollständig und gepflegt haben sollte. Als zusätzlichen Eyecatcher hat die Community einen gelben Rahmen mit dem Hashtag #IamBuying für das Profilbild ersonnen. Obwohl dieser Rahmen kein offizielles LinkedIn Angebot ist, gleicht das Design den bereits bekannten Rahmen #OpenToWork (grün) für Jobsuchende und #Hiring (lila) für Mitglieder die nach Mitarbeitern suchen. Wer weiss, vielleicht bietet LinkedIn zukünftig den #IamBuying-Rahmen ganz offiziell für Einkäufer an.
Digitale Sichtbarkeit hat aber auch andere Vorteile. Das digitale Ich ist gerade in Zeiten globaler Vernetzung und Reiseeinschränkungen in den Vordergrund gerückt. Als Einkäufer auf sozialen Medien präsent zu sein bietet nicht nur den Vorteil von möglichen Lieferanten gefunden werden zu können, auch der Austausch in der Einkaufscommunity ist ein weiterer Pluspunkt. Hinzu kommt, dass ein solcher Such-Post, wenn er geschickt gemacht ist, auch eine digitale Visitenkarte für das Unternehmen sein kann. Nicht zuletzt hilft diese erhöhte Präsenz auch für die Positionierung des Einkaufes innerhalb des eigenen Unternehmens. Als Einkäufer weiß man, wie wichtig das sein kann.
Die Initiative #SocialProcurement
#SocialProcurement ist eine private Initiative gegründet von Mario Bruggmann und Kathrin Kubisch mit dem Ziel Suchpostings auf sozialen Medien zum neuen Normal zu machen. Ein weltumspannendes Netz von Ambassadors, im deutschsprachigen Raum zusätzlich zu Kathrin Kubisch (DE) noch Stefan Voegeli (CH), hilft interessierten Einkäufern kostenlos beim Verstehen der Mechanismen auf LinkedIn und den ersten Schritten. Für die Zukunft sind Schulungsvideos und eine informative Website geplant.